So viele Reisende wie noch nie haben im vergangenen Jahr den Fernverkehr der Deutschen Bahn genutzt – wenn auch immer noch nicht so viele, wie vor der Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft 1993. Aber der Bahnvorstand nutzte diese einzige positive Zahl bei seiner Vorstellung des Geschäftsberichtes, um den alten Stiefel weiterfahren zu können. Dem stellte die Organisation „Bahn für alle“ ihren alternativen Geschäftsbericht entgegen.

1993 wurde die Bahn auch komplett von ihren 20 Mrd.  € Schulden befreit, um sie für Aktionäre attraktiv zu machen – also um Staatsknete in Privatknete reicher Investoren zu verwandeln. Der Verkauf an der Börse hat bekanntermaßen nicht geklappt – aber die Bahn hat heute wieder fast genauso viel Schulden wie vor ihrer „Entschuldung“: 19,5 Mrd.€.

Und der Ex-Minister Ronald Pofalla, der auf seinen gut bezahlten Vorstandsposten bei der Bahn gehievt wurde, findet es einen guten Anfang, dass der Bund für den Ausbau der Infrastruktur 50 Milliarden Euro, gestreckt auf die kommenden zehn Jahre, zahlen will.

Dabei bekommt die Bahn sowieso heute schon staatliche Unterstützungsleistungen auf dem gleichen Niveau wie vor der Bahnreform, und es ist kaum noch möglich, einen Überblick über die vielen versteckten Zahlungen in unterschiedlichen Budgetposten zu behalten, wie die Organisation „Bahn für alle“ in ihrem alternativen Geschäftsbericht kritisiert.

Die Bahn hat das Geld des Steuerzahlers nicht in die Verbesserung der Bahninfrastruktur, in Schienen und Instandhaltung von Zügen, in ein dichtes Angebot für die Fahrgäste, also in ihr Kerngeschäft, investiert. Das Geld wurde im Ausland für den Zukauf von Bahn und Busgesellschaften investiert und im Speditionsbereich mit LKW. Von wegen Güter von der Straße auf die Schiene bringen – die Bahn investiert in das Gegenteil! 2019 beträgt der Auslandsanteil beim DB-Umsatz bereits rund 50 Prozent. Und rund 50 Prozent des (im In- und im Ausland generierten) Umsatzes werden außerhalb des Bahnbereichs (vor allem im Speditions-, Logistik- und Lkw-Geschäft) generiert.

Außerdem sollten die verfehlten Großprojekte wie Stuttgart 21 jedem eine Warnung sein. Aber die Bahn hat nicht gelernt: In Hamburg Altona plant sie das nächste Desaster: das Projekt Altona/Diebsteich macht bahntechnisch keinen Sinn. Die Interessen, die damit bedient werden, liegen im Bereich der Immobilienentwicklung, wenn nicht der Grundstücksspekulation.

Bahn für alle“ fordert neue Strukturen (Unternehmensformen) für die Schienenverkehrsunternehmen und die Einrichtung von demokratischen Kontroll- und Steuerungsgremien. Die Auslandsengagements der Deutschen Bahn AG müssten komplett verkauft werden. Damit die Bahn ihre verkehrspolitische Aufgabe erfüllen kann, sollte bei dem angekündigten Deutschland-Takt eine bessere, landesweite Vernetzung von Fern- und Nahverkehr sowie letztlich aller ÖV-Angebote, optimierte Reiseketten, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit Vorrang vor singulären Prestige-Projekten und spektakulären Hochgeschwindigkeits-Insellösungen haben.

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