Krieg statt Sozialstaat – Die Presse will Pistorius zum Kanzler hochschreiben

Vor der letzten Bundestagswahl 2021 haben die Medien die Grünen regelrecht hochgeschrieben. Die damalige "Kanzlerkandidatin" Annalena Baerbock wurde wie ein Superstar vermarktet und die Grünen wurden als neue Volkspartei dargestellt. Davon kann nach deren Leistung in der letzten Regierung, wo sie neben der FDP für Kriegseskalation und Sozialabbau zuständig waren, keine Rede mehr sein. Nur die von sich selbst besoffenen Grünen glauben, in Robert Habeck trotz oder wegen seiner vollkommen inhaltsleeren Reden auf dem Grünen-Parteitag einen neuen Heilsbringer gefunden zu haben.

Friedrich Merz und sein Adlatus Carsten Linnemann (beide CDU) können mit ihren Hassreden auf Bürgergeldempfänger und Migranten keinem Denkenden mehr deutlich machen, wo der Unterschied ihrer Positionen zu denen von der AFD zu finden ist. Außer bei eingefleischten Parteisoldaten ist ihr Sympathiefaktor sehr begrenzt.

Die Presse hat in diesem Wahlkampf deshalb eine neue Person ausgesucht, die ihrem Anspruch auf "Führung" - das bleibt weiterhin des Deutschen höchstes Glück - gerecht wird und die sich leicht tut, mit unbewiesenen Behauptungen eine "klare Sprache" zu sprechen. Anfangs konnte man meinen, dass nur die NOZ aus reinem Lokalpatriotismus den ehemaligen Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius zum Kanzlerkandidaten hochschreiben wollte. Aber mittlerweile ist die gesamte Presse darauf eingestiegen, so dass sich auch erste SPD-Hinterbänkler trauten, Olaf Scholz zu kritisieren.

Bei den beschädigten Internetkabeln in der Ostsee ist für Pistorius z. B. klar, dass es sich um Sabotage handeln muss und der Schaden nicht durch einen Unfall verursacht sein kann. Alles andere wäre undenkbar. Aber selbst die Tagesschau zitiert einen schwedischen Fachmann, der darauf hinweist, dass solche Schäden meistens genau durch solche Unfälle, z. B. durch Schleppnetze der Fischerboote, ausgelöst werden. Aber Fakten interessieren einen Pistorius nicht sonderlich. Für einen Kriegsminister gehört das ständige Malen von Bedrohungsszenarien zur Arbeitsplatzbeschreibung. Unbewiesene Annahmen sind das tägliche Brot der Nato-Kriegstreiber. Ein Beispiel dafür ist auch die Sichtung von nordkoreanischen Soldaten in Russland. Anfangs konnte die Nato keine entdecken, obwohl Selenskis scharfe Augen schon fündig geworden waren. Dann entdeckten die USA plötzlich, dass nordkoreanische Soldaten vermutlich in russische Uniformen gesteckt wurden. Und jetzt sprechen alle Medien und Kriegspolitiker von einer Tatsache, obwohl die Beweislage sich nicht verändert hat.

Aber reale Gefahren werden einfach negiert. Annalena Baerbock warnte angesichts der neuen russischen Nuklearstrategie nicht vor der erhöhten Gefahr eines Atomkriegs, sondern davor, sich von den Russen Angst machen zu lassen. Ein atomar hochgerüstetes Land, das damit droht, Atomwaffen notfalls taktisch einzusetzen, falls es sich zu stark bedrängt fühlt, einfach nicht ernst zu nehmen, zeugt von einer nicht zu überbietenden Dummheit. Einer Dummheit, der sich die führende Politikerkaste aber angeschlossen hat. Und die Presse, die einerseits Putin alles zutraut und ihm die schlimmsten Taten zuschreibt, macht dabei mit und schreibt, als ob sie glaube, dass Russland sich sehenden Auges vom Westen, der jetzt massenweise Waffensysteme zum direkten Angriff auf Russland liefert, besiegen lassen würde und sein Waffenarsenal nicht nutzen würde, um dieses zu verhindern.

Olaf Scholz scheint bei der Kriegspresse in Ungnade zu fallen, weil er sich noch immer gegen die Lieferung weitreichender Waffensysteme (die von deutschen Soldaten bedient werden müssten) wehrt. Es würde leichter fallen, Olaf Scholz hierfür zu loben, wenn er in der Vergangenheit nicht immer wieder bei wichtigen roten Linien umgekippt wäre.

Da ist es logisch, dass die Presse Pistorius zum Kanzler schreiben möchte, der die Deutschen kriegstüchtig machen möchte, die Jugend des Landes zwangsweise in die Armee eingliedern möchte und den Sozialstaat und die öffentliche Infrastruktur zu Gunsten des Militärs zugrunderichten möchte. [jdm]

Bundesregierung beschließt größte Asylrechtsverschärfungen seit Jahrzehnten – Diskriminierende Bezahlkarte wird jetzt eingeführt

Am Mittwoch war die Bundesregierung noch beschlussfähig, um gemeinsam das Asylrecht auszuhebeln. PRO ASYL kritisiert den am letzten Mittwoch beschlossenen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) scharf. Der Entwurf überschreite die von der Europäischen Union geforderten Mindeststandards erheblich, entrechte Geflüchtete massiv und verhindere faire Asylverfahren.

„Die Bundesregierung hat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verpasst, die Menschenrechte zu achten und rechtsstaatliche Standards zu wahren. Der Entwurf beinhaltet die größten Asylrechtsverschärfungen seit Jahrzehnten, es droht Haft von Familien und Kindern – wie weit soll die Entrechtung von schutzsuchenden Menschen noch gehen?“, kritisiert Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

PRO ASYL fordert: „Die Bundesregierung muss den Gesetzentwurf im Lichte der Menschenrechte überarbeiten, die von der EU gewährten Ermessensspielräume im Sinne des Schutzes von Asylsuchenden nutzen sowie faire und rechtsstaatliche Verfahren unter menschenwürdigen Bedingungen gewährleisten.“

Obwohl die EU-Vorgaben bereits eine deutliche Verschärfung der Asylpraxis vorsehen, gehe der deutsche Gesetzentwurf noch weiter und führe unter dem Deckmantel der GEAS-Umsetzung neue Möglichkeiten der Freiheitsbeschränkung und De-facto-Inhaftierung von Schutzsuchenden ein.

Es drohten geschlossene Zentren, wie es sie bisher in Deutschland noch nicht gibt: Die Flüchtlinge dürfen diese nicht verlassen, teilweise nur, weil sie aus einem bestimmten Herkunftsland kommen. Besonders besorgniserregend sei, dass durch diese Maßnahmen auch Kinder während ihres Asylverfahrens eingesperrt werden könnten.

Schutzsuchende sollten durch Maßnahmen wie die sogenannte Asylverfahrenshaft massiven Freiheitsbeschränkungen unterworfen werden, die mit internationalen Menschenrechtsstandards nicht vereinbar seien. „Diese Haftformen sind unverhältnismäßig und psychisch extrem belastend. Sie erhöhen das Risiko von Suizidversuchen. Ein faires Asylverfahren ist so  kaum möglich, da Betroffene unter diesen Bedingungen oft nicht in der Lage sind, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

Mit dem  Gesetzentwurf sollen zudem die  Konzepte „sicherer Herkunftsstaaten“ und „sicherer Drittstaaten“ massiv ausgeweitet werden, was durch die Vorgaben aus Brüssel nicht zwingend geboten sei.

Das niedersächsische Inneministerium hat derweil mitgeteilt, dass ein Dienstleister für die "Bezahlkarte" gefunden wurde. Inj der Pressemitteilung wrd der Eindruck erweckt, als ob den Asylbewerbern damit ein Gefallen getan werde. Die Asylbewerberleistungen werden jetzt nicht mehr ausgezahlt, sondern über sie kann nur mit der "Bezahlkarte" verfügt werden. Im Monat kann damit maximal 50 € Bargeld abgehoben werden. Der Rest muss in Geschäften ausgegeben werden, die die Bezahlkarte akzeptieren.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hält die Einführung der Bezahlkarte für populistische Symbolpolitik. Damit seiein Diskriminierungsinstrument auf den Weg gebracht, mit dem der Vorrang von Sachleistungen statt Bargeld zementiert werden solle. Überweisungen und Lastschriften werden damit eingeschränkt bzw. ausgeschlossen. Wer sein Geld - besonders, wen es sowieso so wenig ist, nicht selbstbestimmt ausgeben kann, wird damit von der teilhabe am Leben ausgeschlossen. "Der Beschluss, eine Bezahlkarte einzuführen, folgt einer Kampagne, welche in unseren Augen als Hetzkampagne aufgefasst werden könnte. Die Aussage, Geflüchtete würden wegen der besseren Sozialleistungen hierzulande fliehen, widerspricht jeder wissenschaftlichen Erkenntnis." [jdm]

Einkommensungleichheit und Armut haben deutlich zugenommen – Sorgen um Lebensstandard strahlen bis in Mittelschicht aus

Verteilungsbericht WSI 2024

Deutlich mehr als die Hälfte der Menschen in der unteren Einkommenshälfte, aber auch knapp 47 Prozent in der oberen Mittelschicht fürchteten im vergangenen Jahr, ihren Lebensstandard zukünftig nicht mehr halten zu können. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Mit materiellen Einschränkungen und Zukunftssorgen geht vor allem bei ärmeren Menschen eine erhebliche Distanz zu wichtigen staatlichen und politischen Institutionen einher, zeigt die Studie zudem: Weniger als die Hälfte der Armen und der Menschen mit prekären Einkommen findet, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniert. Sie sehen für sich auch nicht die Möglichkeit, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Rund ein Fünftel vertraut dem Rechtssystem allenfalls in geringem Maße.

Wie gleich oder ungleich die Einkommen verteilt sind, lässt sich über ein statistisches Maß ermitteln, das in der Wissenschaft häufig verwendet wird: den so genannten Gini-Koeffizienten. Der „Gini“ reicht theoretisch von null bis eins: Beim Wert null hätten alle Menschen in Deutschland das gleiche Einkommen, bei eins würde das gesamte Einkommen im Land auf eine einzige Person entfallen. Die Auswertung der neuesten verfügbaren Daten im Verteilungsbericht zeigt, dass sich der Anstieg der Ungleichheit ab 2010 weiter fortgesetzt hat – in leichten Wellenbewegungen, aber insgesamt mit eindeutiger Tendenz: 2010 lag der Gini-Wert noch bei 0,282. Bis 2021 kletterte er auf einen neuen Höchststand von 0,310.

Noch deutlicher zugenommen hat die Einkommensarmut, also die Quote der Haushalte deren bedarfsgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland beträgt. Sehr arm (Fachbegriff: „strenge Armut“) sind Personen, die nicht einmal 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Für einen Singlehaushalt entspricht das maximal 1.350 (Armut) bzw. 1.120 Euro (strenge Armut) im Monat.

Schon in den 2010er Jahren stieg die Armutsquote mit gelegentlichen jährlichen Schwankungen im Trend spürbar an, und die Entwicklung hat sich beinahe kontinuierlich fortgesetzt, zeigt der Verteilungsbericht: Im Jahr 2021 lebten 17,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut, 11,3 Prozent sogar in strenger Armut. 2010 lagen die beiden Quoten noch bei 14,2 bzw. 7,8 Prozent. Damit ist der „Anteil der Menschen in strenger Armut – relativ – noch stärker gestiegen als die Armutsquote“, schreiben die Autoren Dr. Dorothee Spannagel und Dr. Jan Brülle.

Die Daten, die die Forschenden analysieren, machen anschaulich, dass Armut auch in einem reichen Land wie der Bundesrepublik nicht selten mit deutlichen alltäglichen Entbehrungen verbunden ist. So konnten es sich bereits 2021, also vor der großen Teuerungswelle, 9,9 Prozent der Menschen in Armut nicht leisten, abgetragene Kleidung durch neue zu ersetzen. 42,8 Prozent der Menschen in Armut und 21,3 Prozent in der „prekären“ Einkommensgruppe haben keinerlei finanzielle Rücklagen. Knapp 17 Prozent der Armen können sich Freizeitaktivitäten wie einen Kinobesuch einmal pro Monat oder den Besuch einer Sportveranstaltung nicht leisten, knapp 14 Prozent fehlt das Geld, um wenigstens einmal im Monat Freunde zum Essen einzuladen. Die geringeren finanziellen Teilhabemöglichkeiten lassen sich auch nicht durch engere persönliche Kontakte ausgleichen, im Gegenteil: Menschen mit sehr niedrigen Einkommen sind häufiger alleinstehend und haben nach eigener Einschätzung seltener enge Freunde.

Beim Blick auf die Zukunft reichen Abstiegsängste bis weit in die Mittelschicht hinein, und sie haben in allen untersuchten Einkommensgruppen stark zugenommen. Das zeigen die Daten aus der Böckler-Lebenslagenbefragung für die Jahre 2020 und 2023. Im vergangenen Jahr äußerten fast 55 Prozent der Menschen in Armut große oder sehr große Sorgen ihren – ohnehin sehr niedrigen – Lebensstandard nicht dauerhaft halten zu können. Ein Anstieg um rund sechs Prozentpunkte gegenüber dem schon hohen Wert von 2020. Unter den Befragten in „prekären“ Einkommensverhältnissen befürchteten 2023 sogar gut 58 Prozent, wirtschaftlich abzurutschen – 14 Prozentpunkte mehr als drei Jahre zuvor. Nur wenig kleiner ist der Anteil mit großen oder sehr großen Abstiegssorgen in der unteren Mitte: Dort betrug er 2023 knapp 52 Prozent, ein Anstieg um rund 15 Prozentpunkte. Und selbst in der oberen Mittelschicht hat sich die Verunsicherung drastisch ausgebreitet: Die Quote der Befragten mit Sorgen um den künftigen Lebensstandard stieg von knapp 32 auf knapp 47 Prozent.

Verunsicherung spiegelt sich auch in der Identifikation mit der Demokratie und mit staatlichen Institutionen wider, und das besonders bei Personen mit niedrigen Einkommen, zeigen die Ergebnisse der Lebenslagenbefragung von 2023. Zwar ist in allen untersuchten Einkommensgruppen rund die Hälfte oder mehr der Befragten der Ansicht, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniere. Aber auch hier gibt es deutliche Abstufungen zwischen den Gruppen: Lediglich knapp 50 Prozent der Armen und der Menschen mit prekären Einkommen sind mit der Demokratie im Wesentlichen zufrieden. In der unteren Mitte sind es 52 Prozent, in der oberen Mitte fast 60 Prozent. Damit korrespondiert auch die Einschätzung, ob man selbst auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen kann: Hier steigt die Zustimmung von etwas über 44 Prozent bei den Armen auf knapp 52 Prozent in der oberen Mitte. 

Eine noch größere Entfremdung vom politischen Geschehen drückt sich in der Zuschreibung aus, „die regierenden Parteien betrügen das Volk“. Die Zustimmung dazu variiert ebenfalls deutlich entlang der Einkommensgruppen: Unter den Menschen in Armut und mit prekären Einkommen halten über ein Drittel diese Aussage für zutreffend, während es bei der oberen Mitte etwas mehr als ein Viertel ist. Ein deutlicher Zusammenhang zur wirtschaftlichen Situation zeigt sich auch beim Misstrauen gegenüber der Polizei oder Gerichten, das zwischen knapp 21 Prozent unter Menschen in Armut und elf bis zwölf Prozent unter Angehörigen der oberen Mittelschicht variiert. Ähnlich ist das Muster bei der Wahlbeteiligung: Unter den Armen erklären knapp 20 Prozent, bei der nächsten Bundestagswahl nicht wählen gehen zu wollen. Mit steigendem Einkommen sinkt der Anteil der potenziellen Nichtwähler*innen – bis auf knapp elf Prozent in der oberen Einkommensmitte.

Die Befunde seien als beunruhigend, zumal der problematische Trend nun schon über viele Jahre anhalte: Wenn mangelnde materielle Teilhabe und um sich greifende Verunsicherung dazu führten, dass in den Augen vieler Menschen auch ihre politische Teilhabe brüchig werde, „hat das negative Folgen für unser demokratisches System“, warnen sie. Eine verantwortungsvolle Politik müsse auf jeden Fall darauf verzichten, verschiedene Gruppen in der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen. Als warnendes Beispiel nennen sie die Debatte um das Bürgergeld in den vergangenen Monaten, in der die Leistungsempfänger als faul und arbeitsunwillig stigmatisiert wurden. Statt die ohnehin zu knappen Leistungen für Bürgergeldempfänger*innen weiter zu kürzen, um den Abstand zwischen Sozialleistungen und Erwerbseinkommen zu erhöhen, sei es „viel sinnvoller, Niedriglöhne wirksam zu bekämpfen und Tarifbindung zu stärken – Maßnahmen, die auch Menschen außerhalb des Grundsicherungsbezugs zugutekommen.“

Gesellschaftliche Teilhabe auch für die (untere) Mitte der Gesellschaft könne besonders durch Sozialversicherungssysteme gestärkt werden, „die eine angemessene Balance zwischen solidarischem Ausgleich und Sicherung des individuellen Lebensstandards finden“, schreiben die Fachleute. Hier gehe es etwa um ein stabiles Rentenniveau in Kombination mit einer auskömmlichen Grundrente. [PM WSI]

„Begegnungen – 1935 im KZ Esterwegen“ – Vortrag in der VHS Papenburg

In Kooperation mit dem Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager veranstaltet die Volkshochschule Papenburg am Donnerstag, den 7.11.2024 von 19.30 Uhr bis 21.45 Uhr einen Vortrag von Kurt Buck. Das Thema des Vortrags lautet "Begegnungen - 1935 im KZ Esterwegen".

Werner Finck leitete das Berliner Kabarett "Die Katakombe", Carl von Ossietzky die Wochenzeitschrift "Die Weltbühne", Ernst Heilmann saß für die SPD im Preußischen Landtag und im Reichstag, Adolf Bender lebte als Künstler in Mainz. 1935 begegneten sie sich - unfreiwillig - als „Schutzhäftlinge“ im Konzentrationslager Esterwegen. Ihre Geschichten als Insassen dieses Lagers werden anhand von Erinnerungsberichten, Zeichnungen und Dokumenten vorgestellt.

Ort: Volkshochschule Papenburg, Hauptkanal rechts 72, 26871 Papenburg, Raum V 1.06, Saal (barrierefrei). Um Anmeldung wird gebeten. Den Betrag von 10 EURO zahlen Sie bitte an der Eintrittskasse, die um 19 Uhr öffnet. [Newsletter DIZ]

Wie die Taz denunziert

NOZ-Chefredakteur Burkhard Ewert hat in einem NOZ-Artikel in der Printausgabe am 24. Oktober über eine von der NOZ in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage, die erfragen sollte, wie die Menschen heute auf die Corona-Pandemie blicken, geschrieben. Bei dieser Umfrage hat die NOZ mit dem Online-Magazin „Multipolar“ kooperiert, das die Veröffentlichung der RKI-Files erklagt hatte und zweifellos über Expertise zum Thema verfügt.

Die Umfrageergebnisse sind interessant, aber zeigen keine umwälzenden Erkenntnisse. Man könnte über die Interpretation der Ergebnisse diskutieren.

Aber genau das können die Kräfte, die die jetzige Regierung tragen, überhaupt nicht ertragen. Jeder der die Sinnhaftigkeit der Coronamaßnahmen anzweifelt, wird von den Grünen und SPD/CDU-Vertretern sofort weggebissen. Die Methode dazu ist nicht die  Diskussion über verschiedene Ansichten zu dem Thema, sondern die Denunziation.

Der Taz-Journalist Harff-Peter Schönherr, der auch Redakteur des eingegangenen Stadtblatt Osnabrück war, nimmt in einem Taz-Artikel vom 25.10.2024 in Ermangelung von Argumenten Ewert mit einer Art Kontaktschuld in Haft. Dazu wird einfach das Online-Magazin „Multipolar“ als verschwörungstheoretisches Magazin abqualifiziert. Schriftsteller, Schauspieler, Sänger und Musiker, Wissenschaftlerinnen wie Ulrike Guérot, haben am eigenen Leib erlebt, wie mit dieser Zuschreibung als Querdenker und Verschwörungstheoretiker ihr berufliches Wirken und Karrieren zerstört wurden. Dass solche Zuschreibungen bei Betroffenen Angst auslösen, beweist auch die Reaktion von Forsa-Geschäftsführer Thorsten Thierhoff, der sich auf Nachfrage durch die Taz eilfertig von „Multipolar“ distanzierte.

Mit dieser Zuschreibung, die seit dem Beginn des Ukraine-Krieges um den Begriff des Putinverstehers ergänzt wurde, entziehen sich die Regierungsvertreter und ihre Presse, vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender, jeder Diskussion. Von der grün-sozialdemokratischen-CDU- Linie abweichende Positionen und Berichte werden durch Ausschluss erledigt und nicht gesendet.

Die Taz kritisiert – nein, klagt an – dass NOZ-Chefredakteur Ewert dem russischen Botschafter Sergej Netschajew mehrfach Gelegenheit gegeben habe, russische Standpunkte zur Ukraine und zur deutschen Außenpolitik darzulegen. Zuhören und andere Standpunkte verstehen, um daraus eigene Schlüsse – welche auch immer -  zu ziehen, gilt in der heutigen Medienlandschaft als verwerflich. Früher nannte man das einfach einen demokratischen Diskurs.

Ewerts politische Positionen kann man ohne ihm zu nahe zu treten als neoliberal und im Zweifel konservativ bezeichnen. Aber dennoch hat er sich in der Vergangenheit vorsichtig kritisch zum Kriegseskalationskurs der Nato und zu den Coronamaßnahmen geäußert. Auch zu Fragen des Schutzes bürgerlicher Freiheiten hat er dezidierte Meinungen geäußert.

Für die Taz-Denunzianten ist dies nicht hinnehmbar und Ewert gehört bestraft. Die Grünen haben zur Denunziation sogar ein eigenes Institut gegründet, das Zentrum für Liberale Moderne, das – von den Grünen Ralf Fücks und Marieluise Beck gegründet - vollständig und großzügig von der Bundesregierung alimentiert wird.

Perfide auch, wie angebliche Stimmen aus der NOZ-Redaktion zitiert werden - natürlich ohne Belege und Namen: „In der NOZ sorgt all das für Unmut. Mitarbeitende, mit denen die taz gesprochen hat, und die anonym bleiben wollen, sagen Dinge wie: ‚Wir machen Verschwörungstheoretiker salonfähig und setzen unseren eigenen Ruf aufs Spiel.’ Oder: ‚Das hat mit Meinungspluralität nichts mehr zu tun. Das ist gefährlich.’

Angesichts solcher hetzerischer Leistungen der angeblich linken Zeitung Taz löst die Aussicht darauf, dass die Taz die Einstellung ihrer Printausgabe und die Umstellung auf die reine Online-Ausgabe nicht überleben wird, kein Beileid aus.

Die NOZ hat übrigens am 26.10.2024 einen Artikel ihres sehr konservativen Partners Neue Züricher Zeitung übernommen, in dem Thomas Gottschalk vor Bashing in Schutz genommen wird, weil sein Fall zeige "wie unverfroren viele Medien versuchen, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen." [jdm]

Elektronische Patientenakte? – Widerspruchs-Generator hilft

Digitale Patientenakte, (Bild von Gemini, CC0, via Wikimedia Commons)
(Bild von Gemini, CC0, via Wikimedia Commons)

Ab Januar 2025 erhalten alle gesetzlichen Krankenversicherten, die nicht widersprechen, automatisch eine zentrale elektronische Patientenakte (ePA). Ärzte und anderes medizinisches Personal sind gesetzlich verpflichtet, die ePA mit den Behandlungsdaten ihrer Patienten zu füllen. Derzeit verschicken die Krankenkassen Informationen, in denen sie die ePA als wichtiges Instrument zur Verbesserung der medizinischen Versorgung bewerben. Die ePA hat jedoch gravierende Schwächen, die nicht nur aus Datenschutzsicht einen Widerspruch notwendig machen, um die äußerst sensiblen personenbezogenen und medizinischen Daten zu schützen.

Hierfür stellt das Bündnis „Widerspruch gegen die elektronische Patientenakte (ePA)“ einen Widerspruchs-Generator auf der Webseite https://widerspruch-epa.de/ zur Verfügung. Das Bündnis besteht überwiegend aus Organisationen von Datenschützern, Patienten, Ärzten und Psychotherapeuten.

„Die übermäßig positive Darstellung durch Krankenkassen und Politik können wir so nicht stehen lassen“ sagt Dr. Simone Connearn vom Bündnis Widerspruch ePA. „Auf unserer Website bieten wir daher neben dem Widerspruchs-Generator auch kritische Aufklärung über die ePA, damit jeder Versicherte eine fundierte Entscheidung über seine medizinischen Daten treffen kann.“

„Die zentrale elektronische Patientenakte kommt mit großen Ankündigungen“, so Dr. Silke Lüder, Ärztin für Allgemeinmedizin. „Rettung im Notfall, bessere Medizin für alle, mehr Zeit für die Behandlung, keine Arzneimittelnebenwirkungen oder Doppeluntersuchungen mehr, das alles hören wir seit 20 Jahren, und nichts hat sich bisher erfüllt. Mit der neuen ePA droht Zeitverlust durch doppelte Datenhaltung, die Schweigepflicht wird faktisch abgeschafft. Auch ist die ePA keineswegs barrierefrei, große Teile der Bevölkerung werden ausgegrenzt: Menschen mit Einschränkungen oder ohne modernes Handy, wenig technikaffine und ältere Menschen werden ihre Daten keineswegs selbst managen können“ kritisiert Lüder.

Der Widerspruchs-Generator unterstützt die Versicherten bei den beiden gesetzlich vorgesehenen Widerspruchsmöglichkeiten vor der Einführung der ePA:
• gegen die ePA insgesamt oder
• nur gegen die automatisierte Befüllung der ePA mit den Abrechnungsdaten der Krankenkassen.
Unabhängig von der ePA bietet der Generator eine weitere Widerspruchsmöglichkeit: Krankenkassen dürfen künftig die Abrechnungsdaten der Versicherten für personalisierte Empfehlungen auswerten. Auch hiergegen kann man mithilfe des Generators widersprechen.

Ärzte und Psychotherapeuten speichern weiterhin die notwendigen Informationen in ihren praxisinternen Akten. Die ärztliche Schweigepflicht bleibt so auf jeden Fall gewahrt. Die Patienten haben jederzeit Anspruch auf die Herausgabe ihrer Akte, hierfür ist keine zentralisierte Speicherung in der ePA notwendig. [Pressenza, Bild von Gemini, CC0, via Wikimedia Commons]

Lagerfriedhof Groß Fullen – Grabstätte für 1500 ermordete Kriegsgefangene

Emslandlagerfriedhof  X Fullen

Das Lager X Fullen als Teil der Emslandlager der Nazizeit wurde 1938 von der Justiz als Strafgefangenenlager für 1.000 Gefangene eingerichtet. Hier bestand schon vorher ein vom Reichsarbeitsdienst (RAD) errichtetes Lager.

Die Häftlinge dieses Lagers sollten die Kultivierung der linksemsischen Moorgebiete leisten. Die Kultivierungsarbeiten waren angesichts der fürchterlichen Lebensbedingungen der Gefangenen kläglich. Im September 1938 war das Lager bereits mit 1200 Strafgefangenen belegt. Im September 1939 wurde das Lager vom Oberkommando der Wehrmacht übernommen und als Zweiglager des Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (Stalag) VI B Versen eingerichtet.

Emslandlagerfriedhof  X Fullen

1940 waren in Fullen französische Kriegsgefangene untergebracht. Im Juni 1940 kamen ca. 400 Polen in das Lager Fullen. Am 1. September 1941 waren im Lager Fullen 1.700 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht. Von September 1943 bis 1945 waren hier italienische Militärinternierte untergebracht. Am 20. September ordnete Hitler an, die Kriegsgefangenen zukünftig als „italienische Militärinternierte“ zu bezeichnen. Damit unterlagen sie nicht mehr dem Schutz der für Kriegsgefangene geltenden internationalen Abkommen und des Internationalen Roten Kreuzes.

Emslandlagerfriedhof  X Fullen

In den Kriegsgefangenenlagern mussten Italiener bei schlechtester Ernährung und unzureichender medizinischer Versorgung unter ungewohnten klimatischen Verhältnissen schwerste Arbeiten in landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben verrichten. Hier wurden sie deutlich schlechter behandelt und verpflegt als die Angehörigen der anderen Nationen, mit Ausnahme der sowjetischen Kriegsgefangenen. Zwischen September 1943 und März 1945 verstarben 872 Italiener in den emsländischen Lagern, davon etwa 404 im Jahr 1944. Im Lager Fullen befand sich das sogenannte „Hospital“ für die Italiener. Seine 1946 im italienischen Bergamo erschienenen Erinnerungen betitelte P. E. Ettore Accorsi bezeichnenderweise mit „Fullen – Il Campo Della Morte“ (Fullen - das Feld des Todes).

Nach der Befreiung wurde das Lager für internierte Nazis, später als Teil der emsländischen Strafanstalten benutzt. 1951 erfolgte die Schließung der Strafanstalt Fullen und die Nutzung der Baracken als Flüchtlingsunterkunft. Die Gebäude des ehemaligen Stalag sind Anfang der 1950er Jahre allesamt abgerissen worden. Die Fläche ging in landwirtschaftliche Nutzung über. Lediglich das Wasserwerk blieb längere Zeit in Betrieb. Es wurde jedoch später durch eine modernere Anlage auf der gegenüberliegenden Straßenseite ersetzt. Heute erinnert nur noch eine Informationstafel an die frühere Bedeutung dieses Ortes. Auf dem Feld des ehemaligen Lagers sind keine Spuren mehr zu finden.

Für den Friedhof Groß Fullen existieren Gräberlisten, die ausweisen, dass auf diesem Friedhof 136 namentlich bekannte und ca. 1.500 unbekannte sowjetische Kriegsgefangene sowie ein unbekannter Albaner ruhen; zudem waren hier 751 italienische Militärinternierte bestattet, die im Laufe der 1950er Jahre exhumiert wurden. 77 von ihnen wurden nach Italien gebracht, die anderen auf den Cimitero militare italiano d’onore in Hamburg-Öjendorf umgebettet, der als zentraler Ehrenfriedhof für 5.839 italienische NS-Opfer in Norddeutschland angelegt wurde.

Auf einem besonderen Teil des Friedhofs sind 145 polnische Männer, Frauen und Kinder bestattet, die vom Juli 1945 bis Januar 1948 in der polnischen Enklave Maczków (Haren/Ems) gestorben waren. So wie durch die Einebnung des Lagers Fullen die Erinnerung an das Lager ausgelöscht werden sollte, so sollte die Umbettung der polnischen Toten von Haren auf diesen abgelegenen Friedhof die Erinnerung an die polnische Besetzung Harens löschen.

Auch die Form der Erinnerung an die ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen auf dem Friedhof wurde durch die staatliche Behandlung des Friedhofs deutlich. Zunächst erstellten sowjetische Behörden Denkmäler für die Sowjetsoldaten, die auch Symbole der Sowjetunion enthielten. Die englischen Besatzer sorgten für die Pflege der Anlage. Nachdem die Verantwortung auf die deutschen Behörden und den Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge übergegangen war, gab es zunächst eine Umgestaltung für die man den Ex-Nazi Langerhans als Landschaftsarchitekten beauftragte. Die sowjetischen Symbole wurden entfernt und stattdessen das russisch-orthodoxe Zweibalkenkreuz auf den Steinen verwendet. Mit dieser religiösen Symbolik sollte die Erinnerung an den Weltkrieg jede politische Dimension verlieren. Während des Kalten Kriegs verlotterte der Friedhof und entwickelt sich langsam zu einem Wald. Erst mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion wurde der Friedhof wieder gepflegt.

Im Rahmen des Projekts „Namensziegel“ des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge haben Schüler*innen der Anne-Frank-Schule in Meppen seit 2013 mehr als 160 Namen von sowjetischen Kriegsgefangenen recherchiert und sie in Tonziegel gebrannt. Diese wurden auf der Kriegsgräberstätte in Metallgestellen aufgestellt, die von Schüler*innen der Berufsbildenden Schulen Meppen dafür gebaut wurden. [jdm]

Der Wertewesten: Verträge müssen gebrochen werden

Im Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12.09.1990 steht in Artikel 5 Absatz 3 eindeutig, dass im ehemaligen Gebiet der DDR keine ausländischen Truppen stationiert werden dürfen.

Trotzdem soll in diesem Oktober in Rostock ein neues NATO-Hauptquartier eröffnet werden. "Vom Marinekommando in Rostock aus sollen künftig alle Nato-Manöver und -Einsätze auf der Ostsee gesteuert werden – Kriegsschiffe, Hubschrauber, Kampfflugzeuge. Dafür werden Soldaten aus allen Anrainer-Staaten an die Warnow versetzt.“

Hier wird wieder deutlich, warum der politische Westen immer von "wertegeleiteter Politik" spricht. Das ist nur eine Umschreibung der Tatsache, dass sich der Westen um Verträge, die UN-Charta, die Abrüstungsverträge der 1980er Jahre oder das allgemeine Völkerrecht nicht schert, sondern nur seine eigenen Maßstäbe anlegt und diese mit militärischer brutaler Gewalt durchsetzt.

Ex-Bundeskanzlerin Merkel hatte im Dezember 2022 in einem Interview schon deutlich gemacht, dass das Minsker Abkommen von 2014 nur ein Versuch war, "der Ukraine Zeit zu geben“ für die Aufrüstung und gar nicht dazu gedacht war, tatsächlich den Frieden in der Ukraine zu sichern. Für den politischen Westen gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind (Pacta sunt servanda) offensichtlich nicht. [jdm]

In Ukraine flüchten Jugendliche vor Wehrerfassung – CDU will in Deutschland die ganze Jugend für das Militär erfassen

Selenski geht derzeit mit seinem „Siegesplan“ hausieren. Der sieht den schnellstmöglichen Eintritt der Ukraine in die NATO und einen Landkrieg der NATO gegen Russland vor. Als Gegenleistung für weitere Hilfe bietet er den NATO-Ländern an, die Rohstoffe seines Landes auszuplündern. Dabei verkennt er, dass das Land den USA wegen der Kredite sowieso schon fast ganz gehört.

Derweil fehlen dem ukrainischen Militär Soldaten. Jeder der Geld hat, entzieht sich dem Militärdienst durch Schutzgelder an die Rekrutierungsbeamten. Die sind derzeit dazu übergegangen, Soldaten durch Razzien in Kinos, Restaurants und anderen Freizeiteinrichtungen einzusammeln.

Der ukrainische Bildungsminister Oksen Lisowoj teilte bei einer parlamentarischen Anhörung mit, dass etwa 300.000 männliche Schüler der Abschlussklassen nicht zum seit September laufenden neuen Schuljahr erschienen sind. Vermutlich seien sie ins Ausland gegangen, solange sie das von ihrem Alter her noch könnten. In der Ukraine werden die Männer mit 17 Jahren für den Wehrdienst erfasst und dürfen danach nur noch mit Genehmigung das Land verlassen. Die 300.000 jungen Ukrainer sind also nicht bereit, sich in dem sinnlosen Krieg töten zu lassen.

Derweil stellt der CDU-Vorsitzende Merz den Plan der CDU vor, in Deutschland die ganze Jugend für einen zukünftigen Krieg zu erfassen. Bei Caren Miosga sagte er: “Wir gehen ja in der CDU sogar noch einen Schritt weiter und sprechen von einer allgemeinen Dienstpflicht (…). Wir sprechen über 700.000 junge Leute pro Jahr, die wir erfassen müssen und die wir auch entsprechend (…) mustern müssen (…) zunächst einmal mit einem Schreiben an alle, die 18 Jahre alt werden eine solche Aufforderung richtet: meldet euch, füllt einen Personalbogen aus – auch übrigens an Frauen. Dazu müssten wir das Grundgesetz ändern, auch für die Wehrpflicht”.

Typisch ist, dass Merz in einer Grundgesetzänderung offensichtlich kein Problem sieht. Gesetze - auch das Grundgesetz - werden in Deutschland schon lange so hingebogen, wie es die Konzerne oder das Militär wünschen: völkerrechtwidriger Angriffskrieg gegen Jugoslawien, keine Vermögenssteuer, Grundrechtseinschränkungen während Corona-Epidemie, Zensurmaßnahmen gegen missliebige Auslandspresse oder Hochschulpersonal und ganz aktuell ein passendes Medizinforschungsgesetz (MFG) weil ein Pharmakonzern das wegen der besseren Durchsetzbarkeit von Höchstpreisen so wünscht.

Dass hier Merz und seine Partei die ganze Jugend des Landes für einen zukünftigen Krieg verplanen, ist angesichts des Schweigens der Medien darüber bisher wohl noch nicht bei der Jugend angekommen. Vielleicht können ihnen die Jugendlichen aus der Ukraine, die vor ihrer heimischen Tötungsmaschinerie flüchten, mal erzählen, dass die Wehrerfassung den Anfang des Getötetwerdens darstellt. [jdm]

Rede für das Angehörigen-Treffen auf dem Lagerfriedhof Esterwegen am 29. September 2024

Am letzten Septemberwochenende reisten mehr als 40 Angehörige von Häftlingen der Emslandlager aus Deutschland, Belgien, Österreich und England nach Papenburg an. Im Rahmen des sich ausschließlich an Nachkommen gerichteten Treffens fanden Gesprächsrunden, Arbeitsgruppen und Besuche ehemaliger Lagerorte und Friedhöfe statt.

Margot Nohr, Foto: Daniel Chatard
Margot Nohr bei ihrer Rede am 12.09.2024. Foto: Daniel Chatardt

Auf dem Lagerfriedhof Esterwegen hielt Margot Nohr am 29. September 2024 folgende Rede:

"Lieber Habbo Knoch, liebe Angehörige der Häftlinge aus den Emslandlagern, liebe Freunde des DIZ. Ich stehe hier, Tochter von Adolf Härtl, der in Esterwegen inhaftiert war. Ich stehe hier, weil ich hier die Verbindung spüre, ein Band zwischen den ehemaligen Häftlingen, denjenigen, die hier zu Tode gebracht wurden und unseren Angehörigen, die ihr Grab zu Hause haben.

Wir sind nicht nur Zweitzeugen, wir sind geprägt durch die Erfahrungen, die unsere Angehörigen hier in den Emslandlagern gemacht haben, ob unsere Väter, Großväter, unsere Angehörigen davon berichtet haben oder nicht. Auch Schweigen prägt Kinder und Jugendliche, auch die Reaktionen der Nachbarn. Ich habe es so erlebt als Kind und als Jugendliche. Ich wusste schon früh, dass mein Vater in Esterwegen inhaftiert war, dass es ein Gefängnis war. Was ich aber nicht begriffen habe: Mein Vater war doch kein Verbrecher. Er war doch ein guter Mensch, der als Betriebsratsvorsitzender von Prosper II in Bottrop vielen Bergarbeitern geholfen hat, der am 1. Mai die Arbeiterdemonstration angeführt hat.

Ich erinnere mich aber auch, dass Nachbarn gesagt haben: Ohne einen Grund ist niemand verhaftet worden. Ich habe das wie ein Stigma erlebt: Mein Vater war im Gefängnis. Dass er schon am 1.3. 1933 verhaftet wurde, dass es Schwarze Listen gab, dass zuerst Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschaftsführer, linke Journalisten und Schriftsteller verhaftet wurden, das habe ich erst sehr viel später begriffen.

Zuhause bei uns wurde nur wenig über die Haftzeit meines Vaters gesprochen. Nur wenn Freunde meines Vaters kamen, dann waren Gespräche über die gemeinsamen Erfahrungen in der NS-Zeit üblich. Aber dann wurde ich zum Spielen rausgeschickt. Geblieben war in meiner Kinder- und Jugendzeit die Scham. Da gibt es etwas, was vor anderen nicht angesprochen wird. Und die Sprachlosigkeit hat auch mich geprägt.

In der Schule und in den Medien habe ich von den Geschwistern Scholl und von Claus Schenk von Stauffenberg gehört, von adeligen Widerstandkämpfern. Diese adeligen Personen und diese jungen Studenten wurden geehrt für ihren Mut und ihre Widerstandskraft. Aber es gab keine ehrenvolle Erinnerung für die Bergleute, die hier in den Emslandlagern und den anderen KZ-Lagern inhaftiert waren.

Das änderte sich erst, als ich Ende der 1980er Jahre die Arbeit des DIZ kennen lernte, Kurt Buck und Marianne, Fietje Ausländer, Sabine Mithöfer, Hanne Weißmann und andere Unterstützer und Freunde des DIZ. Hier habe ich als junge Lehrerin das Team um Kurt Buck erlebt, das sich mit hohem Engagement allen sozialen Gruppen in den Emslandlagern zuwandte. Hier erlebte ich Menschen, die mir mit viel Empathie begegneten.

Die Scham wurde weniger und verschwand, je mehr ich mich mit der Geschichte meines Vaters und der NS-Zeit beschäftigt habe. Aber es gab keinen Ort, der das Schicksal der Bergarbeiter ehrenvoll darstellt. Und so war es ein mich tief bewegendes Ereignis, als ich bei der Eröffnung der Gedenkstätte Esterwegen erlebte, dass auch die Arbeiter-Häftlinge dort einen ehrenvollen Erinnerungsort und einen Platz in der Ausstellung gefunden haben.

Dass dies möglich war, danke ich von Herzen dem Vorstand des DIZ und dem zuverlässigen Team um Kurt Buck. Umso mehr hat es mich entsetzt und auch verletzt zu erleben, dass das DIZ aus der Gedenkstätte Esterwegen herausgedrängt wurde. Für mich ist es heute eine große Freude zu erleben, dass das DIZ lebt. Die junge Generation im DIZ hat die Arbeit übernommen, mit vielen neuen Ideen zur Vermittlung der historischen Kenntnisse über die Emslandlager und die Bedeutung der Geschichte für die gesellschaftlichen und politischen Prozesse heute. Über die Emslandlager wird es kein Schweigen geben. Die junge Generation im DIZ, Joscha Hollmann, Corinna Bittner, Tessa Hesener und Jan Gattermann, sie werden den gesellschaftlichen Diskurs immer wieder anregen, prägen, unüberhörbar und sichtbar.

Ohne Erinnerung können wir uns in der Gegenwart nicht zurecht finden. Erinnerung, umgesetzt in Geschichte, ist unentbehrlich zur Bewältigung von Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben. Das sind wir unseren Angehörigen schuldig und auch den Menschen, die hier zu Tode gebracht wurden. Ich verneige mich vor den Menschen, die hier begraben liegen. Ihr Schicksal und das der vielen anderen Häftlinge soll nicht vergessen werden. Das junge DIZ hat jetzt diese Aufgabe übernommen. Und wir werden sie dabei nicht allein lassen. Danke für Euer Engagement. Wir stehen hier und spüren: Da gibt es einen Auftrag für uns: Nicht zu schweigen." [Newsletter DIZ]

Was macht eigentlich der Scheuer?

Der Andreas Scheuer, Ex-Verkehrsminister, dessen Wirken vor allem mit der in den Sand gesetzten Pkw-Maut, die den Bund 243 Millionen Euro kostete, verbunden wird, ist jetzt in der Passauer Kommunalpolitik aktiv. Und wegen seiner Kompetenz beim Geldversenken sollte er Vorsitzender des Passauer Rechnungsprüfungsausschusses und des Stiftungsausschusses werden.

Das fanden viele Menschen je nach Temperament witzig oder geschmacklos. Der Passauer grüne Stadtrat Synek zitierte Franz-Josef Strauß mit den Worten, man müsse aufpassen, dass man den Hund nicht zum Bewacher der Wurstküche mache. Andreas Scheuer hat offensichtlich gelernt und - anders als früher - gemerkt, dass sein Einsatz nicht wilkommen ist: Die Posten hat er doch nicht angenommen. [jdm]

Friedensbewegung wird breiter – Auch viele junge Menschen auf der Demo

Die Organisatoren der großen Friedensdemo am 3. Oktober in Berlin zählten am Schluss etwa 40.000 Teilnehmer. Nicht nur der Regen stellte die Teilnehmer der Kundgebung auf die Probe, sondern auch die fehleranfällige Lautsprecheranlage, die es schwer machte, die Reden zu verstehen.

Friedensdemo 3. Oktober 2024, Ralf Stegner

Ralf Stegner, SPD-MdB, und das Publikum hatten aber noch ganz andere Probleme. sich zu verstehen. Stegner eröffnete seine Rede mit der Feststellung, dass die einzigen, die vom Krieg profitieren diejenigen sind, die Waffen verkaufen. Seine Einschätzung, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine zu deren Selbstverteidigung erlaubt seien, und seine ausführliche Schilderung der Kriegsfolgen für die ukrainische Bevölkerung, stießen auf Unverständnis. Bei aller Unterstützung für die Ukraine müsse man dafür sorgen, dass dieser Krieg aufhöre. Das Blutvergießen zu beenden sei eine Frage der Humanität. Auch im Nahen Osten müsse der Krieg beendet werden. Frieden gebe es aber nur durch Diplomatie. Das Geld, das für Waffen ausgegeben werde, werde dringend zur Lösung der vielen Probleme gebraucht. Diese Aussagen trafen auf Zustimmung, aber seine Aussage, dass die SPD ein Teil der Friedensbewegung sei, wollte ihm das Publikum dann doch nicht abnehmen.

Peter gauweiler auf der Friedensdemo 3. Oktober 2024

Peter Gauweiler stellte in den Vordergrund seiner selbstbewussten und gutgelaunt vorgetragenen Rede das gebrochene Gründungsversprechen der Bundeswehr, dass sie nur zur Landesverteidigung eingesetzt werden dürfe. Für diese Auffassung rief er Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl als Zeugen an. Dieses Versprechen sei am 24. März 1999 mit der Nato-Bombardierung der serbischen Städte, die zu 500 getöteten Zivilisten geführt hätten, gebrochen worden. Und danach hätten die Kriege für "unsere Werte" begonnen, die über 1.000.000 Tote gebracht hätten. Das Gerede von unserer Moral und die vielen Verurteilungen Russlands würden den Konflikt nicht beenden. "Niemand hat die Deutschen zu Richtern über die Völker gesetzt!" Er begrüßte ausdrücklich, dass durch die Wahlerfolge des BSW die Bundesländer in die Auseinandersetzung über die Beendigung des Krieges einbezogen würden. "Die Länder sind gefragt, ob sie im atomaren Feuer verbrennen wollen oder nicht."

Sahra Wagenknecht auf der Friedensdemo 3. Oktober 2024

Sahra Wagenknecht formulierte klar die Forderungen der Friedensbewegung. Es müsse ein Ende der Waffenlieferungen geben und Deutschland müsse endlich diplomatische Anstregungen zur Beendigung des Krieges unternehmen. Sie lehnte die Stationierung von Atomraketen in Deutschland ab, weil sich Deutschland damit zur Zielscheibe eines Gegenangriffes Russlands machen werde. Die Natostaaten repräsentierten nur ein Zehntel der Weltbevölkerung, seien aber für 60 % der weltweiten Ausgaben für Rüstung verantwortlich. Das sei 12 mal so viel, wie Russland ausgebe. Es sei eine Beleidigung der Intelligenz, wenn erzählt werde, man müsse noch weiter aufrüsten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Wir brauchten das Geld für ganz andere Dinge des Lebens und nicht für den Tod und für Waffen. Auch im Krieg im Nahen Osten müsse endlich diplomatisch ein Ende des Krieges gesucht werden. Diejenigen, die von hoher moralischer Warte verbieten wollten, mit Putin zu reden, seien gleichzeitig diejenigen, die zu den 30.000 Toten in Gaza schwiegen.

Wagenknecht begrüßte es, dass sich mit den Reden des konservativen Peter Gauweiler und des Sozialdemokraten Ralf Stegner die politische Breite zeige. Auch viele konservative Menschen sähen ganz klar, in welchen Irrsinn uns diese Kriegspolitik führe. Die SPD von Scholz und Pistorius sei kein Teil der Friedensbewegung, aber es sei gut, dass es in der SPD auch Menschen gebe, die sich gegen die Eskalation des Krieges stemmten. [jdm/Fotos Maria Deters/Screenshots Welt/Weichreite TV]

Neoliberalismus ist Entwertung und Krieg

Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz als Staatsziel verankert: Nach Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes ist der deutsche Staat ein demokratischer und sozialer Bundes- und Rechtsstaat. Das bedeutet, dass sich der Gesetzgeber in der Bundesrepublik auch um soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherheit der Bürger kümmern muss.

Gar nicht gut finden das die Neoliberalen, die den Staat auf eine Institution zum Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln reduzieren wollen. Bekannte neoliberale Politiker sind Margret Thatcher oder Tony Blair, die den Sozialstaat in Großbritannien demontierten, oder Augusto Pinochet, der mit einer Militärdiktatur Chile seine neoliberale Ordnung aufdrückte. Derzeit ist Javier Milei in Argentinien dabei, sein Land an die US-Konzerne auszuliefern und jede soziale Sicherung im Land zu zerstören. Das sind die Extreme.

In Deutschland wird immer noch so getan, als ob der Sozialstaat nicht angekratzt würde, obwohl Gerhard Schröder 2002 schon die neoliberale Wende forcierte. Aber es wird nicht mit offenen Karten gespielt. Die Bahn wurde gezielt mit Streckenstilllegungen und Strukturveränderungen auf wenige profitable Teile reduziert, damit sie für die privatwirtschaftliche Übernahme sturmreif geschossen wird. Dieser Prozess wurde durch die Finanzkrise 2007 unterbrochen, aber derzeit mit der Trennung der Bahninfrastruktur, dem Verkauf von Schenker und dem geplanten Niedergang der DB Cargo wieder verstärkt. Mit dem neuen Postgesetz ist der Staat der Verantwortung für die Postinfrastruktur wieder ein Stück enthoben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach verkauft die massenweise Schließung von Kliniken als Qualitätsverbesserung durch Zentralisation. Dabei geht es ihm nur darum, den privaten Krankenhauskonzernen Platz für ihre Ausbreitung durch Untergang der Konkurrenz durch öffentliche Kliniken zu schaffen.

Dass diese Camouflage funktioniert, zeigt sich daran, dass nicht einmal die Gewerkschaft Ver.di sich traut, die von Lauterbach vor sich hergetragene Absicht zu hinterfragen. Louisa Riepe von der NOZ-Chefredaktion musste sich in ihrer Kolumne angesichts der Krankenhausmisere in Osnabrück/Emsland mit dem Thema beschäftigen. Geschenkt, dass sie die offizielle Begründung (Qualitätsverbesserung) einfach schluckt: Zentralisation verbessert angeblich immer die Qualität, aber jeder macht privat ganz andere Erfahrungen.

Und dann kommt das Argument: “Und auch von dem Argument, Gesundheitsversorgung dürfe nicht an wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden, halte ich wenig. Anhand der Spieltheorie lässt sich leicht herleiten, dass Einzelne versucht sein könnten, mehr Leistungen in Anspruch zu nehmen als nötig, wenn sie unabhängig von den Kosten entscheiden könnten – was langfristig zu höheren Kosten für alle führen würde.“ Das ist nichts anderes, als der verklausulierte Grundsatz des Neoliberalismus „Der Markt regelt alles besser.“

Obwohl es jedem klar sein muss, dass ein Krankenhauswesen, das auf Marktmechanismen verwiesen wird, das machen wird, was am meisten Geld bringt. Keine Frau ist scharf auf eine Totaloperation – aber wenn diese OP viel Geld bringt, werden die Ärzte diese OP bei allen möglichen Anlässen empfehlen. Keiner möchte eine Rücken-OP, wenn eine konservative Behandlung sicherer anschlägt. Aber der Klinik bringt eine OP nun mal mehr Geld, als die Empfehlung für eine angepasste Physiotherapie.

In ihrem neuen Newsletter spricht sich Riepe gegen Subventionen im Kulturbereich aus. Sie hat nichts gegen Kultur – Gott bewahre! –„Auch der wirtschaftliche Effekt, der durch die Besuche entsteht, ist nicht zu verachten. Insbesondere Gastronomie und Hotellerie profitieren, wenn Gäste von außerhalb angezogen werden.“ Hier formuliert sie den nächsten neoliberalen Glaubenssatz: Alles ist nur etwas wert, wenn es den Geschäften (dem Markt) dient.

Um mit ihrem Plädoyer anzukommen, werden bei ihr aus Subventionen für  die Kultur „kommunale Zuschüsse in Freizeiteinrichtungen“. Und seine Freizeitgestaltung soll bitte schön jeder selbst bezahlen.

Dass kulturelle Einrichtungen in der Regel – vor allem, wenn sie auch noch die Menschen vor Ort miteinbeziehen - nicht profitabel sind, ist allgemein bekannt. Die VHS, die öffentlichen Büchereien, kleine Theater, Jugendzentren, Pflege der plattdeutschen Sprache und vieles mehr sind auf kommunale Unterstützung angewiesen.

Neoliberale Haltungen schleichen sich mit rational klingenden Scheinargumenten in unser Leben. Doch sie wollen alles, was nicht profitabel ist, aber die Menschen in ihrem sozialen und kulturellen Erleben brauchen, vernichten und durch profitable Formen, sprich kommerzielle Formen ersetzen. Dass in einer solchen Gesellschaft, in der nur der Profit zählt und nur der wahr genommen wird, der Profit bringt, der soziale Zusammenhalt schwindet, dürfte nachvollziehbar sein. Die Entwertung der sozialen und menschlichen Werte durch die Anbetung des Marktes hat zur Folge, dass Menschen sich dieses Weltbild vollkommen zu eigen machen und in ihrem Weltbild alles „Unwerte“ ausmerzen wollen. Das rechte Weltbild der AFD unterscheidet sich dann nicht mehr wirklich von dem „zivilisierten“ Weltbild der bürgerlichen Mitte. Es geht dann nur mehr um die Formen und um Geschmacksache.

Wer menschliches Leben, z. B. von Migranten, behinderten Menschen, Arbeitslosen, Obdachlosen, Alten, sofern sie nicht reich sind, was selten der Fall ist, als unprofitabel betrachtet und ausgrenzen möchte, findet auch nichts mehr dabei, das Geld, das für den sozialen und kulturellen Bereich benötigt wird, in Waffen und allgemein Aufrüstung zu investieren. Zumal die Waffenherstellung und deren Verwendung zwar vollkommen sinnlos sind, aber den Rüstungskonzernen fabelhafte Gewinne bringen. Und bezahlt wird die Rüstung ausschließlich durch die Steuerzahler – das sind vor allem die Arbeiter und Angestellten.

Und damit sind die neoliberalen Anbeter des Marktes auch tatsächlich diejenigen, die jeden Krieg in der Welt befürworten, der ihren Markt erweitert. [jdm]

Am nächsten Sonntag: DIZ zeigt Film über Wehrmachtsdeserteur, die Gedenkstätte Esterwegen stellt Graphic Novel vor

Am 29.09.2024 findet um 16 Uhr eine Veranstaltung des Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ) Emslandlager e.V. in Papenburg statt und um 15 Uhr eine Veranstaltung der Gedenkstätte Esterwegen in Esterwegen. Soll man das jetzt für eine belebende Vielfalt oder für eine Vergeudung von Ressourcen durch Konkurrenz halten?

Das DIZ zeigt den Film „Die Liebe zum Leben (2023) von Annette Ortlieb über den Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann um 16 Uhr im Kino Papenburg, Hauptkanal rechts 27. Das Programm sieht eine Begrüßung durch den Ersten Vorsitzenden des Aktionskomitees Prof. Dr. Habbo Knoch, ein Grußwort der Bürgermeisterin der Stadt Papenburg Vanessa Gattung, die Vorstellung der Sammlung des DIZ durch Joscha Hollmann/Tessa Hesener und nach einer kleinen Pause schließlich um 17.00 Uhr eine Einführung in den Film durch Annette Ortlieb und Kurt Buck und die Vorführung des Films vor. Die Veranstaltung bildet zugleich den Abschluss eines Treffens von Angehörigen ehemaliger Häftlinge der Emslandlager, das von Freitag, dem 27. bis zum Sonntag, dem 29. September, in Papenburg stattfindet.

Die Eintrittskarten kosten jeweils 5 Euro. Karten können per E-Mail bis zum 25. September beim DIZ vorbestellt werden: mail@diz-emslandlager.de.

Das Gutachten von Jennifer daniel

Die Gedenkstätte Esterwegen lädt im Rahmen des Literaturfestivals der Emsländischen Landschaft e. V. für die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim um 15 Uhr zur Vorstellung der Graphic Novel „Das Gutachtenvon Jennifer Daniel ein. Musikalisch begleitet und moderiert Matthias Wieland.

Der Comic ist eine packende Kriminalgeschichte, die zugleich einen tiefgehenden Einblick in die westdeutsche Gesellschaft der 1970er Jahre gewährt. Im Sommer 1977 ereignet sich auf einer Landstraße kurz hinter Bonn ein Autounfall, der bei der ungewöhnlichen Hauptfigur einiges auslöst. Eine junge RAF-Sympathisantin stirbt in ihrem Wagen, vom Unfallverursacher fehlt jede Spur. Herr Martin, ein älterer Angestellter der Bonner Rechtsmedizin, wird aus persönlichen Gründen von diesem Fall in den Bann gezogen und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Seine Nachforschungen führen ihn nicht nur auf die Spur des Unfallverursachers, sondern decken auch seine eigene mühsam verdrängte Geschichte auf. Jennifer Daniel ist eine der bemerkenswertesten deutschen Comiczeichnerinnen. Ihre Graphic Novel vermittelt einen ganz neuen Blick auf unsere Geschichte.

Eintritt: 6 €, ermäßigt 4 €. Karten sind online und auch vor Ort in der Gedenkstätte erhältlich. [jdm]

Nachbarschaftliche Hilfe? Hetze gegen Migranten zeigt Wirkung

Einstürzende Brücken, marode Schulen, bankrotte Kliniken, eine marode Infrastruktur, zu wenig Wohnungen und zu hohe Mieten, eine marode, nicht funktionierende Bahn oder die mit der Aufrüstung verbundene Kriegsgefahr und De-Industrialisierung sind – wenn man Zeitung liest oder die Tagesschau verfolgt – dem Anschein nach kein Problem. Das Problem sind offensichtlich nur die Menschen, die vor den Kriegen, die der politische Westen entfacht hat, flüchten: die Migranten.

Dass die SPD/FDP/Grüne/CDU/CSU mittlerweile fast alle migrantenfeindlichen Positionen der AFD übernommen hat spielt trotz der ganzen Demonstrationen, zu denen genau diese Parteien nach dem Bericht über das Treffen der Rechtsextremen in Potsdam aufgerufen hatten, keine Rolle.

Und diese erbarmungslose Hetze gegen Migranten, z. B. eines Friedrich Merz, zeigt dann auch ganz konkrete Resultate im Verhalten gegenüber den Flüchtlingen. Ich betreue einen in Papenburg lebenden psychisch erkrankten Mann aus Guinea. Er lebt in einer Einzelwohnung und kann sich mit niemandem einen Internetanschluss teilen. Für die Kontaktpflege ist auch für ihn das Internet extrem wichtig. Er lebt von den Asylbewerberleistungen und kann sich deshalb keinen eigenen Internetvertrag leisten.

Wie auch bei anderen Menschen bat ich die Nachbarin, die mir mit einem kläffenden Hund auf dem Arm misstrauisch öffnete, ihm doch gegen einen Obolus von 10 € einen Gastzugang zu ihrem W-LAN zur Verfügung zu stellen. Dass Menschen Angst haben, damit liefen sie Gefahr, dass ihre privaten Angelegenheiten gehackt werden könnten oder dass sie für Kosten des W-LAN-Mitbenutzers haften müssen, ist normal. Diese Nachbarin hatte aber einen ganz anderen Grund, den Zugang zu verweigern. „Da bin ich prinzipiell dagegen. Wieso kann er sich das Internet nicht leisten. Die Asylbewerber kriegen doch mehr Geld vom Staat, als alle anderen!“

Ich frage, wo sie das denn her hat. Auf dem Konto meines Betreuten spiegelt sich das nicht wider. Der Regelsatz, von dem alles (Lebensmittel, Bekleidung, Strom, Handy, Reparaturen, usw.) außer Miete bezahlt werden muss, für einen allein stehenden Asylbewerber beträgt 460 €, ein allein stehender Bürgergeldempfänger hat einen Regelsatz von 563 Euro. Die Gegenfrage der Nachbarin: „Und woher haben die dann alle die schicken Autos? Und wir fahren mit einer alten Kiste.“ Mir sind unsere afrikanischen Mitbürger bisher nur dadurch aufgefallen, dass sie E-Roller benutzen.

Ich klingelte dann an der Tür des Hauses auf der anderen Seite. Hier öffnete eine Spanierin, die mein Anliegen freundlich, aber verständnislos anhörte, bis sie ihre Tochter herrief, die dann übersetzte. Nach Klärung der technischen Details, sagte sie, klar, das könne sie machen und sie stellte dann gleich auf dem Handy meines Betreuten die W-LAN-Verbindung her. Er solle erst mal probieren, ob der Empfang auch klappt, dann könne man weiter sehen. Ich hinterließ meine Handynummer und verabschiedete mich dankend. Und war froh, dass die Sprachbarriere diese Frau daran hindert, von deutschen Medien und deutschen Presseerzeugnissen darauf geeicht zu werden, dass ihr hilfebedürftiger Nachbar das größte Problem in Deutschland darstellt. [jdm]

Bayerns Verfassungsschutz im Einsatz gegen Pressefreiheit – Kritik von der FDP

Der bayrische Inlandsgeheimdienst BayLfV, Verfassungsschutz genannt, veröffentlichte eine Studie über eine nach eigener Einschätzung „großangelegte russische Desinformationskampagne `Doppelgänger’“.

Dabei geht es darum, dass mutmaßlich russische Akteure vom Mai 2023 bis Juli 2024 täuschend ähnliche Seiten von verschiedenen Online-Auftritten, z. B. des Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung hergestellt hätten – die so genannten „Doppelgänger“. Damit sollten User auf gefälschte Artikel oder echte Seiten gelenkt werden, mit dem Ziel, durch die Verbreitung bewusster Falschinformation und pro-russischer Narrative in westlichen Gesellschaften Zweifel an liberalen demokratischen Werten zu säen.

Über die betreffende Infrastruktur seien knapp 8.000 Einzelkampagnen über mehr als 700 Zielwebseiten verteilt worden. Im für das BayLfV sichtbaren Zeitraum wurden hiermit 828.842 User erreicht – es wurden also in 14 Monaten 828.842 Klicks auf Links zu dubiosen Seiten, aber auch auf normale Internetauftritte von Zeitungen generiert.

Ui! Da staunen wir aber! Nur zum Vergleich: Von Januar 2024 bis heute (am 12.09.2024) haben 394.745 User auf Hallo-Wippingen.de zugegriffen (2023: 501.422) und dabei 9.287.905 Klicks (2023: 11.978.323) produziert. Was der bayrische Verfassungsschutz da entdeckt hat, sind also rein mengenmäßig Peanuts. Warum machen die dann einen solchen Wind um die Sache?

Die Artikel auf tatsächlich existierenden Zeitungsseiten und Blogs, auf die verlinkt wurde, werden im Bericht einzeln aufgelistet, weil es „nahe liegend (ist), dass die betreffenden Inhalte aus Sicht des Akteurs das russische Narrativ unterstützen bzw. dass die Verbreitung entsprechender Inhalte anderweitig im Interesse des Akteurs liegt.“

Einschränkend heißt es zwar: „Hierzu wurden manche der Artikel gezielt aus ihrem Kontext gerissen. Das BayLfV unterstellt explizit nicht, dass die Verantwortlichen der hier aufgelisteten Webseiten russische Propaganda verbreiten oder in Kenntnis darüber sind bzw.es gutheißen, dass ihre Inhalte im Rahmen der „Doppelgänger“-Kampagne weiterverbreitet werden. Ferner nimmt das BayLfV keinerlei Wertung der Inhalte der betreffenden Webseiten vor.“ Aber gleichzeitig geht es in dem ganzen Bericht darum, dass hier ja gezielt „Desinformation“ betrieben werde.

Der Verfassungsschutz maßt sich an, Presseartikel zu bewerten. In der Pressemitteilung des Verfassungsschutzes wird z. B. die Einschätzung, die Unterstützung der Ukraine werde durch Einsparungen bei Schulen und Krankenhäusern finanziert, als „Falschmitteilung“ qualifiziert. Dieser Meinung kann man doch sein, wenn man den Bundeshaushalt sieht, der durch die immensen Rüstungsausgaben und Militärhilfen an die Ukraine in allen Bereichen Kürzungen erfährt. Man muss nicht dieser Meinung sein, aber der Verfassungsschutz hat diese Meinung nicht zu bewerten und als „Nachrichten passend zum russischen Narrativ“ zu denunzieren.

Wolfgang Kubicki (FDP) hält laut NZZ das Vorgehen der Behörde nicht nur „für unangemessen, sondern für schlicht rechtswidrig“. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen (BSW) spricht von einem Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit“. Mehrere der betroffenen Medien wollen gerichtlich gegen den Verfassungsschutzbericht vorgehen. Denn die Nennung von Medien in Verfassungsschutzberichten können schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben. Im Vorgehen gegen die linke Tageszeitung „Junge Welt“ ist dies schon länger ein gezieltes Vorgehen des Geheimdienstes.

Nur die Grünen sind selbstverständlich entsprechend ihres simplen Weltbildes der Meinung, dass der Verfassungsschutz deutsche Medien in gut und böse einteilen sollte. Der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen), verwies im Deutschlandfunk auf eine »Aufzählung des bayerischen Verfassungsschutzes«, um sowohl dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als auch der AfD (beide in einem Atemzug zusammen zu nennen, ist auch eine Methode der Desinformation) zu unterstellen, durch das Verbreiten »russischer Propaganda« den Interessen Moskaus in die Hände zu spielen und »bei uns zu destabilisieren«.[jdm]

Bundesweiter Warntag am Donnerstag, den 12.09.2024 um 11:00 Uhr!

Bundesweiter Warntag 12.09.2024

Am kommenden Donnerstag, den 12.09.2024 findet der jährliche bundesweite Warntag statt. Die Sirenen werden um 11:00 Uhr den Signalton "Warnung" und um 11:45 Uhr den Signalton "Entwarnung" auslösen.

Neben den Warnungen per Sirenen werden auch die Warn-App oder der Mobilfunkdienst Cell Broadcast zu diesem Probealarm um 11.00 Uhr auslösen.

Weitere Informationen zur Warnung der Bevölkerung und den verschiedenen Warntönen erhalten Sie hier. [Marlies Berling]

Steinblöcke gegen Obdachlose

Soziale Probleme werden in Europa gern dadurch gelöst, dass sie einfach verdrängt werden bzw. indem die Menschen mit Problemen vollständig an den Rand gedrängt werden.

In der Hamburger Innenstadt hat vor der Fußballeuropameisterschaft die Zahl der Platzverweise für Obdachlose stark zugenommen. Dagegen protestierte die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Denn: Dass alle Menschen öffentliche Räume frei nutzen dürfen, ist im Hamburgischen Wegegesetz geregelt – das gilt auch für obdach- und wohnungslose Menschen.

Die Nachdenkseiten berichten über Maßnahmen der Stadt Paris vor den Olympischen Spielen: Unter Brücken und an weiteren geschützten Uferbereichen der Seine wurden große Steine platziert, damit kein Mensch unter diesen Viadukten und Unterständen schlafen sollte. [jdm/Foto Nachdenkseiten/Frank Blenz]

DIZ zeigt im Kino „Die Liebe zum Leben“ über den Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann

Flyer DIZ Kinovorführung Ludwig Baumann

Seit dem 1. Juni dieses Jahres befindet sich das „Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager“ wieder in Papenburg. Am Hauptkanal rechts hat der Verein ausreichende Räumlichkeiten anmieten können, um der einzigartigen Sammlung und Teilen der umfangreichen Bibliothek eine neue Heimat zu geben. Von diesem Standort aus wird das DIZ nun seine in den vergangenen mehr als vierzig Jahren durchgeführte Erinnerungsarbeit fortsetzen und weiterentwickeln.

Zur Arbeit des DIZ werden regelmäßige öffentliche Veranstaltungen gehören, die wir in der Stadt Papenburg anbieten. Den Auftakt bildet die Vorführung des beeindruckenden Dokumentarfilms „Die Liebe zum Leben“ über Ludwig Baumann, der als Wehrmachtsdeserteur unter anderem im Strafgefangenenlager Esterwegen inhaftiert war. Baumanns unentwegten Einsatz für die Rehabilitation der Wehrmachtsdeserteure hat das DIZ persönlich und wissenschaftlich
unterstützen dürfen. Ein Teil seines Nachlasses befindet sich in der Sammlung des DIZ.

Von Ludwig Baumanns Kampf für Recht und Anerkennung der Deserteure handelt der Film von Annette Ortlieb. Er kam im November 2023 in die Kinos und wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet.

Dank der Kooperation mit dem Kino Papenburg kann am Sonntag, den 29. September, 16 Uhr die Kinofassung des Films in Papenburg gezeigt werden. Die Filmemacherin wird vor Ort sein. Im Anschluss an die Vorführung wird es Gelegenheit geben, Fragen zu Film und Person zu stellen. Wir freuen uns zudem sehr, dass sich die Bürgermeisterin der Stadt Papenburg, Vanessa Gattung, bereit erklärt hat, die Veranstaltung mit einem Grußwort zu eröffnen. Ein kurzer Einblick in die Bestände des DIZ und in die neuen Räumlichkeiten wird die Brücke zum Film und zu Ludwigs Baumann langjähriger Verbundenheit mit dem DIZ bilden.

Die Eintrittskarten kosten 5 Euro. Mit einer Eintrittskarte kann die Veranstaltung ab 16.00 Uhr besucht werden. Karten können per E-Mail bis zum 25. September beim DIZ vorbestellt werden: mail@dizemslandlager.de. Mit der Bestellung bitten wir unter Angabe Ihres Namens um Überweisung des Gesamtbetrages auf das Konto des AK DIZ Emslandlager e.V. bei der Volksbank Papenburg (Ostfriesische Volksbank), IBAN: DE46 2859 0075 2135 6106 00, BIC: GENODEF1LER. Vorbestellte Karten liegen am 29. September an der Kinokasse bereit. [Newsletter DIZ]

BSW-Unterstützer für zivile Häfen im Nordwesten

Der Bündnis-Sahra-Wagenknecht-Unterstützerkreis (BSW-U) in den Landkreisen Leer, Ammerland und Emsland setzt sich gemeinsam mit der Ortsgruppe aufstehen Ostfriesland gegen den Umschlag von Rüstungsgütern über die Häfen in Norddeutschland ein. „Unsere Häfen sollen Friedenshäfen sein“, ist auf einem neuen Banner der Aktivisten zu lesen, das zukünftig bei öffentlichen Auftritten gezeigt werden soll. Gleichzeitig spricht man sich gegen die geplante Stationierung weiterer US-Raketen in Deutschland aus.

Das Banner soll beispielsweise auf der Friedensdemonstration am 03.10.2024 in Berlin gezeigt werden. Der BSW-U bietet übrigens eine Busfahrt nach Berlin ab Leer an. Interessierte können weitere Informationen unter dieser E-Mailadresse anfordern: BSW-U-Kreis_O-A-E@t-online.de. Wer beim BSW-U mitwirken möchte, kann sich ebenfalls unter dieser E-Mailadresse melden. [HM/Dieser Artikel wurde erstveröffentlicht auf https://gruenealternative.de/forum-d]

Kundgebung zum Antikriegstag in Esterwegen

Stefans Eikens

Stefan Eikens, der Vorsitzende des DGB-Kreisverbands Nördliches Emsland, referierte in seinem Begrüßungsstatement auf der Kundgebung am 1. September auf der Begräbnisstätte Esterwegen im Wesentlichen die Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Antikriegstag.

Er stellte fest, dass die Zahl einsatzbereiter Atomwaffen weltweit steige. Immer mehr Krisen und Kriege prägten das internationale Geschehen, z. B. in der Ukraine, im Gazastreifen und in Afrika. In immer mehr Ländern fielen die Politiker in alte Denkmuster zurück und antworteten mit bewaffneten Interventionen. Die UN sei derzeit keine Instanz, die diese Gewaltspirale beenden könne. Es sei höchste Zeit, die Eskalation militärischer Gewalt zu beenden, Konfliktursachen frühzeitiger zu erkennen und an der Wurzel zu bearbeiten. Zu lange schon verrenne sich das sicherheitspolitische Denken und Handeln in Diskussionen über „Kriegstüchtigkeit“ und immer neue Waffenlieferungen.

Er erinnerte an das Friedengebot des Grundgesetzes und forderte die Bundesregierung auf, ihr Handeln an diplomatischen Ansätzen zur Krisenprävention und Konfliktlösung auszurichten. Die Teilnahme an der Internationalen Friedenskonferenz zum Ukrainekrieg in der Schweiz sei richtig gewesen, aber das Eintreten Deutschlands für Abrüstung, Rüstungs- und Rüstungsexportkontrolle sei völlig unzureichend. Der zerstörerischen Logik des Wettrüstens müsse angesichts von 2,4 Billionen Dollar Rüstungsausgaben weltweit Einhalt geboten werden. Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit seien zentrale Voraussetzungen für dauerhaften und echten Frieden.

Kranzniederlegung - Von links: Anno Immenga, Wiebke Hahn, Valeriia Lytvin, Stefan Eikens
Kranzniederlegung - Von links: Anno Immenga, Wiebke Hahn, Valeriia Lytvin, Stefan Eikens

Im zweiten Teil der Kundgebung äußerten sich der Lehrer Anno Immenga und zwei Schülerinnen der BBS Papenburg, die sich als „Juniorbotschafterinnen“ in einem Schulprojekt mit der europäischen Idee und der EU beschäftigen. Wiebke Hahn mit einem Gedicht und Valeriia Lytvin mit einer kurzen Rede riefen dazu, die tiefe Bedeutung des Antikriegstags zu verstehen, die da laute „Nie wieder Krieg“. Gewalt und Hass dürften Europa nicht spalten. Es gelte den Frieden zu bewahren und für ein Europa des Friedens einzutreten.

Anno Immenga begann seine persönlich gehaltenen Ausführungen mit einem Gedicht von Bertha von Suttner: „Ich habe meine Tochter, meinen Sohn zum Krieger nicht geboren. Wer wagt es, ihnen die Waffen zu drücken, damit sie einer anderen Mutter Kind erschießen. Es ist nun an der Zeit, die Waffen wegzuwerfen und alle Mütter sollen in die Welt rufen: Ich habe meine Tochter, meinen Sohn zum Krieger nicht geboren.“

Auch er habe seine  Kinder nicht zu Kriegern geboren. Sein Großvater sei in Verdun dabei gewesen und habe nie darüber gesprochen. Obwohl nicht Mitglied, habe er für die NSDAP den örtlichen Kassierer gemacht. Annos Vater habe den Krieg als Sanitäter überlebt. Annos Mutter stamme aus einer niederländischen jüdischen Familie, die bemüht war, seine Großmutter vor den deutschen Häschern zu verstecken. Ein Verwandter habe über sein Martyrium in deutschen KZs ein Buch geschrieben. Diese Erfahrungen seien für seine Eltern das Vermächtnis gewesen, für Frieden und Freiheit einzutreten und ihre Kinder nicht in den Krieg zu schicken. Ein Krieg bedeute unermessliches Leid. Es sei unsere gemeinsame Verantwortung, Konflikte auf friedliche Weise zu lösen.

Zwischen diesen Redebeiträgen spielte die Band Civil Courage aus Lähden auf, die - deutlich erkennbar - Fans der Toten Hosen sind. Wie im letzten Jahr spielten sie zum Abschluss ihre Version des Moorsoldatenliedes. [jdm]

In der heutigen NOZ: Karikatur wie im Stürmer

Klaus Stuttmann ist als Karikaturist ein Könner - heute allerdings nur noch technisch. Inhaltlich zeichnete er sich in der Vergangenheit dadurch aus, dass er Sachverhalte zuspitzen konnte und durch manchmal verblüffende Übertreibungen den Kernpunkt der Kritik offensichtlich machte.

Karikatur von Klaus Stuttmann in der NOZ vom 30.08.024
Karikatur von Klaus Stuttmann in der NOZ vom 30.08.2024

Seit der von Scholz und der Bundesregierung ausgerufenen Zeitenwende dienen seine Karikaturen nur noch als Illustration für die Regierungspolitik, die sich der Aufrüstung verschrieben hat - seine Karikaturen bebildern nur noch die Ansichten der einzelnen Gruppen innerhalb der Regierung. Die von der Bundesregierung genannten Feinde werden mit seinen Feindbildern der Lächerlichkeit preisgegegeben und die Karikaturen, die sich mit der Regierung selbst beschäftigen, sind mittlerweile harmlose optische Beiwerke für die Leitartikel. Und damit handelt es sich bei Stuttmanns Produkten eindeutig um Propaganda.

In einem Artikel über Karikaturen im Stürmer heißt es: "Es geht nicht nur darum, vor einer Bedrohung zu warnen (im Sinne einer Aufklärung), sondern auch darum, ein Feindbild zu inszenieren, um auf diesem Wege den fiktiven Erfahrungsraum einer Volksgemeinschaft zu inszenieren." Der Stürmer war eine vom späteren NSDAP-Gauleiter von Franken, Julius Streicher, von 1923 bis 1945 herausgegebene antisemitische Wochenzeitung.

Die heutige Karikatur in der NOZ, in der sowohl die AFD und die BSW als Stiefellecker Putins gezeichnet werden, ist an stürmerhafter Bösartigkeit kaum noch zu überbieten. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen gegen die Kriegseskalation, die von der Mehrheit der Menschen ausweislich der Umfragen geteilt werden, findet nicht statt. Stattdessen praktiziert Stuttmann die Zuschreibung der Opposition als Helfer des "Feindes": eine astreine Stürmer-Karikatur! [jdm]

Das Geschwätz der langen Messer

Nie wurde so viel über Messer diskutiert. Der Kommentar des IT-Bloggers Fefe verhilft wie so oft zur Klarheit:

"Immerhin ist auf die Faeser Verlass. Die ist zu jeder Frage inkompetent. Aktuell: 'Faeser will lange Messer aus Öffentlichkeit verbannen'

Sind doch schon verboten, denkt ihr euch jetzt vielleicht. Ein Freund von mir hat schon vor Jahren Stress mit den Bullen gekriegt, weil er seinen Leatherman in der U-Bahn mit sich führte. Das ist so ein Multitool mit Taschenmesser-Funktion, und die ausklappbare Klinge arretiert dann, damit man damit arbeiten kann. Der Griff ist 10cm lang, die Klinge auch nochmal. Das ist ein Taschenmesser. Nicht mal ein Abendessen-Steakmesser. Die sind länger. Die sind außerdem natürlich auch verboten, weil länger als 12cm.

12cm ist ungefähr eine Handbreite. Könnt ihr euch ja selbst überlegen, ob ihr das als Langmesser bezeichnen würdet. 12cm für das gesamte Messer, dass wir uns hier richtig verstehen, nicht bloß für die Klinge.

So und die Faeser, was fordert die jetzt? Dass man nur noch 6cm draußen mitführen darf. Ein 6cm Messer. Was soll das sein, ein Fingernagel-Reinigungsgerät? Nee, auch da brauchst du mehr Länge, sonst kannst du das ja gar nicht fest greifen.

Völlig absurdes Theater mal wieder. Faeser halt." [Zitat Felix von Leitner,/jdm]

Ukraine-Krieg: Mehrheit will Verhandlungen!

Eine aktuelle, repräsentative Umfrage von Insa zur Frage des Ukraine-Krieges hat folgende bemerkenswerte Resultate ergeben:
68 % der Befragten sind für Friedensverhandlungen
65 % sind für einen Waffenstillstand
48 % sind gegen die Lieferung von Taurus
45 % fürchten die Ausweitung des Krieges auf Deutschland
46 % beklagen mangelnde diplomatische Initiativen
52 % der Ostdeutschen (41 % West) machen ihre Wahlentscheidung vom Ja der Parteien zu Friedensverhandlungen abhängig

Unter den BefürworterInnen der Friedensverhandlungen sind 72 % der FDP-WählerInnen, 66 % der SPD-WählerInnen und 59 % der Grünen-WählerInnen. Also eine überwältigende Mehrheit der AnhängerInnen der Regierungsparteien. Von ihnen möchten zwei Drittel auch auf weitere Waffenlieferungen verzichten.

Vor einem Krieg in Deutschland fürchten sich Frauen mehr (51 %) als Männer (39 %). Durchgängig ist die Skepsis und Kritik am Regierungskurs in Ostdeutschland signifikant höher als im Westen. 

Eine detaillierte Auswertung der Antworten sowie die Tabellen steht auf www.emma.de. Die Umfrage wurde von Insa zwischen dem 2. und 5. August 2024 durchgeführt, Basis: 2002 Befragte. In Auftrag gegeben wurde die Umfrage von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht, in Fortsetzung ihres gemeinsam organisierten Protestes vom 25. Februar 2023 am Brandenburger Tor, so wie ihres „Manifest für Frieden“, das bis heute von weiteren 917.700 Menschen unterzeichnet wurde. [PM Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht]

Ukraine: Religion verboten, um Religion zu schützen

Begründungen, wie man sie aus Orwells 1984 kennt: Offiziell dient das Gesetz dem Schutz der nationalen Sicherheit und der Religionsfreiheit. Und was besagt das Gesetz, das das ukrainische Parlament verabschiedet hat? Es hat die Ukrainische Orthodoxe Kirche verboten.

Um die Demokratie zu schützen, hatte die Ukraine bereits 2022 elf Parteien verboten. 2022 wurden auch per Dekret alle nationalen Fernsehsender zusammengelegt, um die Presse- und Meinungsfreiheit zu schützen. 2022 trat auch das Sprachengesetz in Kraft, dessen Bestimmungen russische Sprecher diskriminieren. Es besagt, dass überregionale Zeitungen und Zeitschriften auf Ukrainisch erscheinen müssen. Russische Ausgaben sind nicht verboten, doch parallel dazu muss eine ukrainische Version in gleicher Auflage ge­druckt werden. Für die Verlage ist das freilich unrentabel.

Ausgenommen von der Pflicht zur Publikation auf Ukrainisch sind laut FAZ Spra­chen „an­gestammter Minderheiten“ im Land wie der Krimtataren, der Polen, Ungarn, Rumänen, Griechen, Bulgaren, aber auch das Englische sowie alle offiziellen Sprachen der EU. Russen sind wohl keine angestammte Minderheit. Auch von der Pflicht ukrainischer Buchläden, mindestens fünfzig Prozent ihrer Bestände auf Ukrainisch anzubieten, gibt es Ausnahmen für die genannten Minderheiten- und die EU-Sprachen. [jdm]

Entweder/Oder – Ein Scheißspiel

Ulrich Scholz

Müssen wir uns immer für ein entweder-oder entscheiden? Es gibt prinzipiell entscheidbare und prinzipiell unentscheidbare Fragen. Eine prinzipiell entscheidbare Frage ist dadurch gekennzeichnet, dass die Antwort durch ein allgemein anerkanntes System, wie der Mathematik oder der Physik, festgelegt ist. Die einzigen Fragen, über die wir entscheiden können, sind die prinzipiell unentscheidbaren Fragen. Wenn wir dies anerkennen, bekommen wir Freiheit und Verantwortung. Mehr im neuen Blog-Beitrag von Ulrich Scholz. [jdm]

Die Dritte Schuld – Was brauchen wir noch ein Gewissen, wir haben ja Juristen

In seinem Buch „Die zweite Schuld oder Von der Last, ein Deutscher zu sein“ schildert der Autor Ralph Giordano, wie das Versagen der deutschen Gesellschaft nach dem Nationalsozialismus die politische Kultur der Bundesrepublik geprägt hat (wörtlich aus Wikipedia). Er konzediert, dass es nach dem Krieg in der Bundesrepublik Deutschland viele Prozesse gegeben hat, in denen die Handlanger, die die tägliche blutige Arbeit des Völkermordes verrichtet hatten, zur Verantwortung gezogen worden sind. Die „Schreibtischtäter“ blieben jedoch nicht nur weitgehend unbehelligt, sondern gelangten in dem neuen demokratischen Deutschland wieder in exponierte Stellungen der Gesellschaft. Das galt im besonderen Maße für Juristen. So wurde der einstmals Verwaltungsjurist im Reichsinnenministerium Hans Globke Kanzleramtschef bei Konrad Adenauer (1953-1963). Ein anderes Beispiel: Der bei den Nazis als Marine-Richter tätig gewesene Kurt Georg Filbinger machte nach dem Krieg eine politische Karriere in der CDU. Er wurde sogar Ministerpräsident von Baden-Württemberg (1966-1978).

Während eines Gerichtsprozesses, den dieser gegen einen Kritiker angestrengt hatte, kamen Gerichtsakten ans Tageslicht, die bewiesen, dass er als Marinerichter während der Nazi-Zeit an Todesurteilen gegen Soldaten wegen Fahnenflucht beteiligt war, in einem Einzelfall sogar persönlich (bis zum Geben des Feuerbefehls an das Erschießungskommando, heißt es bei Wikipedia) betrieben hatte. Die folgende gerichtliche Aufarbeitung löste eine juristische Debatte über die Rechtmäßigkeit von Urteilen aus, die in dem verbrecherischen System der Nazis gefällt und vollstreckt wurden. Dass diese „Schreibtischtäter“ im neuen Deutschland wieder in Amt und Würden kommen konnten, war nicht das Thema. Es wurde von einigen Kritikern und Medien aufgegriffen, ließ aber das Gros der Gesellschaft unberührt. Im Bewusstsein der „ersten Schuld“, des Holocaust, und des Leids der Opfer dieser „Schreibtischtäter“ hätte es ein Thema sein müssen, so Ralph Giordano. Er bezeichnete diese Gleichgültigkeit als „die zweite Schuld“. – Im Folgenden möchte ich auf eine „dritte Schuld“ aufmerksam machen. Bevor ich das tue, ist es notwendig, dass ich den Begriff „Schuld“ erkläre, so wie ich ihn verstehe.

Es geht nicht um die Schuld im juristischen Sinne, sondern vielmehr um eine moralische Schuld. Sie ist nicht einforderbar, sondern kann nur von jedem einzelnen empfunden werden oder auch nicht. Entscheidend sind allein die Moral- und Wertevorstellungen, die das Handeln, persönlich und als Gesellschaft, bestimmen. Man bezeichnet das als Ethik. Wenn gegen sie verstoßen wird, sind nicht mehr Juristen zuständig, sondern allein das Gewissen. Die Schuld, die ich meine, ist das Ignorieren dieser letzten Instanz im eigenen und gesellschaftlichen Handeln.

Ich nenne meinen Artikel Die „dritte“ Schuld, weil sie allein mich und die Gesellschaft betrifft, in der ich lebe und die meine kulturelle und politische Identität ausmachen. Betreffen die erste und zweite Schuld das mangelnde Bewusstsein in der deutschen Gesellschaft um die menschliche Seite der Nazi-Verbrechen, bekümmert mich das mangelnde Bewusstsein bei uns um die menschliche Seite von Krieg.

Der bisher schlimmste aller Kriege, der zweite Weltkrieg, wurde von unserer Gesellschaft verbrochen. Millionenfach wurden Menschen getötet, verstümmelt und traumatisiert. Die Liste der Gewalttaten ist endlos und in ihren Ausprägungen nicht mehr vorstellbar. Für unsere Gesellschaft hätte es eigentlich der letzte aller Kriege sein müssen. Ein gesellschaftliches Gewissen war im Konsens darüber. Wiederbewaffnung und Abschreckung im Bündnis, die der bipolaren Welt geschuldet waren, wurden nicht als Widerspruch gesehen. Das änderte sich nach Ende des Kalten Krieges.

Das „Out of Area“-Konzept, das die USA für die NATO vorgesehen hatten, wurde nach schwacher gesellschaftlicher Gegenwehr in die deutsche Außenpolitik übernommen. Die Teilnahme Deutschlands an Kriegen war nun keine Entscheidung des Gewissens mehr. Die hatte man Juristen überlassen. Töten/getötet werden, verstümmeln/verstümmelt werden und traumatisieren/traumatisiert werden waren legitim, wenn sie nur legal waren. Bei der Herstellung von Legalität war man nicht kleinlich. Zuerst war es nur eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, die Krieg erlaubte. Später hat man dann andere „Legalisierungen“ erfunden. Beispiele:

Der Luftkrieg der NATO unter Beteiligung deutscher Tornados gegen Rest-Jugoslawien um den Kosovo (1999). Wegen des zu erwartenden Veto Russlands erfand man die Begriffe „Responsibility to Protect“ und „Humanitarian Intervention“. Der Luftkrieg kostete 500 Zivilpersonen das Leben. Er wurde bei uns als Erfolg gefeiert. Unsere Tornados hatten sich bewährt. Von Gewissen keine Spur.

Die Verbrechen von Al Kaida am 11. September 2001 wurden als Angriff auf die USA erklärt. Die NATO erklärte den Verteidigungsfall. Die USA beriefen sich auf den Artikel 51 der UN-Charta (Recht auf Selbstverteidigung) und erklärten den „War on Terror“. Das legitimierte den Krieg in Afghanistan, an dem die Bundeswehr mit Truppen und Tornado-Flugzeugen teilnahm. Der Krieg dauerte 20 Jahre und endete ergebnislos mit dem Abzug von NATO und US-Truppen.  Die Opfer: 70 000 Zivilpersonen und 90 000 Kämpfer und Soldaten, die meisten davon Afghanen. Der Krieg wird in unserer Gesellschaft bis heute totgeschwiegen. Von Gewissen keine Spur.

Das letzte und erschütterndste Beispiel für die dritte Schuld ist für mich der Ukraine-Krieg. Er wird in unserer Gesellschaft als notwendig begrüßt und tatkräftig durch Waffenlieferungen unterstützt. Wer sich für eine bedingungslose Beendigung des Krieges durch Verhandlungen einsetzt, wird diffamiert. Die Befürworter des Krieges argumentieren mit juristischen Positionen und was ich für besonders infam halte, mit Menschlichkeit. Die armen Ukrainer. Wenn sie es mit ihrem Gewissen ernst meinten, müssten sie sagen: Die armen Menschen, die in diesem Krieg leiden müssen. Soldaten auf beiden Seiten, genauso wie Zivilisten, die zwischen die Kämpfe geraten sind.

Es gibt immer „gewichtige“ Gründe für einen Krieg. Für unsere Gesellschaft dürfen sie nicht gelten. Das heißt nicht, vor einem Aggressor zu kapitulieren. Den militärisch zu besiegen, würde aber nur den Grundstein für den nächsten Krieg legen. Auf militärische Stärke zu setzen ist ein Auslaufmodell, zumindest der deutschen Geschichte. Unsere Stärke liegt heute in der normativen Kraft unsere Werte. Die braucht keine Armeen und keine Juristen, sondern am Ende allein das Gewissen, das uns handeln lässt. Sie wird nicht immer Kriege verhindern oder beenden können. Aber sie würde unsere Gesellschaft daran hindern, wieder schuldig zu werden. [Ulrich Scholz, Dieser Artikel wurde erstveröffentlicht auf Ulrich's Newsletter]

Wahlrecht: Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde jetzt möglich

Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag (30. Juli 2024) ein historisches Urteil verkündet: Die Fünf-Prozent-Hürde ist in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig. Der Weg zu einer Absenkung ist nun frei. Damit hat die von Mehr Demokratie initiierte Bürgerklage alle Ziele erreicht.

„Die Bürgerklage war erfolgreich. 4.242 Bürgerinnen und Bürger klagten gegen eine Norm. Und diese Norm ist die einzige, die das Gericht für verfassungswidrig erklärte. “ Ralf-Uwe Beck, Hauptbeschwerdeführer und Bundessprecher.

Das Beste, was der Bundestag nun tun kann, ist die Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde. „Das ist der Königsweg: Die Absenkung passt besser zum Geist der Ampel-Reform des Bundestagswahlrechts. Sie würde nicht nur einer, sondern vielen Parteien nutzen. Sie ist einfach umzusetzen. Und der Weg dorthin ist offen, das hat das Bundesverfassungsgericht betont“, sagt Beck.

Die Grundmandatsklausel gilt nur so lange wieder, bis der Bundestag eine neue Regelung schafft. „Die Rückkehr zur Grundmandatsklausel ist kein Automatismus“, sagt Thorsten Kingreen, Prozessbevollmächtigter der Bürgerklage.

Ein Blick zurück: Die Fünf-Prozent-Hürde wurde mit der Wahlrechtsrefom der Ampel aus dem März 2023 verschärft: Wer einen Wahlkreis gewinnt, kann das Bundestagsmandat nur dann antreten, wenn die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Abgeschafft wurde zudem die Grundmandatsklausel, über die eine Partei, die mindestens drei Direktmandate gewonnen hatte, in den Bundestag einziehen konnte, auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt hatte. Aus Sicht von Mehr Demokratie war damit die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit überschritten. Die Fünf-Prozent-Hürde wird so nun nicht mehr abgefedert und kollidiert noch stärker als zuvor mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl. (Artikel 38 Grundgesetz) und der Chancengleichheit der Parteien (Artikel 21 Grundgesetz).

An der Fünf-Prozent-Hürde scheitern Millionen von Stimmen der Wählerinnen und Wähler, die dann nicht im Bundestag repräsentiert sind: Bei der Bundestagswahl 2021 waren es vier Millionen Stimmen (8,6 %). Hätte es keine Grundmandatsklausel gegeben, wären die gut 2,2 Millionen Stimmen für Die LINKE noch hinzugekommen. Die CSU hätte nach Ampel-Wahlrecht ebenfalls an der bundesweiten Fünf-Prozent-Hürde scheitern können und wäre dann nicht mehr im Parlament vertreten gewesen. Bei der letzten Bundestagswahl errang sie 2,4 Millionen der Zweitstimmen (entsprach 5,2 Prozent). [Newsletter "Mehr Demokratie"]

Merz und Linnemann (CDU): Mit Populismus für mehr Rüstung

Die CDU hat das Problem, dass sie mit der unsozialen Kriegspolitik der Bundesregierung einverstanden ist, aber doch gerne Kritik üben möchte, um sich die Wählerstimmen zu sichern. Da sie den Kriegskurs nicht kritisieren möchte, und sie als so genannte Volkspartei nicht noch offener als die FDP dafür werben kann, den Reichen die Staatsknete zuzuschustern, zieht sie sich auf bewährte Sozialdemagogie zurück.

Ihr Generalsekretär Carsten Linnemann wollte in einem Interview in der Sendung Lanz Bürgergeldempfängern, die nicht arbeiten, das Bürgergeld ganz entziehen. Damit wollte er dann die Bundeswehr finanzieren. Gefragt, wieviel Geld er denn mit der Bürgergeldkürzung freischaufeln wolle, hatte er keinen blassen Schimmer, um welche Summen es eigentlich geht (ab 8. Minute). Dass es in Deutschland praktisch niemanden gibt, der Bürgergeld bezieht, obwohl er arbeiten könnte, wurde auf Hallo-Wippingen mehrfach thematisiert.

Dass Linnemanns Forderung nach mehreren Verfassungsgerichtsurteilen verfassungswidrig ist, schert Linnemann nicht. Er verfährt nach der populistischen Erfolgsmasche, sich eine wehrlose Gruppe zu suchen, auf die man den Volkszorn lenken kann. Die Nazis haben dies mit den Juden gemacht, die AFD macht dies mit Migranten, Trump genauso. Hinzu kommt, dass die CDU wie die libertären autoritären Gallionsfiguren der Neoliberalen Bolsonaro (Brasilien) und Milei (Argentinien) die Abschaffung des Sozialstaates fordert.

Auch Friedrich Merz hat mehrfach Bürgergeldkürzungen zugunsten des Militärhaushaltes gefordert. Weil ihn sonst fast nichts von der Bundesregierung trennt, nimmt er die neue Cannabisgesetzgebung aufs Korn. Das Gesetz wolle die CDU als erstes abschaffen. Er will sich nicht zuerst um das Wohnungsproblem kümmern, nicht um das marode Straßennetz, das unterfinanzierte Gesundheitssystem, die marode Bahn, das unterfinanzierte Bildungssystem oder den Frieden sichern! Dieser Millionär will sich zuerst um das Cannabisgesetz kümmern! Weil uns allen dieses Gesetz am meisten auf den Nägeln brennt?

Nein, weil er nur populistisch ein Reizthema aufgreift, um sich und die CDU ins Gespräch zu bringen. Aber inhaltlich hat er nichts besseres als die Bundesregierung zu bieten: Sozialabbau, Umverteilung von Arm nach Reich, weiteren Verfall der Infrastruktur und die Steigerung von Rüstung und Kriegsgefahr. [jdm]