USA ließen in Pakistan putschen, um von dort per Erpressung Munition für die Ukraine zu bekommen

The Intercept

Die US-amerikanische Nachrichtenseite „The Intercept“ berichtet, dass im April 2022 das pakistanische Militär mit Unterstützung der USA half, ein Misstrauensvotum zu organisieren, um Premierminister Imran Khan abzusetzen. Vor der Absetzung äußerten Diplomaten des Außenministeriums gegenüber ihren pakistanischen Amtskollegen ihre Verärgerung über die, wie sie es nannten, "aggressiv neutrale" Haltung Pakistans gegenüber dem Ukraine-Krieg unter Khan. Sie warnten vor schwerwiegenden Folgen, falls Khan an der Macht bliebe, und versprachen, dass im Falle seiner Absetzung "alles verziehen" würde.

Seit Khans Sturz hat sich Pakistan als nützlicher Unterstützer der USA und ihrer Verbündeten im Krieg erwiesen, eine Unterstützung, die nun mit einem IWF-Kredit zurückgezahlt wurde. Der Notkredit ermöglichte es der neuen pakistanischen Regierung, eine drohende wirtschaftliche Katastrophe abzuwenden und Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben - Zeit, die sie nutzte, um landesweit gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen und Khan ins Gefängnis zu stecken.

Intercept berichtet, dass die USA auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) Druck ausübten, dass die Bank statt einer Verlängerung der bisherigen Darlehensserie und der Freigabe der nächsten Rate in Höhe von 1,1 Mrd. USD eine Vereinbarung - "eine so genannte Bereitschaftskreditvereinbarung" - mit weniger Auflagen und günstigeren Bedingungen im Wert von 3 Mrd. USD abschließen würde.

Als Bedingung forderten die USA von Pakistan, dass sich bis dahin als neutral im Russland-Ukraine-Konflikt betrachtet hatte, dass es Munition im Wert von 900 Mrd US-Dollar an die USA zur Weitergabe an die Ukraine lieferte. Diese 900 Mrd. USD sollten einen IWF-Kredit zum Teil tilgen.

Pakistan ist als Produktionszentrum für die Arten von Munition bekannt, die für die zermürbende Kriegsführung benötigt werden. Da die Ukraine mit einem chronischen Mangel an Munition zu kämpfen hatte, tauchte die Verwendung von in Pakistan hergestellten Granaten und anderen Kampfmitteln durch das ukrainische Militär in offen zugänglichen Nachrichtenberichten über den Konflikt auf, obwohl weder die USA noch Pakistan die Vereinbarung bestätigt haben.

Intercept zitiert den pakistanischen Wissenschaftler Arif Rafiq am Middle East Institute in Washington: "Die Prämisse ist, dass wir die Ukraine retten müssen, wir müssen diese Grenze der Demokratie am östlichen Rand Europas retten, und dann muss dieses braune asiatische Land den Preis dafür zahlen. So kann es zu einer Diktatur werden, und den Menschen werden die Freiheiten vorenthalten, von denen jeder andere Prominente in diesem Land sagt, dass wir die Ukraine unterstützen müssen - die Fähigkeit, unsere Führer zu wählen, die Fähigkeit, bürgerliche Freiheiten zu haben, die Rechtsstaatlichkeit, all diese Dinge, die viele europäische Länder und konsolidierte Demokratien von Russland unterscheiden können."

Die USA und Pakistan bestreiten diese Angaben von Intercept, aber Intercept beschreibt in seinem Artikel detailliert die Dokumente, aus denen die Erkenntnisse stammen. [jdm]

Infrastrukturausbau und Kriegs- und Aufrüstungspolitik passen nicht zusammen

Bundeskanzler Scholz hat den „Deutschlandpakt“ ausgerufen. Er meinte wohl nicht den im Jahr 2005 vereinbarten Deutschlandpakt der Parteien NPD und DVU, bei Wahlen in den Bundesländern nicht zugleich anzutreten und sich stattdessen gegenseitig unterstützen zu wollen. Dass er aber auf eine solche Sprachschöpfung zurückgreift, ist dem Umstand geschuldet, dass für Politik, die die Klassengegensätze zwischen Arbeitern und Konzernen durch Rückgriff auf die „Nation“ verstecken will, halt bestimmte Begriffe gern verwendet werden.

Scholz will mit dem Begriff alle Bürger für seine militaristische Politik, die den Staat durch die bisher ungekannte Aufrüstungspolitik verarmt und die Wirtschaft durch aggressive Sanktionspolitik zugrunde richtet, vereinnahmen.

Difu-Studie

Eine Folge ist der weitere Abbau des Sozialstaates, dessen einzelne Maßnahmen den Bürgern nur tröpfchenweise bewusst werden, weil sie praktisch nicht kommuniziert werden. Der langsame Zusammenbruch der öffentlichen Infrastruktur lässt sich anhand von Studien allerdings jetzt schon erkennen.

Nach Schätzungen in einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) beträgt der Investitionsbedarf für den Erhalt und die Erweiterung von Schienennetzen, Straßen und Wegen in deutschen Städten, Landkreisen und Gemeinden bis 2030 voraussichtlich rund 372 Mrd. Euro.

Ein Drittel der Straßen weist größere Mängel auf. Fast jede zweite Straßenbrücke in den Kommunen ist in keinem guten Zustand. Auch bei den ÖPNV-Netzen verursacht der schlechte Zustand von 15 Prozent der Strecken Handlungsbedarf. Allerdings sind zumindest die ÖPNV-Brücken und -Tunnel im Vergleich besser erhalten. Etwa zwei Drittel davon sind neuwertig oder in einem guten Zustand.

Die Städte, Gemeinden und Landkreise planten für das Haushaltsjahr 2022 mit Investitionen in Höhe von rund 41,3 Mrd. EUR, realisiert wurden aber nur 26,1 Mrd. €. Ein Grund liege in der Abhängigkeit der Kommunen von Förderprogrammen von Bund, Ländern und der EU. Neben den chronischen Haushaltsengpässen vieler Kommunen erzwinge nicht zuletzt auch die akute Bekämpfung aktueller Krisen meist unvorhergesehene Mehraufwendungen. Bund und Länder sehen sich dann nicht selten dazu veranlasst, ad hoc neue Förderprogramme aufzulegen. Auf diese Weise wird jedoch die Abhängigkeit gerade von kleineren und mittleren sowie finanzschwächeren Städten, Landkreisen und Gemeinden von solchen Zuweisungen befördert.

Angesichts des allgemeinen Investitionsstaus sind die derzeitigen Ausgaben nicht ausreichend. Die KfW stellt im Kommunalpanel 2023 fest, angesichts der im Raum stehenden Finanz- und Investitionsbedarfe für die sozial-ökologische Transformation der bestehenden Infrastrukturen in Deutschland werde es notwendig werden, dass die allgemeine Finanzausstattung der Kommunen, die immerhin rund die Hälfte aller öffentlichen Bauinvestitionen tätigen, verbessert und auf eine verlässliche, weniger konjunkturanfällige und stabile Basis gestellt werden müsse. Zeitlich befristete Förderprogramme von Bund und Ländern stellten in diesem Kontext nur eine zweitbeste Lösung dar, da die ihnen zugrunde liegende Logik einer begrenzten Projektfinanzierung eben keine Gewähr für eine langfristig und strategisch angelegte Investitionstätigkeit der Kommunen biete.

Die Zeichen für die kommunalen Finanzen zeigen aber angesichts der Deindustrialisierung Deutschlands durch die Sanktionspolitik gerade nach unten.

Dort wo die Bundesregierung die Sache selbst in die Hand nimmt, wie beim Ausbau der Bahninfrastruktur, sieht die Sache nicht besser aus. Die Bahn und Verkehrsminister Wissing planen keine breiten Investionen in die Erneuerung der Bahnstrecken, sondern praktisch einen Neubau einzelner Strecken, wobei die in Frage kommenden Strecken vollständig aus dem Verkehr genommen werden. Das sorgt nicht nur für viel Verdruss der betroffenen Bahnnutzer, sondern auch dafür, dass sowohl die privaten Bahnkunden, als auch die Güterverkehrskunden dazu gezwungen werden, sich über einen langen Zeitraum eine Alternative zu suchen. Ob sie dann zu der Bahn zurückkehren, ist fraglich. Wissings Brachialmethode der Bahnsanierung mag den Interessen der beteiligten Baukonzerne entsprechen, dient aber nicht dem Ziel der Verlagerung der Individualtransporte auf die Bahn. [jdm]

Der Mensch ist zur Liebe verdammt

Ulrich Scholz hat in seinen Blog-Beiträgen öfter über die Notwendigkeit von Empathie gesprochen. Heute versucht er es anders und spricht über Liebe als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft. Sie macht aus dem Ich ein Wir. Die Vereinzelung durch Konkurrenz widerspricht dem Wesen des Menschen. Mehr im Blogbeitrag... . [jdm]

G20-Gipfel: Katzenjammer beim Westen

Der Westen wollte das G20-Treffen mit dem Thema Ukraine dominieren und für seine Sanktions- und Kriegspolitik Unterstützung von den Staaten des Südens erhalten. Vorab wurde spekuliert, Indien als Gastgeber sei schon vor Beginn der Konferenz gescheitert und es werde voraussichtlich kein Abschlussdokument geben.

Jetzt hat es ein Abschlussdokument gegeben und die Konferenz wurde nicht zu einem Tribunal für oder gegen Russland, sondern die Bedeutung des Südens wurde durch die Aufnahme der Afrikanischen Union hervorgehoben. Beides zeigte, dass der globale Süden sich nicht mehr vom Westen vorschreiben lassen will, wie es sich entwickeln will.

So unterschiedliche Länder wie China, Indien, Russland und Brasilien haben sich darauf geeinigt, sich gegenseitig nicht in ihre inneren Angelegenheiten hineinzureden. Sie wollen miteinander Handel treiben und sich dabei von ihren eigenen Interessen leiten lassen und nicht von erpressten Vorgaben der westlichen Staaten, insbesondere den USA.

Silke Diettrich vom WDR kommentiert dies in der Tagesschau so: "Auf dem G20-Gipfel hat sich der indische Gastgeber Modi zum Anwalt des Globalen Südens ernannt. Dabei geht es ihm aber nicht vorrangig um moralischen Zusammenhalt, sondern um Marktmacht." Und damit hat sie genau die gescheiterte Position des Westens dargestellt. Dem Westen geht es immer um Moral, egal ob er 1 Million Menschen in Afghanistan in den Tod treibt oder hunderttausende Kinder im Irak als Folge von Sanktionen sterben, ob er Staatspräsidenten töten lässt oder Drohnen auf Hochzeitgesellschaften explodieren lässt. Es geht dem Westen immer um die gute Sache; Indien geht es aber nur um Geschäfte.

Dass aber genau diese Geschäfte im Frieden abgewickelt werden, die moralischen Grundsätze des Westens aber Krieg und Hunger bedeuten, hat der Süden erkannt und diese Erkenntnis führt zu einigem Handeln von Staaten, die sich sogar als Rivalen verstehen.

Die Tagesschau-Reportagen über den Gipfel thematisierten trotzdem zum großen Teil nur das Thema Ukraine. In der Ems-Zeitung stellt Rena Lehmann sehr bedauernd fest, dass der Süden den Ukrainekrieg als regionalen Konflikt der Europäer begreift. Und sie stellt resignierend, aber richtig fest: "Im Augenblick sieht es danach aus, dass Europa keine entscheidende Rolle mehr spielt."

Die Europäische Union, die USA und weitere Partner haben angekündigt, ein riesiges Schienen- und Schifffahrtsprojekt zu starten. Es soll Europa, den Nahen Osten und Indien besser miteinander verbinden, wie die Beteiligten beim G20-Gipfel in Neu Delhi ankündigten. Die Ankündigungen von Gegeninitiativen zum "Neuen Seidenstraßenprojekt" Chinas haben mittlerweile einen sehr langen Bart. Bisher ist außer Ankündigungen nichts passiert. Zum Teil handelte es sich nur um Zusammenfassungen von allen möglichen Projekten, die schon irgendwie liefen. Auch der angekündigten Eisenbahnverbindung stehen im Moment noch die Sanktionen der USA gegen Iran entgegen. [jdm]

Geschichtsblindheit mal ganz anders

Bei der Eröffnung der Ausstellung „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer“ über die Polizei der Weimarer Republik in der Gedenkstätte Esterwegen sprach auch Landrat Marc-André Burgdorf in seiner Funktion als Vorstand der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen ein Grußwort.

Er lobte die Polizei Niedersachsen, dass sie mit dieser Ausstellung und auch mit einer früheren Ausstellung über die Polizei in der Nazi-Zeit zeige, dass sie die schlimmen Teile ihrer Geschichte nicht verschweige, sondern diese als Teil ihrer Geschichte begreife und sich damit auseinandersetze.

Die deutsche Gesellschaft und speziell das Emsland habe die Gräuel in den Emslandlagern lange Zeit negiert. Aber jetzt erkenne man diese dunkle Geschichte als eine eigene an und arbeite diese Geschichte seit 2011 mit der Gründung der Stiftung Esterwegen auf.

Das Lob für die Polizei ist ok, aber dass der Landrat ganz nebenbei in eigener Sache Geschichtsklitterung betreibt und die schon 30 Jahre längere Zeit der Geschichtsaufarbeitung durch das Dokumentations- und Informationszentrums durch Verschweigen ausblendet, um deren Leistungen vergessen zu machen, sollte doch festgehalten werden.

1981 gründeten Überlebende der Emslandlager gemeinsam mit Rosalinda von Ossietzky-Palm, Tochter des Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky, und engagierten Menschen aus dem Emsland, Ostfriesland und Oldenburg den Verein „Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager“ in Papenburg. Das Ziel war eine angemessene Gedenkstätte für die mehr als 20.000 Toten der Emslandlager und für jene, die in der NS-Zeit in diesen 15 Lagern inhaftiert waren.

Da die Bemühungen, am historischen Ort des Lagers Esterwegen eine Gedenkstätte einzurichten, fruchtlos blieben, mietete der Verein 1984 ein Papenburger Fehnhaus und schuf dort selbst einen Ort des Gedenkens, der Information und der Forschung: das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager. Seitdem gestaltete das DIZ lebendige Gedenkstättenarbeit. 2011 zog das DIZ dann im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung in die neue Gedenkstätte in Esterwegen mit ein. Diese Kooperation kündigte der Landrat in diesem Jahr auf. [jdm]

Ausstellung über die Polizei in der Weimarer Republik heute eröffnet

Bei der Ausstellungseröffnung: Links  die Beamten und Beamtinnen, die sich für Führungen zur Verfügung gestellt haben. Dritte von rechts Die Kuratorin der Ausstellung, Barbara Riegger. 07.09.2023
Bei der Ausstellungseröffnung: Links die Beamten und Beamtinnen, die sich für Führungen zur Verfügung gestellt haben. Dritte von rechts die Kuratorin der Ausstellung, Barbara Riegger

Heute wurde die Wanderausstellung des Polizeimuseums der Polizeiakademie Niedersachsen „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer. Die Polizei in der Weimarer Republik“ in der Gedenkstätte Esterwegen eröffnet. Die Ausstellung lädt dazu ein, die widersprüchliche Geschichte der Polizei der Weimarer Republik kennenzulernen. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der preußischen Polizei, mit einem Blick auf die Gebiete des heutigen Niedersachsens. Ausgewählte Originale aus der Museumssammlung ermöglichen eine spannende Zeitreise.

Vom 8. September bis zum 14. Dezember wird die Ausstellung zu sehen sein. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten der Gedenkstätte besichtigt werden (dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, ab 1. November von 10 bis 17 Uhr). Anmeldungen für Führungen sind unter der Telefonnummer 05955/988950 oder per E-Mail unter info@gedenkstaette-esterwegen.de möglich. Eine Besonderheit dieser Ausstellung ist, dass Beamtinnen und Beamte der Polizeiinspektion Papenburg sich in das Thema eingearbeitet haben und als Demokratiepaten durch die Ausstellung führen.

An jedem zweiten Sonntag im Monat findet ein offener Museumstag statt. Somit sind am 10. September, 8. Oktober, 12. November und 10. Dezember jeweils ab 15 Uhr offene Führungen ohne vorherige Anmeldung vorgesehen. Weitere Informationen unter www.polizeigeschichte-niedersachsen.de. [jdm]

NOZ: Andere Art der Lokalberichterstattung, aber keine Aufgabe

Wir hatten am 14. August geschrieben "NOZ-Lokalredaktionen wollen nur noch `Geschichten`“. Wir hatten darin über den Unmut vieler Sportvereine über die Änderungen in der Sportberichterstattung der Lokalredaktionen der NOZ berichtet.

Was die einen als Quasi-Einstellung der Berichterstattung betrachten, betrachtet die Chefredaktion der NOZ lediglich als eine Änderung der Art und Weise der Berichterstattung. Chefredakteur Ralf Geisenhanslüke unterscheidet im Chefredakteursnewsletter vom 23.08.2023: "Für die schnelle Nachricht zu jeder Stunde, ja Minute, sind die digitalen Kanäle perfekt geeignet. Für das Hintergründige, das Einordnende und ausführlich Beschreibende eher die klassische Zeitung." Im Rahmen einer Charme-Offensive werden von der NOZ nacheinander die Vertreter der Sportvereine eingeladen, um die neue Internetseite „Wir von hier“ vorzustellen, auf der die Vereine selber über ihre Neuigkeiten berichten können.

Auch Hallo-Wippingen wurde zu einem Gespräch eingeladen, weil man das neue Konzept unrichtig dargestellt sah. Unser Bericht wollte auf eine Fehlentwicklung in der Lokalberichterstattung hinweisen, aber nicht die grundsätzliche Bedeutung der Ems-Zeitung in Frage stellen. Im Gegenteil: Weltweit ist zu sehen, dass es dort, wo es keine Lokalberichterstattung gibt, auch Probleme bei der Ausgestaltung der kommunalen Demokratie gibt. Ein gutes Beispiel ist hier die USA, wo es praktisch nur eine überregionale Presse gibt.

Geschäftsführende Redakteurin und Mitglied der Chefredaktion Louisa Riepe war es ein Anliegen, zu erklären, dass die NOZ sich in einem veränderten Umfeld, das durch die digitalen Medien bestimmt ist, wirtschaftlich behaupten muss. Das digitale Angebot der Zeitung mache es möglich, genaue Zahlen über die Interessen der Leser zu bekommen. An diesen Erkenntnissen orientiere man sich jetzt. Das sei aber nicht zu verwechseln mit den Angeboten, die auf reine Klickzahlen aus seien. Das Angebot der NOZ basiere auf dem Abo-Modell; die Auswertung von Klick- und Verweilzahlen diene ausschließlich der Erkenntnisgewinnung über die Interessen der Leser.

Lili Maffiotte, Content Unit Emsland Leiterin, monierte am Hallo-Wippingen-Artikel die Aussage, dass nicht mehr über Vereine und Gemeinderatssitzungen berichtet würde. Dies sei so nicht richtig. Man besuche durchaus Gemeinderatssitzungen, wenn zu erwarten sei, dass ein berichtenswertes Thema besprochen werde. Das Thema werde in den Vordergrund gestellt, nicht ein Gremium oder ein Amt. Das sei für manche schmerzhaft, weil sie glaubten, ihr ehrenamtliches Engagement werde missachtet. Auch über die Vereine werde durchaus berichtet, aber nicht mehr über jede Generalversammlung. Auch über Kultur werde berichtet, aber nicht in der bisherigen Form einer nachträglichen kritischen Rezension. Das Interesse der Leser stünde im Vordergrund.

Auch den Vorwurf der Boulevardisierung der Ems-Zeitung wollten die beiden NOZ-Vertreterinnen nicht gelten lassen. Es fehle die nicht sachgerechte Zuspitzung, die für Boulevard-Zeitungen üblich sei. Die Ems-Zeitung halte sich an den Pressekodex mit den journalistischen Standards bei Opfer- und Täterschutz und der Sorgfaltspflicht. Aber man versuche durchaus von den Boulevardzeitungen zu lernen, wenn es um deren Fähigkeit gehe, in einer verständlichen Sprache zu schreiben. [jdm]

Verkorkste Rechtslage: „Geht damit nicht zur Polizei“

Immer, wenn irgendwo ein Verbrechen geschieht, taucht garantiert ein Politiker auf, der höhere Strafen fordert. Logisch ist das nicht, denn kein Messerstecher schaut in das Strafgesetzbuch, bevor er im Suff, im Wahn oder aus purer Aggression zusticht, kein Einbrecher überlegt vor dem Einbruch, welche Strafe darauf steht, sondern nur, wie er nicht erwischt wird, kein notorischer Raser schaut ins Strafgesetzbuch, sondern eher auf die Radar-Warner-App.

Dabei weiß jeder: es gibt schon Strafen für alle Straftaten. Lücken gibt es da nur selten. Besonders wenn es um Straftaten gegen Kinder geht, kann sich jeder Politiker sicher sein, mit der Forderung nach höheren Strafen Punkte zu machen. Die Bild-Zeitung ist mit ihrer Hetze und ihren Kurztexten für Analphabeten immer dabei.

So geschah es auch bei der Strafverschärfung bei Kinderpornografie. Kein Zweifel: eine schlimme Sache. Aber auch hier gab es schon einen Strafkatalog. Die Große Koalition stufte 2021 den Besitz von Kinderpornografie mit der Verschärfung von Paragraf 184b Strafgesetzbuch zum Verbrechen hoch. Verbrechen bedeutet, dass eine Mindeststrafe von einem Jahr droht. Und da haben Staatsanwaltschaften und Gerichte keinen Spielraum mehr. Nicht Fachleute, nicht Juristen, sondern Politiker, die sich für ihre Law-and-Order-Politik feiern und wählen lassen wollen, haben dieses Gesetz gemacht. Sehr gut, sagt da der Populist.

Und wundert sich, wenn er plötzlich ohne Verschulden verurteilt wird. Oder sein 14jähriger Sohn vor Gericht steht, weil er und seine 13jährige Freundin sich Nacktfotos geschickt haben. Nach dem Gesetz ist das strafmündige Kind dann im Besitz von Kinderpornografie und damit ein Verbrecher.

Bekannt wurde jetzt ein Fall einer Lehrerin (die Tagesschau berichtete). Eine 13 Jahre alte Schülerin schickte ein von sich selbst angefertigtes intimes Video ihrem Freund, der es weiter schickte. Das Video machte die Runde an ihrer Schule und als eine Lehrerin davon erfuhr, ließ sie sich das Video ebenfalls auf ihr Handy laden, um die Mutter des Mädchens und die Polizei zu informieren. Die informierte die Staatsanwaltschaft, die jetzt gegen die Lehrerin ermittelt. Nun droht ihr mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe und der Verlust ihres Jobs. Weil der Besitz von Kinderpornografie ein Verbrechen ist und das Gesetz keine Ausnahmen oder Strafminderungsgründe vorsieht. Die Staatsanwaltschaft sagt, sie hätte sich das Video nicht als Beweismittel schicken lassen dürfen, sondern nur die Polizei darüber informieren dürfen.

Im Lawblog schreibt der Rechtsanwalt Udo Vetter: "Bleibt nur die Frage, was mache ich mit dem Inhalt, der mir über eine Chatgruppe aufs Handy gespült worden ist – und der sich jetzt im Speicher des Handys befindet? Ich kann in diesem Punkt nur eine dringende Warnung aussprechen: Geht damit nicht zur Polizei."

Und das ist angesichts der verkorksten Rechtslage ernst gemeint. Wenn jemand als Mitglied in einer WhatsApp-Gruppe ein kinderpornografisches Video oder Foto erhält, sollte er/sie sicherstellen, dass die Datei wirklich gelöscht ist. Wenn die Handyinhalte automatisch in einer Cloud gespeichert werden, sollten auch dort die Dateien gelöscht werden. Es hilft im Fall des Falles nicht, wenn man behauptet, man wisse gar nicht, was eine Cloud ist. Oder es hilft auch nicht, wenn das Foto nicht als kinderpornografisch erkannt wurde.

Der ständige Ruf nach Strafverschärfungen hat heutzutage die fachpolitische Diskussion über sinnvolle Strafrechtsreformen ersetzt. Das Hauptziel des Strafrechts ist es, Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum, Würde und Ehre eines Menschen, Vermögen sowie den Rechtsfrieden zu schützen. Durch die Strafgesetze soll der Bestand der geltenden Rechtsordnung gewährleistet werden, was durch die darin vorgesehenen Bestrafungen funktioniert. Die Nulltoleranzpolitik und die Todesstrafe haben die USA z. B. nicht sicherer gemacht. Es ist das Land mit den meisten Toten durch Schusswaffen. Den Schreiern nach immer drastischeren Strafen geht es nicht um den Rechtsfrieden, sondern um Rache und Unterdrückung, kurzum um ihren Hass. Dem populistischen Ruf nach immer härteren Strafen sollte man sich endlich entgegen stellen. [jdm]

Antikriegstagsveranstaltung des DGB: Gegen Aufrüstung und für Mut gegen Hass

Civil Courage

Stefan Eikens, der Vorsitzende des DGB Kreisverbands Nördliches Emsland, konnte auf der gut besuchten Kundgebung zum Antikriegstag auf der Begräbnisstätte Esterwegen einen Redner und mit der Band Civil Courage erstmals auch eine Rockband – allerdings hier unplugged – anbieten. Civil Courage, die neben anderen Stücken auch das Moorsoldatenlied in einer eigenen Interpretation spielten, warben für ihr Benefizkonzert für die Ahrtalhilfe am kommenden Sonntag ab 18 Uhr in Herzlake.

Eikens sagte in seiner Eröffnungsrede, jeder Krieg sei ein Angriff auf die Menschlichkeit. Deshalb setze sich die Gewerkschaftsbewegung schon immer für Rüstungskontrolle, Abrüstung und soziale Gerechtigkeit ein. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine sei ein Angriffskrieg und die Ukraine habe jedes Recht auf Selbstverteidigung. Es sei aber ein Irrglauben, dass immer mehr Waffen zur Beendigung des Krieges führen würden.

In Anlehnung an Brandts Worte „mehr Demokratie wagen“ forderte er, mehr Diplomatie zu wagen. Militärische Konflikte brächten großes Leid. Die Solidarität des DGB gelte den Menschen, die auf der Flucht vor dem Krieg seien. Das gelte unabhängig von ihren Ansichten, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung.

Antikriegstag 2023

Die Waffen müssten in der Ukraine endlich schweigen, sonst steige die Gefahr eines Atomkriegs. Jeder Euro zusätzlich für Aufrüstung fehle an anderer Stelle, z. B. beim Kampf gegen die Klimaveränderung, der keinen Aufschub dulde. Er sprach sich gegen das Ziel der Nato, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär auszugeben. „Solidarität statt Rechtsextremismus! Die Welt braucht Frieden!“

Als Hauptredner der Veranstaltung hatte der DGB Prof. Habbo Knoch, Vorsitzender des DIZ Emslandlager e.V., gewonnen.

„Fünf mal Mut, um für den Frieden zu kämpfen“: Dazu wolle er in seiner Rede etwas sagen.

Prof. Habbo Knoch

1933 kam der Nationalsozialismus in Deutschland an die Macht. Nur sechs Jahre später begann der Zweite Weltkrieg. Es brauchte damals Mut, um die Demokratie zu verteidigen und für den Frieden zu kämpfen.

Als Beispiel eines Mutigen beschrieb Knoch das Schicksal des vor neunzig Jahren, am 2. September 1933, von der die SS unweit des KZ Esterwegen ermordeten schlesischen Reichsbanner-Funktionärs Hans Alexander, der die Weimarer Republik verteidigen wollte. Der Sozialdemokrat jüdischer Herkunft Alexander sei das erste bekannte Todesopfer in den emsländischen Konzentrationslagern, die zwischen Juni und Oktober 1933 in Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum mit Häftlingen belegt wurden.

Die SS-Leute hatten den zuvor misshandelten Alexander auf der „Flucht erschossen“. In einem Augenzeugenbericht nach dem Mord heißt es: "Acht Gefangene mussten den erschossenen Alexander auf Schlothagenstiele, die langen Stiele für Jaucheschöpfer, legen und ihn ein Stück tragen. (…) Otto Eggerstedt (SPD-Reichtstagsabgeordneter und ehemaliger Polizeipräsident von Hamburg-Altona, der selbst am 12. Oktober als Häftling des KZ Esterwegen umgebracht wurden) wurde gezwungen, den toten Alexander abzuwaschen, und die Juden mussten ihn anziehen.“

Hans Alexander wurde nach Breslau überführt. Spontan demonstrierten bei der Trauerfeier tausende Arbeiter mit Rufen wie "Heil Freiheit!" oder "Rache!". Diese Arbeiter brauchten Mut, um sich gegen den Hass aufzulehnen und die Menschlichkeit zu bewahren. Den Nationalsozialisten war diese öffentliche Aufmerksamkeit ein Dorn im Auge. Ebenso, dass Berichte über die Mordtaten im Inland und Ausland zirkulierten.

Als die noch verbliebenen Wuppertaler Kommunisten vom Mord an ihrem Funktionär Otto Böhne erfuhren, der im KZ Kemna und auf dem Weg in das KZ Börgermoor so schwer misshandelt wurde, dass er am 25. Februar infolge seiner Verletzungen im Papenburger Marienhospital verstarb, fertigten sie Handzettel an und verteilten sie in Böhnes Nachbarschaft.

Die SS mordete aus Hass und Rachelust gegen prominente linke Politiker, aber auch aus Hass, der sich erst im Lager speiste. Der unbändige Hass der Nationalsozialisten war umfassend, oder wie 1933 der Schriftsteller Heinrich Mann erbittert feststellte, Deutschland war zu einem "Haßland" geworden.

Wohin der Haß führen würde, war vielen in der Opposition rasch klar. So war schon in der ersten Nummer der kommunistischen Zeitschrift "Der Gegen-Angriff", die Ende April 1933 im Prager Exil erschien, zu lesen: "Rüsten als Ausweg aus der Krise, heißt aber Krieg als Ausweg aus der Krise. Krieg ist der letzte Programmpunkt der hitlerschen Zirkusvorstellung."

Die Gefangenen in dem KZ Esterwegen und in den emsländischen Strafgefangenenlagern brauchten Mut, um die Drangsal auszuhalten und die Tortur zu überleben.

Es kam im KZ Esterwegen und in den emsländischen Strafgefangenenlagern weiterhin zu zahlreichen Morden. Aber bei manchen Prominenten änderte die SS ihre Gewaltpraxis. Sie wurden zwar weiterhin schikaniert, aber am Leben gehalten und mussten eine oft jahrelange Odyssee durch mehrere Konzentrationslager durchstehen. Die langjährige Haft sollte sie alle zermürben, in den Selbstmord treiben und ihren Tod wie einen natürlichen aussehen lassen.

Die Menschen in Deutschland brauchten auch Mut, um sich von falschen Versprechungen der Nazis zu lösen und eine menschliche Zukunft zu denken. 

Hanns Eisler, der 1935 das "Moorsoldatenlied" neu vertont und mit ins amerikanische Exil genommen hatte, komponierte 1936 aus Bertolt Brechts Gedicht "Gegen den Krieg" eine Chorfassung a capella als eindringliches Antikriegslied. Der Text warnt vor den falschen Versprechungen der Reichen und Mächtigen: "Wenn die Ob’ren von Ehre reden, weiß das gemeine Volk, dass es Krieg gibt.“

Heinrich Mann schrieb 1936: „Er hat sich selbst, seine Herrschaft und sein Reich abhängig gemacht vom Krieg: ohne den Krieg stürzt er“. Jetzt müsse, so Mann wenige Monate später, "die Humanität verteidigt werden gegen Angreifer, die sie vernichten wollen. (...) Antifaschismus bedeutet Menschlichkeit."

Unter dem Eindruck des vergangenen Krieges und im Zeichen einer drohenden atomaren Katastrophe dichtete Johann Esser, der 1933 den Text des "Moorsoldatenlieds" verfasst hatte, folgende Zeilen: "Wenn ich tausend Leben hätte, und die Wahl, sie hinzugeben, käm‘ nicht eines auf die Stätte, die nur Grauen lässt erleben.“

Nach dem Krieg brauchte es wieder Mut, um sich gegen das Vergessen zu wehren und die Erinnerung an die Verfolgten zu leben. Knoch erinnerte an die Versuche der Verantwortlichen der Nachkriegszeit, Gras über die Gräber und die Reste der Lager wachsen zu lassen, auch über die Begräbnisstätte in Esterwegen. Erst durch den Protest der Überlebenden sah sich die zuständige Verwaltung genötigt, sich um die Gräberanlage zu kümmern.

Auch weil das Lager in Esterwegen nicht zugänglich war, entwickelte sich der Friedhof zu einem wichtigen Symbol des Widerstands der ehemaligen Verfolgten gegen das Vergessen in der Region wie in der Bundesrepublik insgesamt. Als 1963 auch noch die Essener Gewerkschaftsjugend einen Gedenkstein für Carl von Ossietzky ohne ausdrückliche Genehmigung der Behörden setzte, ließ sich das Ziel nicht mehr umsetzen, den Friedhof einzuebnen.

Von den 1960er bis in die 1980er Jahre waren es verschiedene Bürgerinnern und Bürger - die Zivilgesellschaft zusammen mit der Lagergemeinschaft und anderen Überlebenden der Emslandlager sowie ihren Angehörigen - und ausdrücklich weder Staat noch Kommune, die sich gegen das Vergessen, gegen Geschichtsklitterung und gegen eine erneute Diffamierung der Opfer wandten. Verstetigt werden konnte dieses Engagement durch die Eröffnung des Dokumentations- und Informationszentrums Emslandlager in Papenburg 1984.

Knoche: „Mit größter Irritation nehme ich zur Kenntnis, dass die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen seit Jahren und zuletzt vermehrt an vielen Stellen versucht, das DIZ und damit auch eine breite, diverse Trägergemeinschaft des Gedenkens und Erinnerns an die Opfer der Emslandlager gänzlich zu verschweigen, ins Vage zu stellen und aus der Geschichte auszuradieren. Das ist nicht nur eine skandalöse Form regionaler Geschichtspolitik, sondern auch ein Affront gegen die Opfer, die Überlebenden und die Angehörigen.“

Der Mut, den es dafür brauchte, um die Erinnerung an die Emslandlager in der Region zu etablieren, war ein anderer als derjenige, den die Verfolgten, Exilierten und andere Gegner von Terror und Krieg während des Nationalsozialismus aufbrachten.

Als er 1983 zum ersten Mal auf diesem Friedhof bei einer Gedenkveranstaltung war, habe er beim Anblick der kurz zuvor eingerichteten "Gedenkhalle" begriffen, dass ein liebloses, abstraktes und schweigendes Gedenken nicht ausreichen kann. „Ich habe mich mit dem Mut der Verfolgten, die in den folgenden Jahren kennen lernen durfte, solidarisch gefühlt.“

Er glaube, dass es dieses Band der Solidarität sei, das eine tragende, institutionelle Rolle der Zivilgesellschaft in der Gedenkstättenarbeit, wie sie das DIZ seit vierzig Jahren verkörpere, auch in Zukunft unverzichtbar macht. Weil durch sie spürbar werde, was es heiße, nicht im staatlichen Auftrag, sondern als Bürgerin und Bürger dem Mut nachzuspüren. [jdm]

Ausstellung: Die widersprüchliche Geschichte der Polizei in der Weimarer Republik

Plakat Polizeiausstellung in Gedenkstätte Esterwegen

Die Reise der Wanderausstellung des Polizeimuseums der Polizeiakademie Niedersachsen „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer. Die Polizei in der Weimarer Republik“ führt im September ins Emsland. Vom 8. September bis zum 14. Dezember 2023 wird die Ausstellung in Kooperation mit der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in der Gendenkstätte Esterwegen zu sehen sein.

Freunde und Helfer einerseits, Straßenkämpfer andererseits – das ist der wesentliche Gegensatz, der die Polizei der Weimarer Republik (1918-1933) prägte. In der ersten deutschen Demokratie entstand die Idee einer hilfsbereiten, bürgernahen Polizei – eine Vorstellung, die auch heute aktuell ist.

Die Ausstellung zeichnet die widersprüchliche Geschichte der Polizei der ersten deutschen Republik nach – der Fokus liegt auf den Regionen des heutigen Niedersachsens. In der Weimarer Republik entstand die Idee einer hilfsbereiten, bürgernahen Polizei. Doch wie die gesamte Gesellschaft sah sich die Polizei aufgerieben zwischen republikanischer Reformkraft und antidemokratischem Zerstörungswillen, zwischen kulturellem und technischem Fortschritt und wirtschaftlicher Not. In den letzten Jahren der Republik verlor sich das polizeiliche Ideal vom „Freund und Helfer“ in der täglichen Wirklichkeit: Blutige Kämpfe zwischen politischen Gegnern wurden zur Alltagserfahrung der Polizei, die an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit kam. Polizisten wurden zu Straßenkämpfern. Schließlich gaben 1933 die Nationalsozialisten der Demokratie den Todesstoß und die Polizei wurde zur Helfershelferin der Diktatur.

Die Ausstellung lädt dazu ein, die widersprüchliche Geschichte der Polizei der Weimarer Republik kennenzulernen. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der preußischen Polizei, mit einem Blick auf die Gebiete des heutigen Niedersachsens. Ausgewählte Originale aus der Museumssammlung ermöglichen eine spannende Zeitreise. Es handelt sich um die fünfte und bisher aufwändigste Wanderausstellung des Polizeimuseums Niedersachsen.

Vom 8. September bis zum 14. Dezember wird die Ausstellung in der Gedenkstätte Esterwegen zu sehen sein. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten der Gedenkstätte besichtigt werden (dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, ab 1. November von 10 bis 17 Uhr). Anmeldungen für Führungen sind unter der Telefonnummer 05955/988950 oder per E-Mail unter info@gedenkstaette-esterwegen.de möglich. Die Beamtinnen und Beamten der Polizeiinspektion werden durch die Ausstellung führen.

Zudem findet an jedem zweiten Sonntag im Monat ein offener Museumstag statt. Somit sind am 10. September, 8. Oktober, 12. November und 10. Dezember jeweils ab 15 Uhr offene Führungen ohne vorherige Anmeldung vorgesehen. Weitere Informationen unter www.polizeigeschichte-niedersachsen.de. [Landkreis Emsland]

Schutz für Olga und Yurii

Während die ukrainische Regierung den Geschäftsführer der ukrainischen pazifistischen Bewegung, Yurii Sheliazhenko offiziell des “Verbrechens” der “Rechtfertigung der russischen Aggression” angeklagt hat, erklärte die litauische Regierung die dort im Exil lebende Leiterin der belarussischen Initiative “Unser Haus“, Olga Karatch zur “unerwünschten Person”.

Die Initiative “Unser Haus” setzt sich konsequent für die Einhaltung der Menschenrechte und das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes ein. Die Organistion unterstützt belarussische Kriegsdienstverweigerer aktiv bei der Durchsetzung ihres Rechtes. Für ihre Tätigkeit sind sowohl Olga als auch Yurii für den Friedensnobelpreis nominiert.

Bei "Grüne Alternative" gibt es weitere Informationen zu den beiden; auf Change.org werden Unterschriften zur Unterstützung der beiden FriedenskämpferInnen gesammelt.

In der Petition werden die Mitglieder des Bundesparlamentes und besonders der Regierungskoalition aufgefordert

sich solidarisch mit Olga Karatch, Leiterin der belarussischen Initiative `Unser Haus´, welche derzeit im litauischen Exil lebt und von der litauischen Regierung zur unerwünschten Person erklärt wurde, und

  … sich solidarisch mit Yurii Sheliazhenko, den Geschäftsführer der
ukrainischen pazifistischen Bewegung, welcher von der ukrainischen Regierung formell des Verbrechens der “Rechtfertigung der russischen Aggression” angeklagt wurde,

zu erklären und seinen Schutz einzufordern. [jdm]

Wie lange musst du noch?

Ulrich Scholz

Eine Ursache für die scheinbare Lethargie in der Bevölkerung gegenüber der Russlandpolitik der Bundesregierung sieht Ulrich Scholz in Bildungslosigkeit. Man ist so beschäftigt, Bedürfnisse und Pflichten der materiellen Welt zu bedienen, dass die geistige Auseinandersetzung mit den Problemen der Welt und vor allem mit sich selbst auf der Strecke bleiben. Man ist Zweck getrieben und fragt nicht nach Ursachen und Zusammenhängen. Diese einseitige Ausrichtung führt irgendwann zu Lebensfrust, der sich im Alter in der verzweifelten Frage äußert: Wie lange musst Du noch. 

Der Artikel beleuchtet die Ursachen und will einen Weg aufzeigen, wie  man gerade älteren Menschen helfen kann, aus dem Frust eines materiell orientierten Berufslebens zu einer Balance finden kann, die sie ihren Lebensabend genießen lässt. Mehr im neuen Blog-Beitrag von Ulrich Scholz. [jdm]

You never walk alone: Androide Nr. 2

Wir haben am 17. Juli über ein absurdes Interview des Geschäftsführers der SPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Philipp da Cunha, berichtet. Da Cunha hatte wie ein Automat immer wieder dasselbe geplappert ohne auf die Fragen des Interviewers einzugehen.

Da Cunha ist nicht allein. Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, sollte im Deutschlandfunk-Interview die Frage von Moderator May nach dem Kabinetts-Veto der Familienministerin beantworten: "Was sollte das mit dem Veto?" Das wollte Audretsch zwar nicht beantworten, aber wohl mal vom Radio interviewt werden.

In vollkommener Missachtung des Interviewers und der Zuhörer spulte Audretsch seine Worthülsen ab, ohne dass ein Anflug von Scham hörbar wurde. Da es sich um ein Radio-Interview handelt, fehlt leider das vermutlich unbewegte Gesicht, dass beim Da Cunha-Interview das i-Tüpfelchen war. Hören Sie einfach mal in das Interview rein - wenn Sie es ertragen können. [jdm]

Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden

Appell von Gewerkschaftern an Verdi: Sag Nein

Nachdem der DGB-Bundeskongress 2022 auf Betreiben des DGB-Bundesvorstandes und unter Bruch der Satzungen und Beschlüsse das „Ja zu Waffenlieferungen“ beschlossen hat, soll dies jetzt auf Initiative des ver.di-Vorstandes, unterstützt durch den Gewerkschaftsrat auch auf dem ver.di-Bundeskongress nachvollzogen werden: Ja zu einer Kriegslogik, die unter dem Deckmantel eines sogenannten „umfassenden Sicherheitsbegriffs“ ausdrücklich „militärische Sicherheit“, indirekt „Auf- und Hochrüstung“ und Kriegseinsätze auch deutscher Soldat:innen befürwortet.

Das ist nach Ansicht vieler Gewerkschaftsmitglieder der finale Kniefall vor militaristischer Logik und das genaue Gegenteil von der elementaren gewerkschaftlichen Grundüberzeugung: "Uns eint die Ablehnung eines Denkens in militärischen Kategorien."

In einem Appell von Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von ver.di, IG Metall und anderen DGB-Einzelgewerkschaften, wenden sie sich an die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses:

Sagt Nein! Hebt Eure Hand nicht für einen erneuten Schulterschluss der Gewerkschaften mit dem deutschen Kriegskurs! Sagt Nein! zum Leitantrag für den ver.di-Bundeskongress.

Der ganze Appell ist auf Change.org zu lesen und kann dort per Unterschrift online unterstützt werden. [jdm]

90 Jahre „Lied der Moorsoldaten“ – Konzert am 27. August 2023

Kein anderes Lied aus den Konzentrationslagern des Naziregimes hat solch eine Verbreitung gefunden wie das »Lied der Moorsoldaten«. Am 27. August 2023 ist es genau 90 Jahre her, dass es im KZ Börgermoor seine Uraufführung erlebte. Das Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager e.V. (DIZ) nimmt das Datum zum Anlass, um in Papenburg mit einem Konzertabend an diesen besonderen Augenblick aus der Frühzeit der Konzentrationslager zu erinnern, damit zugleich auch an viele andere Lieder, die von Häftlingen in NS-Lagern und Gefängnissen angesichts täglicher Demütigungen, in Verhältnissen von Angst, Gewalt und Tod geschrieben und gesungen wurden.

 »Grenzgänger« ein Ensemble aus Bremen

Eingeladen hat der Verein mit den »Grenzgängern« aus Bremen ein Ensemble, das sich schon sehr lange mit diesen Liedern auseinandersetzt. 2015 veröffentlichte es unter dem Titel »Und weil der Mensch ein Mensch ist« eine eigene CD zum Thema. Die Lieder dieses viel gelobten Albums stehen im Mittelpunkt des Konzertabends. Von den »Moorsoldaten« über das »Buchenwaldlied« bis zum »Auschwitzlied« wird an eine Liedkultur, an Menschen und Widerstandsgeschichten erinnert, die »unsere Kinder kennen sollten«, so Sänger, Gitarrist und »Kopf« des Ensembles Michael Zachcial. Mit ihm in Papenburg dabei sind Annette Rettich (Cello), Felix Kroll (Akkordeon) und Jan-Olaf Rodt (Gitarre).

Die Karten für das Konzert am 27. August 2023 um 20 Uhr im Theater im Forum Alte Werft, Papenburg, das in Kooperation mit »Papenburg Kultur« stattfindet, zudem vom Rotary Club Papenburg unterstützt wird, kosten 15 Euro (ermäßigt 11 Euro) und können auf der Website der Stadt Papenburg oder per E-Mail beim DIZ bestellt werden:  mail@diz-emslandlager.de. [PM DIZ/Foto: Die Grenzgänger]

NOZ-Lokalredaktionen wollen nur noch „Geschichten“

Die Lokalzeitungen der NOZ, also auch die Ems-Zeitung, fahren seit einiger Zeit ein neues Konzept, in dem sie sich von einer klassischen Lokalberichterstattung verabschieden. Es begann mit der Einstellung einer eigenständigen Kulturberichterstattung über Kulturelles aus dem Emsland. Das mag der eine oder andere Nichttheatergänger verschmerzt haben.

Dann folgte die Einstellung der Berichterstattung über Vereine. Auch da mag der ein oder andere es nicht vermisst haben, über die Generalversammlung des Schützenvereins am anderen Ende des Verkaufsgebietes nicht unterrichtet zu sein. Aber über die Vereine im eigenen Ort hätte man schon gern etwas erfahren.

Und von Gemeinderatssitzungen wird auch nicht mehr berichtet. Und damit kommen wir schon in einen Bereich, den man gemeinhin schon als Teil der Öffentlichkeit betrachtet, an dem allgemeines Interesse besteht.

Jetzt hat sich der Vorsitzende des Niedersächsischen Leichtathletikverbandes (NLV) Kreis Emsland e.V., Simon Hardt, in einer E-Mail an die Mitgliedsvereine gewandt. In seinem Brief heißt es: "Einige von euch haben sicherlich bemerkt, dass es von den letzten beiden Deutschen Meisterschaften keinen Zeitungsbericht mehr gegeben hat. Das liegt daran, dass sich die Redaktion der NOZ dazu entschieden hat, zukünftig keine Ergebnisberichterstattung von Wettkämpfen mehr zu veröffentlichen. Die von unserem Presseteam verfassten Artikel wurden daher nicht mehr veröffentlicht."

Das Gleiche erleben auch die anderen Sport-Fachverbände. Über den Breiten-Amateurfußball wird nicht mehr berichtet. Berichte gibt es nur über den SV Meppen und den SC Spelle-Venhaus. In allen lokalen Themenbereichen berichten die NOZ-Ableger nur noch, wenn es sich um ein „besonderes“ Event oder um eine „besondere“ Geschichte handelt.

Simon Hardt dazu: "Unter „besonders“ ist nach meinem Verständnis Boulevardpresse zu verstehen." Hardt hatte die Vereine aufgefordert, sich an die Lokalredaktionen zu wenden, um eine Wiederaufnahme der Berichterstattung zu erreichen. Der Chefredakteur der NOZ antwortete denjenigen, dass "wir künftig keine Inhalte mehr anbieten, die ohnehin schon auf vielen anderen digitalen Kanälen auf dem Markt sind. Konkret bedeutet das, dass wir nicht mehr mit Vorschauen und Spielberichten aus verschiedenen Fußball-Ligen berichten." Zugleich wurde das Online-Portal “Wir von hier” entwickelt, das in Kürze an den Start gehe. Es sei auf noz.de eingebunden, die Vereine profitierten also von der Reichweite der NOZ. Auf “Wir von hier” könnten Sportvereine ihre Inhalte selbst hochladen und eigene Schwerpunkte setzen.

Wie sich die NOZ die Zusammenarbeit mit den Vereinen vorstellt, zeigt die "Vereinbarung" mit dem Kreisfußballverband. Auf der Homepage des NFV Emsland schreibt Friedhelm Forbriger: "Es sollen in Zukunft in regelmäßigen Abständen „Geschichten aus dem emsländischen Fußball“ abgedruckt werden. Dazu ist es allerdings notwendig, dass aus unseren 120 Vereinen „besondere Stories“ geliefert werden, sei es über Personen, die etwas Außergewöhnliches geschafft haben (ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus allen Bereichen des Vereinslebens), sei es über herausragende Aktionen oder Aktivitäten oder aber auch über Persönlichkeiten, ohne deren Einsatz ein gut funktionierendes Vereinsleben kaum denkbar wäre."

Für Simon Hardt ist dass nicht die Aufgabe einer Zeitung. "Letztlich hat die Presse den gesellschaftlichen Auftrag, vollumfänglich und breit zu berichten." Simon Hardt erläuterte im Gespräch mit Hallo-Wippingen, dass ein Portal, in dem jeder Verein selbst berichtet, keineswegs die Aufgabe einer Zeitung, neutral - im Sinne von nicht selbst betroffen - über Entwicklungen zu berichten oder verschiedene Ereignisse in ein Verhältnis zu setzen, ersetzen kann.

Er glaube, dass sich die Strategie der NOZ auch wirtschaftlich nicht rechne. Irgendwann wolle keiner mehr die Geschichten lesen, dass die Tante von X vor 50 Jahren auch schon Meisterin wurde und dergleichen. Die Zeitung helfe einem nicht mehr, das Riesenangebot an Einzelinformationen zu sortieren. Diese originäre Aufgabe einer Zeitung müsse der Leser jetzt selbst in den sozialen Medien leisten. Dann könne er auch ohne Probleme die Lokalzeitung abbestellen, weil sie ihm keinen Nutzen mehr bringe.

Hardt hofft, dass die Interventionen der Sportfachverbände die NOZ-Chefredaktion von dem betretenen Irrweg zumindest teilweise abbringen können - im Interesse des Sports, der Leserschaft und auch der Zeitung selbst. [jdm]

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für Diplomatie und Deeskalation

Homepage Aufruf Mehr Diplomatie Wagen

Über 1000 SPD-Mitglieder haben mittlerweile einen Aufruf "Mehr Diplomatie wagen" unterstützt, sich aus Solidarität mit den Menschen in der Ukraine für eine zügige Beendigung aller Kriegshandlungen einzusetzen. Der Aufruf, der sich an niemanden speziell richtet, scheint eine Art Selbstverpflichtung von Sozialdemokraten zu sein, vor allem in der eigenen Partei für eine Kehrtwende in der Politik der Bundesrepublik einzutreten.

In dem Aufruf heißt es, seit dem völkerrechtswidrigen Angriff der russischen Armee auf die Ukraine seien hunderttausende Menschen getötet worden. 2020 hatte die Ukraine rund 45 Millionen Einwohner; sie war bereits das zweitärmste Land Europas. Mehr als ein Drittel der Menschen sind nun auf der Flucht. Die zivile Infrastruktur wird zerstört. Die Fortsetzung des Krieges ist Fortsetzung dieser Unmenschlichkeit, einschließlich Verminung, Vergiftung der Umwelt und Traumatisierung der Menschen. Die russische Regierung muss ihren Angriffskrieg stoppen und ihre Soldaten zurückziehen.

Politik und Gesellschaft seien gefordert, Deeskalation zu ermöglichen und Verständigung für einen Waffenstillstand und Frieden zu fördern. Der Wille zu ziviler Konfliktlösung und Frieden bilde die Haltung, mit der die Unterbrechung und Überwindung von Gewalt gelingen könne.

Die Aufrufer lehnen die Lieferung von Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen, Mittelstreckenraketen und weiteren Kampfpanzern ab. Sie würde den Auszehrungskrieg in der Ukraine verschärfen. Aufrüstung wecke bei allen Kriegsparteien zerstörerische Erwartungen, zu „siegen“ und den menschlichen Preis dafür zu ignorieren. Hingegen sei notwendig, die Ausweitung des Krieges auf andere Länder und eine nukleare Eskalation auszuschließen sowie einen baldigen Waffenstillstand zu erwirken.

Unter den 60 Erstunterzeichnern finden sich viele ehemalige Landtags- und Bundestagsabgeordnete der Partei, sowie in der Friedensbewegung aktive SozialdemokratInnen. [jdm]

Kriegsbegeisterung nur begrenzt vorhanden

Die Staaten des Globalen Südens fordern ein Ende des europäischen Krieges in der Ukraine, weil auch sie unter den Folgen des Krieges leiden. Außerdem finden sie es nicht nachvollziehbar, dass sie sich zum Ukrainekrieg positionieren sollen, aber der Westen sich um die an Toten viel reicheren Kriege im Süden nicht schert, sondern auch diese Kriege mit Waffen füttert. Im saudischen Dschidda laufen derzeit Friedensgespräche an denen Sicherheitsberater und Diplomaten aus der Ukraine, den G-7-Staaten und zahlreichen Ländern des globalen Südens wie Indien, Südafrika, Brasilien, China und anderen Staaten teilnehmen.

Die westlichen Staaten nutzen das Treffen in erster Linie, um für ihre kompromisslose Kriegsstrategie zu werben und dies als Friedensplan zu verkaufen. Dieses Vorgehen Europas und Amerikas gegen Russland wird vom Süden allerdings skeptisch aufgenommen.

In den USA zeigt sich in der Haltung zum Ukrainekrieg eine ähnlich seltsame Konstellaton wie in Europa. Die Anhänger der zumeist rechten Republikaner sind mit 71 Prozent mehrheitlich gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, die neoliberalen Demokraten dagegen mehrheitlich dafür, dass zusätzliche Mittel bewilligt werden sollten (62 Prozent). Mehr als die Hälfte der befragten US-Amerikaner (51 Prozent) gab an, die USA hätten bereits genug für die Ukraine getan. Und rund 55 Prozent sind überzeugt, dass der US-Kongress keine zusätzlichen Mittel für die Ukraine bewilligen sollte. (Quelle)

In Deutschland punktet die halbfaschistische AFD damit, dass sie sich gegen die Anheizung des Krieges wendet, während die ehemals pazifistische Partei der Grünen und die ehemalige Arbeiterpartei SPD sich zu Bellizisten gewandelt haben. Und bei der FDP, die früher mal darauf geachtet hat, was für die Industrie am vorteilhaftesten ist, hat sich eine blinde Rüstungslobby als alleinbestimmend durchgesetzt.

Über die vielen Toten sowohl auf ukrainischer Seite, als auch auf russischer Seite erfährt man nichts. Über den Widerstand gegen den Krieg in der Ukraine und in Russland ebenfalls nichts. Unsere Zeitungen verbreiten gelegentlich Zahlen von russischen Verlusten und berichten über Kriegsgegnerschaft in Russland, aber nur um die Kriegsheldengeschichten über die Ukraine heller leuchten zu lassen, Dabei lassen Berichte über Korruption in beiden Ländern im Zusammenhang mit der Rekrutierung von neuen Soldaten erkennen, dass weder dort noch da der Heldentod als wünschenwert betrachtet wird.

Auch in Deutschland hat die Bundeswehr Probleme, genügend zukünftiges Kanonenfutter zu rekrutieren. Dass die Bundeswehr kein großes Gaming-Event ist, sondern die Vorbereitung aufs Töten und Getötetwerden, setzt sich langsam als Erkenntnis durch. Laut "Augen geradeaus" hat sich der Rückgang des militärischen Personals der Bundeswehr seit Beginn des Jahres auch im Juni fortgesetzt. Die Streitkräfte schrumpften im Vergleich zum Mai um rund 800 aktive Soldatinnen und Soldaten auf 180.770, den niedrigsten Stand seit Oktober 2018. [jdm]

Im Niger: Der Westen droht mit Krieg und sanktioniert

Im Niger gab es einen Militärputsch gegen die Regierung. Ein großer Teil der dortigen Bevölkerung unterstützt den Putsch, weil sie von der letzten Regierung die Nase voll hatte. Diese hatte westliche Militärs ins Land geholt, um der Bedrohung durch den Islamischen Staat etwas entgegen zu setzen. Genützt hat das nichts gegen den IS, aber die französischen und deutschen Militärs haben die Regierung gestützt, die die Oppositionsbewegung M62, die sich gegen die Erhöhung des Dieselpreises richtete, verboten und den Vorsitzenden in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt hat.

Frankreichs Interesse am Niger besteht in der Ausbeutung der Uran- und Goldvorkommen im Niger. Daran ist das Land nämlich reich, aber trotzdem steht der Niger auf dem Entwicklungs-Index auf Platz 189 von 191 erfassten Staaten (siehe auch Feature von Sonneborn auf Telepolis).

Um diese Rohstoffvorkommen zu schützen – pardon – um die Demokratie zu schützen, drohen die westlichen Staaten Frankreich, USA und die EU direkt und indirekt mit einem militärischen Eingreifen. Und sie schicken das westafrikanische Staatenbündnis ECOWAS, das sich als Nachfolgeorganisation des französischen Kolonialreichs in Westafrika gegründet hat, mit einer Kriegsdrohung gegen Niger vor. Aber deren Mitglieder Burkina Faso und Mali, wo erst vor kurzem Putsche stattgefunden haben, um die Franzosen aus dem Land zu werfen, haben erklärt, einen Angriff auf den Niger würden sie als Angriff gegen sich selbst betrachten. Und auch Guinea, sowie Algerien, haben mitgeteilt, dass sie bei einem Angriff auf den Niger nicht untätig bleiben würden.

Die westlichen Staaten und ihr afrikanischer Vertreter Nigeria haben Sanktionen gegen das bitterarme Land beschlossen.

Der Westen macht also das, was er kann: drohen und sanktionieren und demnächst schießen (lassen). Was der Westen nicht kann, ist überlegen, welche Rolle die koloniale und nachkoloniale Ausbeutung des Landes durch den Westen spielt.

Der Westen hat den Nahen Osten durch diverse Kriege zu einer Katastrophenregion gemacht. Er hat den Ukrainekrieg zwar nicht begonnen, aber durch die Nato-Ausdehnungspolitik provoziert. Er verhindert einen Waffenstillstand oder eine Friedenslösung, indem er der Ukraine nur militärische Unterstützung gibt, aber die Suche nach einer Friedenlösung verhindert.

Und jetzt ist der Westen dabei eine neue Kriegsregion zu schaffen. Selbstverständlich zur Verteidigung der Demokratie.

Und der Westen verschärft täglich das Verhältnis zu China; durch immer neue Sanktionen, durch immer neue militärische Anlagen in unmittelbarer Nähe, durch immer mehr Waffenlieferungen, durch Militärschiffe vor den Küsten Chinas, bis hin zum Abbruch der Kulturbeziehungen durch Verbot von chinesischen Kulturinstituten in Europa, oder wie an der Universität Erlangen-Nürnberg, durch die Weigerung, chinesische Doktoranden an der Uni aufzunehmen.

Beim Afrika-Russland-Gipfel in der vergangenen Woche waren 49 von 54 Staaten vertreten. Es wurde eine Abschlusserklärung beschlossen (Original auf der Kreml-Seite), die eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Russland und den afrikanischen Staaten vorsieht. Auffällig sind die mehrfache Betonung der Ablehnung einer unipolaren Weltordnung und der Notwendigkeit, die internationalen Organisationen entsprechend zu reformieren. Die Absage an neokoloniale Wirtschaftsbeziehungen wird verbunden mit der Aussage, solidarisch für die Beseitigung konfrontativer Praktiken in internationalen Angelegenheiten einzutreten, sich der Diskreditierung einzelner Staaten aus politischen Gründen und der Verhängung politischer oder wirtschaftlicher restriktiver Maßnahmen unter dem Vorwand der Menschenrechte zu widersetzen und den Versuchen einzelner Staaten entgegenzutreten, unbegründete Anschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen als Vorwand zu benutzen, um sich in interne Angelegenheiten einzumischen.

Die Wirtschaftsbeziehungen Russlands mit Afrika sind - bis auf den Getreidesektor - noch gering und was umgesetzt wird, ist natürlich fraglich. Bedeutsam ist, dass in dieser Abschlusserklärung genau die Praktiken des Westens kritisiert werden, die er gerade im Niger wieder einsetzt.

Wenn die westlichen Politiker es nicht begreifen, werden es die Menschen in Europa begreifen müssen, wenn der Westen deindustrialisiert und isoliert dahin kümmert oder wenn der Krieg als Atomkrieg direkt nach Westeuropa zurückkommt. [jdm]

Schuldenstand der Gemeinden in der SG Dörpen 2022

Schulden der Gemeinden in der SG Dörpen 2022

Die Ems-Zeitung verglich am letzten Donnerstag die Schulden der Samtgemeinden und Städte im Emsland miteinander. Die Samtgemeinde Dörpen liegt dabei mit einer Pro-Kopf-Verschuldung (SG + alle Gemeinden) in Höhe von 978,07 € im oberen Bereich, wenn man von dem Ausreißer Werlte (1825,70 €) einmal absieht.

Wenn man sich die Zahlen der einzelnen Mitgliedsgemeinden in der Samtgemeinde Dörpen anschaut (Stand 31.12.2022, Landesamt für Statistik Niedersachsen) fallen vor allem Dörpen und Wippingen mit der höchsten Pro-Kopfverschuldung auf.

Bei der letzten Haushaltsberatung im Wippinger Gemeinderat hieß es, da die Schulden vor allem verwendet wurden, um Grundstücke zu kaufen, sei diese Verschuldung verkraftbar. Eine Gemeinde muss sich vorausschauend Grundstücke sichern, um handlungsfähig zu sein, wenn Baugebiete oder Gewerbegebiete bzw. Industriegebiete ausgewiesen werden müssen. Es werden auch Werte erworben, die eine Sicherheit für die dafür benötigten Kredite darstellen.

Die Gemeinde Dörpen gab im letzten Jahr 2.670.000 € und in diesem Jahr immerhin noch 460.000 € für Grundstücksankäufe aus. Die Dörpener Verschuldung ist ebenfalls zu einem großen Teil dem Grundstückankauf geschuldet. Hier könnte die Frage lauten, ob das verhältnismäßig ist und ob diese großen Investitionen getätigt wurden, um den Traum von dem großen Investor (Kohlekraftwerk, Tesla) zu füttern, der Dörpen angesichts der immer weiter sinkenden Steuereinnahmen durch Nordland Papier wieder zum früheren Zustand mit sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen zurückführt.

Wegen der auch in Dörpen herrschenden Wohnungsknappheit, wären ja auch andere Investitionen, wie z. B. in eine Wohnungsbaugesellschaft denkbar. Der Landkreis hatte 2021 ein Wohnraum-Versorgungskonzept für Kommunen erstellen lassen, dass auch für Dörpen eine Orientierung für die künftige Wohnungsmarktentwicklung geben kann (PDF). [jdm]

Absurdes Interview entlarvt aktuelles Demokratieverständnis

Weil der NDR-Reporter wissen wollte, ob bei der Anmietung eines Hotels, an dem die SPD-Vize-Fraktionschefin Christine Klingohr beteiligt ist, für eine Fraktionstagung alles richtig gelaufen ist, fragte er den SPD-Fraktionsgeschäftsführer Philipp da Cunha, wieviel für die Anmietung bezahlt werden musste.

Das war eine echte Frage und unsere derzeitigen Politiker haben in ihren Schulungen gelernt, wie man unliebsame Fragen nicht beantwortet. Und schaut man sich den Beitrag auf NDR an, hat da Cunha mit seiner Methode der Nichtbeantwortung auch fast Erfolg. Denn im Beitrag wird das Interview mit ihm nur gekürzt und geschnitten gezeigt.

Die längere Original-Fassung wurde aber auch veröffentlicht. Und da Cunha spult seine Sätze, die die Frage nicht beantworten, wie eine kaputte Platte immer wieder von vorne ab. Zehnmal antwortet der Androide völlig schmerzfrei dasselbe und wenn der Reporter die Befragung nicht abgebrochen hätte, hätte das dem Gesichtsausdruck des Politikers zufolge noch stundenlang so weiter gehen können.

Die Methode am Thema vorbei zu reden und Einwände und Fakten einfach zu ignorieren, ist praktisch bei Politikerinterviews Standard. Diese arrogante Form der Beharrung und Diskussionsverweigerung zeigt eine vollkommene Missachtung der Bürger. Es wird eine öffentliche Verhandlung von öffentlichen Angelegenheiten vorgespielt. Und auch die Gegenseite verharrt nur auf irgendwelchen Positionen, die die eigene Bedeutung erhöhen sollen und den Gegner diskreditieren sollen, aber um eine echte Aufklärung dadurch, dass Dinge in Zusammenhänge gebracht werden und benannt werden, geht es nie. Bundeskanzler Scholz ist bei seinen Statements nur ein besserer Schauspieler als da Cunha. Aber die Methode ist die Gleiche. Eine demokratische Kultur ist das nicht. [jdm]

Papst empfing Familie von Julian Assange in einer Privataudienz

Am späten Vormittag des 30. Juni 2023 gewährte Papst Franziskus der Anwältin und Ehefrau von Julian Assange, Stella Morris, in Begleitung ihrer Söhne Gabriel und Max eine Privataudienz. Zuvor hatte der Papst ihnen eine schriftliche Botschaft der Unterstützung geschickt. Das berichtete auch der österreichische ORF.

Ein moralischer Appell des Papstes könnte entscheidend sein. Schließlich war der Friedensnobelpreisträger Pérez Esquivel (ein enger Freund des Papstes) einer der ersten, der sich für den von den Mächtigen bedrängten Journalisten einsetzte und der zum Bezugspunkt für das Komitee „Meine Stimme für Assange“ wurde. Diese Initiative wurde in der Zentrale des Nationalen Presseverbandes Italiens ins Leben gerufen und von diesem, zusammen mit der italienischen Nationalen Journalistenkammer, anhand Hunderter von Beiträgen und Zeugnisvideos übernommen und weitergeführt. Das Treffen im Vatikan markiert vielleicht den Beginn einer neuen Phase. [Pressenza/jdm]

Assanges 5 Geburtstag hinter Gittern

Assange Video 07/2023

Heute hat Julian Assange seinen 52. Geburtstag. Es ist sein 5. Geburtstag im Belmarsh-Gefängnis. Er wird dort willkürlich inhaftiert und von seinen Angehörigen getrennt.

Assange hatte auf der Plattform Wikileaks von Militärangehörigen zugespieltes internes Material der USA über ihre Kriegsverbrechen im Irak veröffentlicht. Zusammen mit der britischen Justiz wollen die USA solche aufklärerische journalistische Arbeit durch Einschüchterung der Journalisten unmöglich machen. Assange wird deshalb mit einer Auslieferung an die USA bedroht, wo ihm bis zu 192 Jahre Gefängnis für seine angebliche Spionage drohen.

Unterstützer haben ein Video zusammengestellt, das einige öffentliche Aktionen für die Freilassung von Assange zeigt und als Geburtstagsgruß an Asasange gedacht ist. [jdm]

Europäische „Friedensfonds“ und echte Friedeninitiativen aus dem Süden

"Der europäische Friedensfonds, der einen Großteil der Rüstungshilfe - auch für andere Partnerländer - finanziert, wird um 3,5 Milliarden Euro aufgestockt." Das hat die Tagesschau berichtet. Haben sich schon alle an den Neusprech gewöhnt, demzufolge ein Fonds zur Anschaffung von Waffen, um einen laufenden Krieg anzuheizen, als "Friedensfonds" firmiert?

Die EU-Außenminister konnten in Luxemburg analysieren, dass die russische Regierung mit Putin durch die Auseinandersetzung um die Wagner-Truppe geschwächt ist. Aber egal, was sie beraten, das Ergebnis ist immer gleich: Mehr Waffen für die Ukraine und mehr Truppen an den Grenzen zu Russland. Vermutlich alles Friedenstruppen. Dabei sollte gerade die Gefahr, dass Putins Regierung durch noch reaktionärere nationalistische Kräfte bedrängt wird, die Alarmglocken schrillen lassen. Denn jeder weitere Verlust von Realismus auf allen Seiten erhöht die Gefahr einer Ausweitung des Krieges bis zu einem Atomkrieg. Dabei zeigt doch gerade die gescheiterte Offensive der Ukraine, dass dieser Krieg militärisch nicht beendet werden kann - und Russland den Krieg nicht gewinnen kann.

Die Friedensinitiative von Staats- und Regierungschefs aus dem Senegal, Ägypten, Sambia, Uganda, der Republik Kongo, den Komoren und Südafrika wurde von der westlichen Welt eher als unwichtig behandelt. Die Vertreter dieser Länder wurden eher aufgefordert, Russland zu verurteilen. Auch die Aufrufe aus China, Indien, Brasilien und Südafrika (BRICS-Staaten) für die Aufnahme von Friedensverhandlungen wurden von den Nato-Staaten mit Versuchen, diese Länder auf die Nato-Linie zu bringen, beantwortet.

Die Verhandlungen der BRICS-Staaten mit den Nato-Ländern und der Ukraine in Kopenhagen zeigen, dass die BRICS- Staaten an ihrem Vorhaben, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden, festhalten. Dass ultimative Forderungen der Ukraine dort erstmal nicht weiterführten, zeigt noch kein Scheitern dieser Bemühungen. Diese aufstrebenden Wirtschaftsmächte sind nicht an einer Störung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen interessiert. Ihre Wirtschaftsmacht ist der der USA und Westeuropas nicht nur ebenbürtig, sondern übersteigt die der absteigenden alten Mächte. Und sie wollen ihre Geschäfte und ihre Entwicklung nicht durch die Wadlbeißer aus dem Norden, die nur noch durch ihre militärische Macht punkten können, stören lassen.

Außenministerin Baerbock macht sich derweil wieder auf eine Reise in den Süden. So wie sie zuletzt bei ihrer Reise in Brasilien von der dortigen Regierung mit vollkommener Missachtung behandelt wurde, wird jetzt in Südafrika auch kein Treffen mit dem Präsidenten Cyril Ramaphosa zustande kommen. Die Regierung Südafrikas ist nicht wirklich an Baerbocks antiquierten Vorstellungen interessiert, demzufolge die Werte der westlichen Minderheit der Maßstab für die Mehrheit der Welt sein sollen. [jdm]

Gedenkstätte Esterwegen: „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“

Gedenkstätte Esterwegen: Jüdische Spüortstars, Ausstellung 06/2023

In einer großformatigen skulpturalen Präsentation würdigt die Freiluft-Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“ den großen Verdienst jüdischer Sportlerinnen und Sportler für die Entwicklung des modernen Sports in Deutschland und dokumentiert anhand ausgewählter Porträts deren Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus.

Im Mittelpunkt der Ausstellung, die vom 2. Juli bis 6. August auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrations- und Strafgefangenenlagers Esterwegen gezeigt wird, stehen 17 herausragende deutsch-jüdische Sportpersönlichkeiten, die als Nationalspieler, Welt-und Europameister, Olympiasieger und Rekordhalter zu den gefeierten Idolen ihrer Zeit zählten. Mit überlebensgroßen Silhouetten wird an ihr Leben und ihre Erfolge erinnert.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 2. Juli, in der Gedenkstätte Esterwegen, Hinterm Busch 1, in Esterwegen um 15 Uhr eröffnet. Prof. Dr. Lorenz Peiffer (Hannover) und Dr. Hermann Queckenstedt (Osnabrück) führen in das Thema ein. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen, teilzunehmen. Weitere Informationen unter: https://www.juedische-sportstars.de [Landkreis Emsland]

Verflochtene Geschichten: Stepan Bandera, der ukrainische Nationalismus und der transnationale Faschismus

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat über den derzeit in der Ukraine verherrlichten Stepan Bandera, einen wichtigen Akteur des ukrainischen Nationalismus und Faschismus, einen differenzierten Artikel des Historikers Grzegorz Rossoliński-Liebe veröffentlicht.

Nach dem Lesen dieses Artikels versteht man, warum Banderas Bewunderer vor allem in der Westukraine zu finden sind und wie es zu dem Missverständnis gekommen ist, dass auch ukrainische Demokraten oder deutsche Politiker den ukrainischen Faschistengruß ""Ehre der Ukraine! – Ehre den Helden!" ohne Scham (und Verstand) benutzen. [jdm]

Vor neunzig Jahren: DIZ Emslandlager erinnert an den ersten Transport in das KZ Börgermoor

Am 22. Juni 1933 erreichte der erste Transport mit neunzig Schutzhäftlingen das im Aufbau befindliche KZ Börgermoor. Daran erinnert das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager mit zwei Veröffentlichungen.

Broschüre Hanns Kralik

Druckfrisch liegt die erste Ausgabe der neuen Reihe „Porträts. Häftlinge und Gefangene der Emslandlager“ vor. Sie ist Hanns Kralik gewidmet, einem politischen Künstler, der wegen seiner Arbeit für die KPD im März 1933 verhaftet wurde und von Juli 1933 bis Januar 1934 im KZ Börgermoor inhaftiert war. Mit der Reihe sollen in regelmäßiger Folge einzelne Häftlinge und Gefangene sowie ihre in der Sammlung des DIZ und darüber hinaus überlieferte Selbstzeugnisse gewürdigt werden.

Screenshot Augenszeugenbericht Sally Silbermann

Zudem startet das DIZ einen Blog unter dem Titel „Ankunft“. Darin werden zunächst vor allem zeitgenössische Selbstzeugnisse aus der frühen Phase der Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland präsentiert. Der erste Eintrag ist dem Augenzeugenbericht des jüdischen Schutzhäftlings Sally Silbermann gewidmet. Er erschien bereits am 4. Oktober 1933 in der Exilpresse und war zugleich einer der ersten ausführlichen Berichte über die frühen Konzentrationslager. Am 11. November 1933 berichtete der „Manchester Guardian“ ausführlich auf der Basis eines Interviews mit Sally Silbermann. Der Artikel enthält die erste bekannte Veröffentlichung des „Moorsoldatenlieds“.

„Wir möchten mit diesen Veröffentlichungen“, so Prof. Dr. Habbo Knoch, der erste Vorsitzende des Aktionskomitees für ein DIZ Emslandlager e.V., „den Blick auf Zeugnisse der brutalen Gewalt und des erniedrigenden Lagerlebens lenken, die Häftlinge und Gefangene bereits während oder bald nach ihrer Lagerzeit erstellt haben.“ Schnitzereien, Zeichnungen, Briefe oder Tagebücher, oft illegal angefertigt, erlauben ebenso wie erste Berichte, Interviews und längere Darstellungen wie Wolfgang Langhoffs „Die Moorsoldaten“ einen besonders eindringlichen Einblick in die Situation der frühen Verfolgung und ihre Verarbeitung durch die Betroffenen. „Bei allem Leid, das darin dokumentiert wird, zeugen gerade die zeitgenössisch entstandenen Quellen“, so Knoch, oft von einer beeindruckenden Selbstbehauptung.“ [pm]

Assange: Seit 11 Jahren unfrei durch Kumpanei von US-Geheimdiensten mit britischer Justiz

Im Dezember letzten Jahres hat ein britisches Gericht einen Plan der konservativen Regierung für den Umgang mit Asylsuchenden gebilligt. Illegal nach Großbritannien eingereiste Migrantinnen und Migranten dürfen nach Auffassung des Richters Sir Jonathan Swift in das ostafrikanische Ruanda geschickt werden, um sie dort einen Asylantrag stellen zu lassen; das stehe im Einklang mit der Flüchtlingskonvention, entschied der High Court in London.

Derselbe Richter hat jetzt auch zwei Revisionsanträge von Julian Assange gegen eine Genehmigung der damaligen britischen Innenministerin Priti Patel zur Auslieferung von Assange in die USA abgelehnt. Für diese Entscheidung hat der Richter 9 Monate gebraucht, aber für die Begründung brauchte er gerade mal drei DIN A 4 Seiten.

Julian Assange hatte über die Plattform Wikileaks Material über die Kriegsverbrechen der USA im Irak veröffentlicht, das ihm die Whistleblowerin Chelsea Manning zugespielt hatte. Aus Rache fordert die US-Justiz die Auslieferung von Assange in die USA, um ihn dort wegen Computer-Hackings und Spionage mit bis zu 175 Jahren Freiheitsstrafe zu verurteilen. Dabei hat Assange nachweislich weder US-Computer gehackt noch Spionage betrieben, sondern als Journalist zugespieltes vertrauliches Material veröffentlicht, weil es von öffentlichem Interesse war. In einem ersten Versuch hatte man Assange sexuelles Fehlverhalten unterstellt, um ihn nach Schweden ausweisen zu können, von wo er sofort weiter in die USA abgeschoben worden wäre. Das ist gescheitert, weil die angeblichen Belastungszeugen bekannt hatten, dass sie zu den Falschaussagen gedrängt worden waren. Den USA geht es darum, kritischen Reportern in aller Welt deutlich zu machen, dass sie deren Existenz vernichten können und wollen, wenn ihnen eine Berichterstattung nicht passt.

Die Kampagnendirektorin von Reporter ohne Grenzen, Rebecca Vincent schrieb: „Es ist absurd, dass ein einzelner Richter eine dreiseitige Entscheidung erlassen kann, die Julian Assange für den Rest seines Lebens ins Gefängnis bringen und das Klima für den Journalismus auf der ganzen Welt dauerhaft beeinflussen könnte. Das historische Gewicht dessen, was als Nächstes passiert, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es ist an der Zeit, diese unerbittliche Verfolgung von Assange zu beenden und stattdessen zu handeln, um den Journalismus und die Pressefreiheit zu schützen. Unser Appell an Präsident Biden ist jetzt dringender denn je: Lassen Sie diese Anklagen fallen, stellen Sie das Verfahren gegen Assange ein und ermöglichen Sie seine Freilassung ohne weitere Verzögerung.“

Auf Change.org kann man weiterhin eine Petition zur Befreiung von Assange unterstützen. [jdm]

Kriegsdienstverweigerung aktiv unterstützen, in Russland, Weißrussland und in der Ukraine!

Zur Petion zur Kriegsdienstverweigerung im Ukrainekonflikt

Eine mehrsprachige Petition (ukrainisch, Russisch, englisch und deutsch) fordert von Politiker*innen der EU und der Bundesregierung, die Öffnung der Grenzen und den Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine.

Alle drei Staaten haben das Recht auf Kriegsdienstverweigerung stark eingeschränkt und verstoßen somit gegen internationales Recht. Männer und Frauen in Russland, Weißrussland und in der Ukraine müssten die Möglichkeit haben, den Dienst an der Waffe und somit das Töten anderer Menschen verweigern zu dürfen, ohne dafür sanktioniert zu werden.

Besonders in der von den westlichen Staaten unterstützten Ukraine, aber auch in Russland und Weißrussland erwarten wir die Umsetzung dieses Rechtes. Ebenso erwarten wir die Unterstützung der EU und Deutschland für Kriegsverweigerer aus der Ukraine, Russland und Belarus.

Mehr Infos und die Möglichkeit zur Unterstützung der Petition finden Sie auf www.change.org. [jdm]

Ideen für ein Haus der Erinnerungen

Das Aktionskomitee hat in einer Ideenskizze erste Gedanken zu dem von ihm vorgeschlagenen „Haus der Erinnerungen“ öffentlich gemacht. Dieses Haus der Erinnerungen könnte idealerweise in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen in Esterwegen realisiert werden.

Bei diesem Konzept geht es darum, einen angemessenen Umgang mit der vorhandenen Fülle der seit 1933 entstandenen Selbst- und Lebenszeugnisse zu den Häftlingen und Gefangenen der Emslandlager zu finden.

Bisher dient dieses Material vor allem dazu, einen Platz als Exponat in der Dauerausstellung zu finden. Es könnte aber noch erweitert werden und auf andere Weisen erschlossen werden.

Gedenkbuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Schniers‘ Eintrag im „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ im Gedenkraum der KZ-Gedenkstätte Dachau

Man stelle sich als Wippinger den Umgang mit dem Nachlass des in Dachau verstorbenen Heinrich Schniers vor. In Dachau erfährt man im ausgestellten „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ im Gedenkraum der KZ-Gedenkstätte Dachau die Lebensdaten des dort ermordeten Pfarrers. Aber warum die Nazis ihn dort internierten, wie er dies verkraftet hat bzw. wie es ihn zerbrochen hat oder wie sein Tod auf seine Gemeindemitglieder in Leer und auf die Menschen und Verwandten in seinem Herkunftsort Wippingen gewirkt hat, erfährt man nicht. Schniers wurde als Pfarrer nach dem Krieg sofort als Opfer der Nazis anerkannt. Aber viele überlebende KZ-Insassen wurden nach der Befreiung von der Naziherrschaft noch als Kriminelle stigmatisiert oder wurden wie im Fall der kommunistischen Gefangenen oder im Fall der homosexuellen Naziopfer weiterhin vom jetzt demokratischen Staat verfolgt.

Den Lebensweg von Schniers haben seine beiden Kirchengemeinden in Leer und Lingen schriftlich festgehalten und gelegentlich in Veranstaltungen, Flyern und Ausstellungen den Menschen nahe gebracht. Schniers ist insofern eine Ausnahme.

Für die vielen Opfer der Emslandlager könnte das Haus der Erinnerungen Ähnliches leisten und eigene Vermittlungsformen wie Wechsel- und Wanderausstellungen, Veranstaltungen, Publikationen, Bildungsmaterialien und digitale Anwendungen entwickeln.

Das Aktionskomitee stellt sich das Haus als einen lebendigen, kommunikativen Raum des entdeckenden, vertiefenden Lernens, der Begegnung und des Austauschs vor, der die Begegnung mit Überlebenden und den Angehörigen der Verfolgten ermöglicht.

Die in der Sammlung befindlichen Quellen und Objekte dokumentieren dabei auch, wie von den Verfolgten ihr Schicksal bereits von 1933 an erinnert worden ist – im Lager, im Geheimen oder im Exil (wie Wolfgang Langhoffs „Die Moorsoldaten“), gegen das Beschweigen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik (etwa mit dem ersten „Moorsoldatentreffen“ 1956) oder als Bestandteil der Arbeit des DIZ durch den intensiven Austausch mit ehemaligen Häftlingen und Gefangenen und bei zahlreichen persönlichen Begegnungen. Mit der Sammlung Volker Schröder gehört nach Angaben des Aktionskomitees neuerdings ein umfassendes Medienarchiv zahlreicher Gespräche und Besuche von Überlebenden und Angehörigen seit den 1990er Jahren zur Sammlung des DIZ. Viele künstlerische und andere Zeugnisse der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Emslandlager, die nicht von Verfolgten stammen, ergänzen die Bestände des DIZ.

Die Gedenkstätte Esterwegen ermöglicht derzeit mit der Dauerausstellung und dem Angebot an Veranstaltungen eher einen musealen Zugang zum Thema und weniger zu den Opfern selbst.

Im Konzept heißt es: Angesichts des Verlustes der Stimmen der Zeitzeugen bietet ein „Haus der Erinnerungen“, das sich die Begegnung mit den bereits seit 1933 entstandenen Selbstzeugnissen der Verfolgten zu seiner Kernaufgabe macht, eine herausragende Chance, die Erinnerung an die Verfolgten in herausgehobener und einzigartiger Weise wach zu halten und sichtbar zu machen sowie die Kontakte zu ihren Angehörigen und deren Erinnerungen zu pflegen. In einer solchen Institution würde nicht nur ihr Gedächtnis dauerhaft bewahrt, sondern Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Erinnerung in ihren politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen vermittelt, diskutiert und reflektiert werden. Das „Haus der Erinnerungen“ soll ein Ort gelebter Demokratie werden, der bewusst macht, woher sie kommt, was sie trägt und wodurch sie gefährdet wird. [jdm]