Eigentlich hatten die Wippinger mit ihrer Unterschriftenaktion schon erreicht, was notwendig war: Landrat Burgdorf hatte zugesagt, dass vom Landkreis aktive Vergrämungsmaßnahmen getroffen werden, um den Wolf von den Wohngebieten fern zu halten.
Die Kundgebung am Samstag in Wippingen mit ca. 500 Teilnehmern zeigt, dass die Erkenntnis gewachsen ist, dass solche Maßnahmen vom Staat bei Problemen mit dem Wolf ergriffen werden müssen, ohne dass Betroffene dies erst durch Protest und Zusammenschluss fordern müssen. Bürgermeister Hermann Gerdes hatte als zweiter Redner der Kundgebung ein solches angepasstes Wolfsmanagement gefordert.
- Zusammenfassungen aller Redebeiträge
- Grußbotschaft von Minister Olaf Lies
Die Veranstalter hatten noch vermieden, von einer Kundgebung gegen den Wolf zu sprechen. Matthias Everinghoff vom LSV betonte in seiner Rede zwar die Angst vor dem Wolf und warnte vor menschlichen Opfern, aber er sagte auch, niemand wolle den Wolf wieder ausrotten.
Mit dieser Zurückhaltung war es spätestens mit der Rede von Bernd Busemann, CDU-MdL, vorbei, der das Kunststück vollbrachte, sich für seine populistischen Forderungen nach Ausrottung des Wolfes als Privatmann zu geben, um dann im zweiten Teil der Rede den zupackenden Politiker zu geben, der Regelungen schaffen will, um Wölfen Gebiete zuzuweisen.
Dabei scheute er sich schon mal nicht, falsche Behauptungen aufzustellen. Er habe nichts von der Wiederansiedlung des Wolfes gehalten, sagte er. Dabei hat niemand den Wolf wieder angesiedelt. Es ist vielmehr so, dass sich ein schon lange geschütztes Tier langsam wieder in Deutschland verbreitet hat. Bernd Busemann braucht den Popanz irgendwelcher obskuren Menschen, die den Wolf „wieder angesiedelt“ hätten, weil es für einen Politiker doch zu seltsam ist, mit Reden gegen ein Tier zu kämpfen.
Mit Busemanns Rede war der Damm gebrochen. Bernd Karsten Hiebing, ebenfalls CDU-MdL, vertrat anfangs in seiner Rede die Linie, das Wolfsproblem sei so groß geworden, dass jetzt dauerhafte Maßnahmen ergriffen werden müssten, ohne den Wolf ausrotten zu wollen. Er forderte „Kompromisse“. Aber auch er brauchte zum Schluss einen Popanz, auf den er drauf hauen konnte. Und das waren dann die „Städter“, die glauben würden, der Wolf sei ein friedliches Tier. Diese würden den Kampf gegen den Wolf behindern. Das wussten wir immer schon: dort die sündige Stadt, hier das heile Dorf!
Landrat Marc-André Burgdorf, vertrat in seiner Rede eigentlich die Linie, die er auch im Gespräch mit den Wippingern bei der Unterschriftenübergabe gefahren hatte. Aber angesichts der rhetorischen Vorgaben von Busemann und Hiebing, bemühte er auch die bösen Stadtstaaten, die eine Regulierung des Wolfbestandes verhinderten. Er griff damit allerdings auf eine Schuldzuweisung zurück, die Umweltminister Olaf Lies in seiner Stellungnahme zum Kuhriss in Wippingen schon vorgenommen hatte.
Renkenberges Bürgermeister Bojers Rede war dann – nach der Beschreibung der vielen Wolfssichtungen direkt angrenzend an Renkenberges Wohnbebauung - eine einzige Aufforderung zur Ausrottung des Wolfes, und er rezensierte einen zweifelhaften Bericht aus dem 19. Jahrhundert über die Tötung von 11 Kindern durch Wölfe in den Jahren 1810 bis 1811 im holländischen Grenzgebiet.
Georg Meiners, Präsident der Vereinigung des Emsländischen Landvolkes e.V., bemühte auch die bösen Städter, deren Ideen die Bauern ausbaden müssten. Sein Vorschlag für ein aktives Wolfsmanagement hieß „Vergrämen und Erschießen“, was allerdings nichts Neues ist, weil die derzeit geltenden unbestrittenen Maßnahmemöglichkeiten diese ganze Palette abdecken.
Als SPD-Kreistagsmitglied Andrea Kötter in ihrer Rede eine Grußbotschaft von Umweltminister Lies referierte, kam, z. B. als Lies auf seine Unterstützung des emsländischen Landrats bei den jetzigen Maßnahmen hinwies, von den neben der Bühne stehenden CDU-Granden mehrfach hämisches Lachen. Ganz so, als ob es sich hier um Vertreter einer kleinen geknechteten Gruppe gehandelt hätte, dabei stellt die CDU im Bund und im Land die Landwirtschaftsminister und ist Mitglied derselben Regierung, wie der von ihnen hämisch belachte Minister.
Ferhat Asi, Stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP Emsland, gab sich in seiner Rede ganz forsch und begann mit dem Satz: „Bisher habe ich noch keinen Lösungsvorschlag von der SPD gehört.“ Dann forderte er: „Der Wolf gehört ins Jagdrecht.“ Politiker müssten Probleme lösen. Als er dann die Vorteile von FDP-Politikern gegenüber SPD-Politikern vertiefen wollte, fuhr ihm Versammlungsleiter Rudi Schlangen vom LSV in die Parade. Wahlkampfreden seien heute nicht erwünscht. Asi forderte dann Lösungsmöglichkeiten ein, weil der Wolf sich immer mehr vermehre – die Zahl der Bestandsverdoppelung innerhalb von drei Jahren war ein durchgängiges Motiv in allen Reden – und der Tag absehbar sei, wann man der Sache nicht mehr Herr werde.
Die Wippingerin Silvia Klaas beschränkte sich in ihrer Rede darauf, ihre persönliche Angst als Mutter zu äußern. Sie fragte, was ist Angst? Angst bedeute Einschränkung im täglichen Leben. Sie wohne auf einem Hof außerhalb in der Natur, die ihre Familie jetzt nicht mehr genießen könne. Sie hätten Angst, mit dem Kinder zum Weiher im Wald zu gehen, sie traue sich nicht mehr, ihre Fahrradtouren durch die Landschaft mit dem Hund zu machen. Die Wölfe hätten den natürlichen Respekt vor den Menschen verloren. Sie wolle wieder ohne Angst leben und es genießen.
Gitta Connemann, CDU-MdB, ließ kein Feindbild in ihrer Rede aus. Sie begann mit der Beschreibung des NABU-Büros neben ihrer Berliner Wohnung, wo der NABU „Geschäfte“ mit der Werbung für Wolfspatenschaften mache und den Wolf als Kuscheltier darstelle. Dann erzählte sie, dass sie Umweltministerin Svenja Schulze bei einer Veranstaltung als Wolf mit einer auf den Körper gezeichneten Zielscheibe verkleidet gesehen habe. Das sei eine Verharmlosung des Wolfes. Die Städter mit ihrer Gefühlsduselei hätten eben keine Ahnung vom wirklichen Tierleben. Die Unterschutzstellung des Wolfes sei jetzt überflüssig, weil es zu viele Wölfe gebe. Auch sie bemühte die Verdoppelung des Wolfsbestandes in drei Jahren.
Mit diesem Bild von der Verdoppelung in drei Jahren wurde die Fiktion aufgebaut, als ob es demnächst von Wölfen nur so wimmele und man dann nicht mehr aus dem Haus gehen kann, ohne auf einen Wolf zu treten. Dabei leben Wölfe in kleinen Rudeln in einem großen Gebiet. Die jungen Wölfe wandern aus, wenn das heimische Gebiet schon besetzt ist. Es kommt also nicht zu einer erhöhten Wolfspopulation an einem bereits besetzten Standort, sondern zu einer Ausbreitung des Wolfes in Gebiete, wo er bisher nicht vertreten ist. Vergrämungstechniken sind deshalb auch Erfolg versprechend, weil sie die Tiere in andere Gebiete vertreiben. Wolfsexperten halten das Abschießen von Wölfen aus demselben Grund für ineffektiv. Problemwölfe müssen erschossen werden, weil sie individuell (Krankheit, Verlust der Scheu vor dem Menschen) ein Problem darstellen, aber ihr Platz ist dann frei geworden und ein anderer Wolf wird diesen Platz einnehmen.
Connemann sprach sich gegen die von Asi geforderte Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht aus, weil die Jäger dann angefeindet würden. In Wirklichkeit dürfte dahinter stecken, dass die Aufnahme ins Jagdrecht ja den Jägern die Verantwortung für die Regulierung des Wolfsbestandes aufhalsen würde. Da ist Frau Connemann dann doch lieber dafür, diese Verantwortung bei den Naturschutzbehörden zu belassen.
Frau Connemann forderte „Keine Ideologie, objektive Zahlen“. Sie beklagte die Ignoranz der Städter; gleichzeitig schilderte sie - um die Gefährlichkeit des Wolfes zu beschreiben –Wölfe, die durch die Randgebiete der Städte streiften. Sie forderte Fairness gegenüber den ländlichen Räumen, als ob es irgendwo eine städtische Allianz gebe, die sich gegen ein notwendiges Wolfsmanagement ausgesprochen hätte.
Fazit: Der Wolf hat sich seit 2000 in Deutschland wieder verbreitet, wobei der Norden Deutschlands von der Lausitz bis zum Emsland der Schwerpunktbereich ist. Weder die Menschen, noch die staatlichen Stellen haben sich bisher darauf eingestellt. Dazu ist die Zeit zu kurz gewesen. Dieser Anpassungsprozess muss jetzt stattfinden. Dabei gibt es naturgemäß unterschiedliche Einschätzungen, auch verschiedene Herangehensweisen zwischen passivem Beobachten und pro-aktivem Erschießen. Diese Vorschläge haben alle ihre Berechtigung. Und sie brauchen etwas Zeit, um sich im richtigen Verhältnis einzupendeln und durchzusetzen.
In zehn Jahren wird es im Emsland kein „Wolfsproblem“ mehr geben, weil sich die Formen der Vergrämung durch staatliche Maßnahmen und durch Bürger bei Wolfsbegegnungen eingespielt haben. Es werden Schutzmaßnahmen bei Weidetieren selbstverständlich sein. Und der Schutz der Kinder auf dem Schulweg vor dem Straßenverkehr wird den Eltern wieder mehr Kopfzerbrechen machen, als der Wolf. Wer sich heute beklagt, er müsse sein Kind wegen des Wolfes begleiten, hat natürlich recht. Aber wer die „Kindertaxis“ bei der Schule und beim Kindergarten sieht, weiß, dass die Kinder schon seit langem die Begleitung brauchen, weil der Straßenverkehr für Kinder lebensbedrohliche Ausmaße angenommen hat. Auch hier gibt es immer wieder Versuche, die Freiräume für Kinder wieder zu gewinnen, wenn auch mit bescheidenem Erfolg.
Aber wir sollten uns bei der Auseinandersetzung bewusst machen, wann Politiker oder Interessenvertreter mit der neuen Angst vor dem Wolf nur ihr Süppchen kochen wollen und mit künstlichen Spaltungen – hier die Naturschützer, da die Eltern, hier die Dörfler, da die Städter – Zustimmung für sich selbst erzeugen wollen. [jdm]