Schattenflotte – das Wort allein macht schon Angst. Dass es sich um ganz normale Öl- und Gastanker handelt, mag man kaum glauben. Es handelt sich um Schiffe, die Waren aus Russland transportieren. Als Schatten werden sie nur vom NATO-Westen wahrgenommen, der diese Schiffe am liebsten einfach wegbeamen würde. Aber illegal ist an diesen Schiffen nichts, da die internationalen Schifffahrtsregeln nicht von der EU gemacht werden. In diesem Bereich wurden feste Verträge noch nicht durch die von westlichen Politikern selbst definierte regelbasierte Weltordnung verdrängt.
Die EU und die USA haben zunächst versucht, Russland vom weltweiten Öltransport auszuschließen. Der erste Schritt war, dass die EU und die USA ihren Haftpflichtversicherungen verboten, russische Schiffe zu versichern. Das war für die Schiffe misslich, weil sie ohne Haftpflichtversicherung keinen Hafen mehr anlaufen durften und dies durch internationale Verträge gefordert wird. Russland hat wohl eigene Versicherungen aufgebaut. Vor allem aber gibt es so viele Schiffe, die unter verschiedenen Flaggen fahren, dass die EU mit ihren Sanktionslisten nicht hinterherkommt.
Diese Schiffe wurden weltweit zusammengekauft, u. a. auch elf Stück aus Deutschland. Das hat jetzt ein so genanntes Rechercheteam, an dem auch der NDR beteiligt war, herausgefunden. Was daran so sensationell ist, leuchtet allerdings nicht ganz ein. Schiffe werden von denen gekauft, die welche brauchen. Wenn mehr gebraucht werden, als vorhanden sind, werden auch alte Frachter wieder genutzt. Wenn die EU den Markt für Schiffstransporte künstlich verknappt bzw. ihre Schiffe dafür nicht in Frage kommen, muss sie sich nicht wundern, wenn ihre Standards nicht mehr zum Tragen kommen.
Die EU und die Nato versuchen mit ihrer regelbasierten Weltordnung aber auch im maritimen Bereich internationale Regeln außer Kraft zu setzen. Die Ostsee soll zum Nato-Binnenmeer gemacht werden, indem russischen Schiffen oder für Russland fahrenden Schiffen Sabotageakte unterstellt werden. Nicht der Sabotageakt an Nordstream II ist dabei ein Thema, sondern die Beschädigungen an Internetkabeln.
Solche Beschädigungen kommen hundertfach im Jahr weltweit vor. Internetkabel sind einfache Kabel, die im Meer versenkt werden. Schleppnetze oder Anker verfangen sich immer wieder in ihnen und reißen sie entzwei. In der Ostsee werden diese Unfälle jetzt aber generell und ohne Beweise als Sabotageakte Russlands bezeichnet. Diese Vorwürfe werden zum Vorwand genommen, um für Russland fahrende Schiffe zu kapern und in skandinavischen Häfen festzuhalten. Wie die Ems-Zeitung berichtete, mussten die schwedischen Behörden am letzten Montag das nach einem Datenkabel-Schaden in der Ostsee beschlagnahmte Frachtschiff „Vezhen“ wieder freigeben. Der Verdacht der Sabotage habe sich nicht bestätigt. Der bulgarische Eigentümer des Schiffes hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und auf das schlechte Wetter zum Zeitpunkt des Vorfalls verwiesen. Außenministerin Baerbock und Kriegsminister Pistorius hatten – ohne Beweise – von „hybriden Angriffen“ Russlands gesprochen.
Von den großartigen „Recherchen“ des „Recherche-Netzwerkes“ bleibt nur übrig, dass es Schiffe gibt, die den Nato-Kriegstreibern nicht gefallen.
Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur hat Ende Januar vorgeschlagen, von Schiffen, die in der Ostsee unterwegs sind, eine Zwangsgebühr zu erheben. Pevkur geht also davon aus, dass die gesamte Ostsee Eigentum der NATO sei. Dass es Internationale Regeln für die freie Schifffahrt gibt, scheint Nato-Vertreter mittlerweile auch nicht mehr zu interessieren. [jdm]