Fleischindustrie: Keine Solidarität mit Tönnies
Der Fleischmonopolist Tönnies ist öffentlich nur wegen der Corona-Ausbrüche in seinen Betrieben, so wie jetzt bei Weidemark in Sögel, ein Thema. Dabei ist Tönnies derjenige, der den Fleischmarkt bestimmt, während die Risiken der Produktion bei den Bauern liegen. Tönnies hat mit dem Missbrauch des Werkvertragssystems die Ausbeutung von Menschen aus ärmeren Ländern zum Geschäftsmodell gemacht.
Wegen der Schlachthofschließung in Folge der Coronarestriktionen kam es zu gemeinsamem Vorgehen von Tönnies und Bauern, die ihre Existenz gefährdet sehen und deren Höfe wegen des Schlachtverbots aus den Nähten platzen. Das Mitgefühl für die missliche Situation der Bauern sollte uns aber nicht verführen, für den Monopolisten Tönnies das gleiche Gefühl aufzubringen.
Die unhaltbaren asozialen Zustände waren erstmals 2012 in Sögel im Zusammenhang mit den Wohnverhältnissen der „Eimermenschen“ genannten Werkvertragsarbeiter bei Weidemark ein Thema. Damals (und auch noch heute) prangert Pfarrer Peter Kossen die unwürdigen und unzumutbaren Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie an – durch die jüngsten Skandale bei Tönnies und Westfleisch und Wiesenhof wurden diese so offensichtlich, dass niemand mehr wegschauen konnte und die Politik endlich zum Handeln gezwungen wurde: In der Fleischindustrie sollen ab dem 1. Januar 2021 Werkverträge und ab dem 1. April 2021 auch Zeitarbeit verboten werden: Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung dürfen – wenn alles gut geht- in Zukunft nur noch von eigenem Stammpersonal des Inhabers vorgenommen werden.
Die Arbeitgeber in der Fleischindustrie behaupten, das verstoße gegen das Grundgesetz. Ein Gutachten im Auftrag des DGB und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zeigt jetzt: Ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit für Unternehmen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Weil die Aufsichtsbehörden (Zoll, Sozialversicherungen, Tierschutzbehörden) seit Jahren die Augen zumachen, um Tönnies‘ Geschäftsmodell zu ermöglichen, fordert die Aktion „Arbeitsunrecht“ im Rahmen einer Kampagne gegen Tönnies vom NRW-Arbeitsminister:
• Rückhaltlose Aufklärung und Verfolgung von Schein-Werkverträgen und
Mietwucher, und daraus folgenden Delikten wie Lohnraub, Sozialabgabenbetrug,
Steuerhinterziehung.
• Kriminogenen (Verbrechen fördernden) Unternehmersumpf austrockenen! Schluss
mit Straffreiheit und Rechtsnihilismus („Legal, illegal,
scheißegal“)!
• Ende der Duldung von Gesetzesverstößen aller Art durch Behörden — auch durch
systematische Unterversorgung mit Personal und Ausstattung.
• Demokratische Arbeitsverhältnisse! Sofortige Beendigung der sklavenartigen
Beschäftigungsverhältnisse!
• Konsequenter Schutz von aktiven Betriebsräten gegen Union Busting!
• Nachzahlung von geraubtem Lohn! Entschädigungszahlungen an die Arbeiter*innen
für jahrelanges erlittenes Unrecht und Leid!
Tönnies als Monopolist versucht über seine Firmenstruktur seine Marktmacht zu verschleiern und gleichzeitig die Mitarbeiter um ihre Rechte zu bringen. Ständig werden Firmen aufgekauft, wieder geschlossen und neue gegründet. Den Mitarbeitern werden damit ihre Mitbestimmungsrechte vorenthalten. Außerdem erleichtert die Aufsplitterung in Kleinstfirmen Tönnies das Heuern und Feuern ohne Rücksicht auf die betroffenen Mitarbeiter. Auch das ehemalige Zimbo-Werk in Börger, das jetzt unter dem Namen Bell Germany GmbH & Co. KG geschlossen wird, ist ein Opfer dieser Unternehmenspolitik. Die nächste Methode – und wieder legal – um so weiter zu machen, wie bisher, wird der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen sein. Die Gesetze erlauben das, denn die sachgrundlose Befristung ist erlaubt. Menschen mit befristeten Verträgen werden ihre Rechte nicht durchsetzen können. Für Tönnies sind die neuen Gesetze der Bundesregierung zum Verbot von Werkverträgen nur ein Anlass, um der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen: Jetzt ist alles gut!
Einige Namen von Firmen, die Tönnies im Laufe der Zeit übernommen hat bzw. gegründet hat, sind: Schlachthof in Weißenfels, Rinderschlachtbetrieb A.F.G. Allgäu Fleisch, Legdener Schlachthof, R. Thomsen in Kellinghusen, Lutz-Gruppe, Lohnschlachterei Lazar, ein Betriebsteils der Besselmann Services, Mühlen Gruppe in 24860 Böklund, Acontex in Rheda-Wiedenbrück, Tevex in Rheda-Wiedenbrück, Jade Schlachthof Wilhelmshaven, Bradleys Countryfood Brandenburg an der Havel, Tillman’s Convenience in Weißenfels, Weidemark Fleischwaren Sögel, Hotel Seezeichen in Ostseebad Ahrenshoop. Zur Mühlengruppe wiederum gehören z.B. Redlefsen, Könecke, Schulte Wurst, Marten Fleischwarenfabrik.
Marken von Tönnies sind z. B. Bauernglück (Aldi), Rolffes (Aldi), Gut Drei Eichen (Aldi), Sölde (Aldi). Tönnies ist also ein Oligarch, wie er im Buche steht. Wer ihn als „Partner“ sieht, hat schon verloren. [jdm]