Coronahilfen für Schweinehalter?

Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin der niedersächsischen grünen Landtagsfraktion, kritisierte in einer Presseerklärung vom Freitag Wirtschaftsminister Althusmann und Agrarministerin Otte-Kinast für ihre Forderung, die Corona-Überbrückungshilfen für Schweinehalter zu öffnen. Die Krise in der Schweinehaltung sei keine Folge von Corona, sondern eine Folge des Überangebotes. Seit fünf Jahren schon sei der Schweinefleischkonsum gesunken. Außerdem habe die Schweinepest den Export behindert. Sie forderte ein Programm, das den geordneten Umstieg von der Schweinehaltung in andere landwirtschaftliche Bereiche unterstütze.

Die NOZ berichtet aber schon am 09.02.2022, dass der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einer Schaltkonferenz der Wirtschaftsminister den Vorschlag unterbreitet habe, die sogenannten Härtefallhilfen für Schweinehalter zu öffnen. Für Miriam Staudte laufen damit die Betriebe Gefahr, diese Hilfen nach einer Überprüfung womöglich zurückzahlen zu müssen. [HM/jdm]

Bidens Entscheidung über eingefrorene Afghanistan-Gelder kommt einem Massenmord gleich

Die USA haben 7 Milliarden Dollar der afghanischen Zentralbank, die bei der US-Zentralbank lagern, eingefroren. Forderungen des UN-Generalsekretärs, des Internationalen Rettungskomitees und des Roten Kreuzes, die Gelder freizugeben, wurden von der US-Regierung ignoriert. Stattdessen beschloss US-Präsident Biden, wie das Portal "The Intercept" am Freitag berichtete, 3,5 Milliarden Dollar des Geldes der afghanischen Bevölkerung für Familien der Opfer des 11. Septembers zu verwenden. Die anderen 3,5 Milliarden Dollar werden für einen Treuhandfonds abzweigt, "der dem afghanischen Volk zugute kommen soll," wie es nebulös heißt.

Der US-Präsident stiehlt also dem afghanischen Staat 3,5 Mrd. Dollar, um damit Menschen in den USA für etwas zu entschädigen, mit dem Afghanistan nichts zu tun hat. Die Attentäter des 11. September lebten bekanntermaßen in den westlichen Staaten und hatten Verbindung nach Saudi-Arabien. Nach Afghanistan war nur ihr Anführer Osama bin Laden geflüchtet.

Weitere 3,5 Mrd Dollar afghanischen Geldes stiehlt die US-Regierung, um das Geld nach ihrem eigenen Gutdünken irgendwie für Afghanistan auszugeben. Das haben die USA schon in den letzten 20 Jahren gemacht und ein von ihren Geldern abhängiges korruptes Regime aufgebaut.

Mark Weisbrot, Co-Direktor des Center for Economic and Policy Research, stimmte den Charakterisierungen von Bidens Entscheidung als Massenverhungern zu. Die meisten Menschen "verstehen die wirtschaftlichen Zusammenhänge" von Bidens verheerender Entscheidung nicht, sagte er gegenüber The Intercept. "Wenn ein Land keine Reserven und keine funktionierende Zentralbank hat, dann kann keine noch so große Hilfe das auch nur annähernd ausgleichen." US-Sanktionen gegen Afghanistan könnten tödlicher sein als 20 Jahre Krieg.

Da die Regierung keine feste Zusage gemacht hat, die Vermögenswerte an die afghanische Zentralbank zurückzugeben - die nach Aussage amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, die an der Gründung und Leitung der Bank beteiligt waren, immer noch unabhängig von den Taliban ist -, wird das afghanische Volk auf absehbare Zeit auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Berichten zufolge reicht die Hilfe bereits jetzt nicht aus, um die rapide Verschlechterung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung zu verhindern.

Das Problem ist ein grundlegendes wirtschaftliches: Die Beschlagnahme der Zentralbankgelder hat die Wirtschaftstätigkeit zum Erliegen gebracht. Die Menschen haben keinen Zugriff mehr auf ihr Geld in den Banken. Regierungsangestellte und Lehrer erhalten keine Gehälter mehr. Importeure haben keinen Zugang zu Kapital, um die Importe zu finanzieren. Auch die Exporteure haben keinen Zugang zu Kapital, um ihre Geschäfte am Laufen zu halten. Die Währung, der Afghani, hat an Wert verloren, und die Inflation ist in Afghanistan viel höher als im Rest der Welt.

Die Forderung, die fremden Gelder freizugeben, wurde unter den Senatoren einzig vom Senator Bernie Sanders unterstützt, weil es gelte "den Tod von Millionen Menschen zu verhindern". Für alle anderen Senatoren ist es nur ein lästiges Thema, dem sie mit Zynismus begegnen. Die Senatorin Mazie Hirono, D-Hawaii, antwortete auf eine Frage zu den verheerenden Folgen von Sanktionen und eingefrorenen Vermögenswerten mit einer eigenen Frage: "Reden wir immer noch über Afghanistan?" [jdm/The Intercept vom 11.02.2022]

UPM-Arbeiter in Finnland wollen bis 12. März streiken

Am 04.02.22 hatte die finnische Papierarbeitergewerkschaft Paperiliitto den finnischen Mutterkonzern von Nordland Dörpen, UPM, darüber informiert, dass ihr Streik in den finnischen Werken von UPM um drei Wochen bis zum 12. März 2022 verlängert wird, wenn bis dahin keine neuen Vereinbarungen getroffen sind. Heute bestätigte ein UPM-Sprecher gegenüber EUWID, dass es ein erstes Treffen zwischen UPM Pulp und Paperiliitto gegeben hat und dass es im Laufe der Woche weitere Treffen zwischen der Gewerkschaft und anderen Unternehmenssegmenten geben soll.

Die Arbeiter in den sieben Papier- und Zellstofffabriken von UPM in Finnland befinden sich schon seit dem 1. Januar im Streik. In Finnland sind Flächentarifverträge, die dann für alle Arbeitenden der jeweiligen Branche gelten, üblich. Aber UPM ist zusammen mit zwei anderen Konzernen der Forst- und Papierindustrie aus dem zentralen Tarifverbund ausgetreten. Die beiden anderen Konzerne handelten danach Konzern-Tarifverträge mit der Gewerkschaft aus.

UPM geht aber einen Schritt weiter und will für jeden seiner fünf Geschäftsbereiche separate Tarifverträge aushandeln. Für die Gewerkschaft würde dies eine Schwächung ihrer Position und damit der Beschäftigten bedeuten. Außerdem würde dies UPM die Möglichkeit geben, die Beschäftigten gegeneinander auszuspielen. An den jetzigen Verhandlungen auf Unternehmensbereichsebene nehmen auf Seiten der Gewerkschaften auch Vertreter aus anderen Konzernen teil, um den Anspruch auf einen Flächentarifvertrag deutlich zu machen. UPM sagt deshalb, der Konzern könne nicht richtig verhandeln, weil so auch Angestellte von Konkurrenzbetrieben Interna der Firma erführen.

Im Dezember 2013 hatte UPM auch in Deutschland angekündigt, den Arbeitgeberverband verlassen zu wollen, aus dem Flächentarifvertrag ausscheren und einen Haustarifvertrag abschließen zu wollen. Das konnte dann aber verhindert werden.

Der Streik in Finnland wird von den Beschäftigten jetzt auch aus reinem Selbsterhaltungstrieb  betrieben. Denn durch die Kündigung des Tarifvertrages befinden sie sich in einem tariflosen Zustand, so das nur das finnische Arbeitsrecht gilt, dass keine Regelungen für Arbeitszeiten, Vergütung oder Urlaubsanspruch vorsieht.

Der Chef von UPM, CEO Jussi Pesonen, möchte mit seinem brachialen Vorgehen die Arbeitszeit um bis zu 100 Arbeitsstunden im Jahr verlängern, was einer Lohnkürzung von 5% entsprechen würde. Dabei profitiert auch UPM von der Corona-Epidemie. Zellstoff wird für die Masken gebraucht und auch die Verpackungsindustrie profitiert von Anstieg des Versandhandels. UPM hat im 1. Halbjahr 2021 den Nettoumsatz um 6% erhöht. Das Betriebsergebnis von 2021 stieg um 22 % auf 586 Millionen €. Der Wert der Aktie befand sich auf einem Allzeithoch, das durch den Streik nur unwesentlich kleiner geworden ist. UPMs Kosten für den Streik werden auf täglich 2-3 Millionen € geschätzt, was dann  bis zu 200 Mio € für den Streik bedeuten würde. (Quelle: Toivo Haimi in Le Monde diplomatique 2/2022)

Trotz dieser vollen Kassen argumentiert das UPM-Management damit, es müsse seine Wettbwerbsfähigkeit erhöhen. Als ob das Unternehmen in einer schweren Krise stecke, redet Pesonen von der möglichen Schließung von Fabriken und der Verlagerung der Produktion ins Ausland.

CEO Pesonen behauptete auch, wegen des Streiks plane man den Bau einer Bioraffinerie jetzt in Rotterdam, statt in Finnland. Das wird aber von allen Kennern in Zweifel gezogen; der Standort Rotterdam sei einfach besser geeignet.

Unterstützung bekommen die Streikenden von der Automobil- und Transportarbeitergewerkschaft. Die Hafenarbeiter in finnischen Häfen boykottieren UPM-Produkte und schlagen keine Papier- und Zellstoffprodukte des Unternehmens um. [jdm]

Pandemie macht Reiche reicher – Geldstrafen und Lohnverluste für Arbeitende, die nicht geimpft sind

Die Corona-Pandemie hat die Reichen reicher und die Superreichen unvorstellbar reich gemacht. Das hat die britische karitative Organisation Oxfam vor Kurzem festgestellt. Die reichsten 10 Deutschen kommen auf ein Vermögen von mehr als 240 Milliarden US-Dollar. Während der Pandemie konnten die zehn reichsten Milliardäre auf der Welt ihr Vermögen auf insgesamt 1,5 Billionen Dollar verdoppeln. Jeden zweiten Tag sei im vergangenen Jahr auf der Welt ein Dollar-Milliardär hinzugekommen – inzwischen gebe es 2043 Personen mit einem solchen Vermögen. Die ärmere Hälfte der Welt sei hingegen leer ausgegangen.

Seit Ausbruch von Corona sind etwa 15,5 Millionen Menschen an Armut, im Wesentlichen wegen Hunger, umgekommen. Im selben Zeitraum sind etwa 17 Millionen Menschen an Covid gestorben. Das Durchschnittsalter der Hungertoten, unter denen äußerst viele Kinder sind, ist dabei um ein Vielfaches niedriger das der Covid-Toten.

Entwicklungsländer und Arme wurden und werden laut Wall Street Journal durch die politischen Coronamaßnahmen ungleich härter getroffen als Industrieländer und wohlhabende Menschen.

Die Corona-Maßnahmen in Deutschland betrafen fast ausschließlich den Privat- und Freizeitbereich der arbeitenden Menschen. Das Leben der Arbeiter in der Industrie und bei den Versandhändlern und damit die Wertschöpfung der Reichen wurde von den Einschränkungen kaum betroffen, obwohl die Ansteckungsgefahr in dem großen Möbelhaus, dem Museum oder dem Schwimmbad deutlich geringer sein dürfte, als am Band oder der Baustelle in der Industrie.

Ein wichtiger Grund für den befürchteten Zusammenbruch des Gesundheitswesens war in den meisten europäischen Ländern, dass das Gesundheitswesen unter neoliberalen Vorzeichen kaputt gespart wurde. Fallpauschalen haben öffentliche Kliniken in Deutschland verschulden lassen und private Kliniken ohne eine breite Infrastruktur sprießen lassen. Öffentliche Kliniken wurden geschlossen; die schon vor Corona permanente Überlastung des Pflegepersonals durch Arbeitsverdichtung und den Dokumentationswahn, um besser abrechnen zu können, haben viele die Flucht aus der Branche antreten lassen. Der gesamte Gesundheitsbereich wurde für Profite der Pharmabranche, der Apparatehersteller und der neuen Krankenhaus- und Heimkonzerne optimiert, nicht für eine bessere Gesundheitsversorgung.

Und jetzt sollen die arbeitenden Menschen, die Angst vor einer Impfung haben, oder die dritte Impfung oder die vierte Impfung scheuen, bestraft werden. Die Politiker, die die Armut der Masse und den Reichtumszuwachs der Reichen verbockt haben, die das Gesundheitswesen haben verkommen lassen, melden sich täglich, um sich neue Strafen für Arbeitende auszudenken.

Ein Reicher, der sich nicht impfen lassen will, wird keine Probleme mit einer Quarantäne haben. Seine Dividenden sprießen mehr denn jemals zuvor. Er wird dafür sorgen, dass seine Angestellten ihn versorgen, dass die Chefarztbehandlung gesichert ist, egal ob irgendeine Versicherung zahlt oder nicht.

Wer auf die Arbeit zum Lebensunterhalt angewiesen ist und wegen des Ausbaus des Billiglohnsektors in den letzten 20 Jahren über keine Reserve verfügt, soll als Ungeimpfter in der Quarantäne keine Lohnersatzleistung bekommen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen lehnt laut NOZ von heute den Vorstoß von Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) ab, nicht geboosterten Kontaktpersonen von Corona-Infizierten keine Verdienstausfallentschädigung mehr zu gewähren. Doppelt Geimpfte dürften nicht mit Ungeimpften gleichgesetzt werden und der Vorschlag komme einer Bestrafung großer Teile der Bevölkerung gleich. Traurig ist, dass der DGB die Strafe für Nichtgeimpfte klaglos hinnimmt. Das zeigt, dass es unter dem Deckmantel der Pandemie möglich ist, soziale Rechte abzuschaffen, ohne dass es die Organisationen der Arbeiterklasse merken.

In einem Rundschreiben an die Kassenärzte in Baden-Württemberg hatten die beiden Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung empfohlen, Ungeimpften künftig nur noch eine zehnminütige Sprechstunde von 07.00 - 07.10 Uhr anzubieten. Das wurde zwar allgemein als überzogen und unrechtmäßig abgelehnt. Aber wer weiß: Im letzten Jahr hieß es noch, eine Impfpflicht wird es nicht geben. Und heute wird nicht nur darüber debattiert, sondern die Befürworter überschlagen sich im Ausdenken von Sanktionen für die „Impfverweigerer“. Beliebt ist neben der Festlegung von hohen Geldstrafen (wer kann die wohl locker zahlen und wer nicht?), der Vorschlag, Krankenkassenbeiträge für Nichtgeimpfte zu erhöhen oder ihnen eine Krankenhausbehandlung zu verweigern.

Hier ist nicht nur eine menschliche Verrohung zu beklagen; viele, die solche Vorschläge in den Leserbrief- und Kommentarspalten fordern, merken nicht, dass sie gerade die Axt an unser solidarisches Krankenversorgungssystem legen.

Schon die Ethikkommission weist in ihrer Mehrheitsentscheidung darauf hin, dass eine Impfpflicht keine kurzfristige Minderung der Infektionen bewirken kann. Kinder gelten allgemein nicht als gefährdet; jetzt mit der Omikron-Variante noch weniger. Die Impfungen sind letztlich keine echten Impfungen, weil sie nicht immun machen, sondern wie ein vorbeugendes Medikament wirken. Wenigstens machen sie das; aber muss das nicht Konsequenzen haben, wenn man über eine Impfpflicht nachdenkt?

Die Pharmakonzerne, die sich mit den Impfstoffen eine goldene Nase verdient haben – und denen die EU durch die Nichtzulassung von anderen Impfstoffen aus China, Kuba oder Russland die Konkurrenz vom Hals hält – freuen sich über diese Debatte.

Womit wir wieder bei unserem Ausgangspunkt wären, dass die Pandemie von den Reichen gut genutzt wird und nur zu Lasten der Arbeitenden gelöst wird. Und das ist nur der normale Gang im neoliberalen Kapitalismus, der jede Krise (Bankenkrise, Klimakrise, Kriege) durch Konzentration des Reichtums in immer weniger Hände löst. [jdm]

Tee, eine besondere Geschichte (3)

Nachdem die Briten die Holländer aus Java vertrieben hatten, übernahmen sie nicht nur deren Teehandel, sondern nutzten die Monopol-Macht, die der englische Staat der East India Company mit verschiedenen Gesetzen übertragen hatte, um den Teehandel mit China zu erweitern. Sie erreichten, dass ihre Schiffe direkt in Kanton ankern konnten, um den Chinahandel ohne Umwege betreiben zu können.

Im 19. Jahrhundert forcierten sie den Opiumschmuggel nach China, um mit dem Drogengeld Tee einkaufen zu können. Als der chinesische Staat sich gegen diese Drogenschwemme wehrte, reagierten die Engländer mit den Opiumkriegen und zwangen China die Ungleichen Verträge auf, die ihre Souveränität erheblich einschränkten und das Land kolonisierten.

Zeitgleich wurde in Assam/Indien eine einheimische Teesorte entdeckt. Die East India Company sorgte zunächst dafür, dass der Anbau von Tee in Indien und Java verhindert wurde. Aber ab 1878 begann der systematische Teeanbau in Plantagen auf Java. Diese Verfügbarkeit von immer mehr Tee hatte in Ostfriesland Folgen.

„Die Frauen sind schön, zum Teil aber dem Trunk ergeben und oft sogar schwer berauscht von dem Hamburger Bier, einem Getränk, das wie kein zweites in Deutschland durch seine süße Schwere die Sinne umnebeln kann“, klagte Henricus Ubbius 1530 über die Emder Bürgerinnen.

Bier war das Universalgetränk des Mittelalters. Es wurde zum Brot oder zum Brei getrunken oder als Suppe gelöffelt. In Oldersum soll es zu der Zeit 72 Bierbrauereien und in Norden 30 Brauereien gegeben haben, die das billigere Dünnbier produzierten. Den gelehrten Humanisten passte der Bierkonsum nicht in das neue protestantische Weltbild, das einen mündigen Bürger, der durch einen gesitteten Lebenswandel seinem Gott gefallen möchte, vorsieht.

Titelblatt von Matthäus Friederich, Wider den Sauffteufel

Aber Propaganda gegen den „Sauffteufel“ half nichts. So waren die Bürger froh, als der Tee und der Kaffee nach Europa kamen, weil ein geeigneter Ersatz für Bier gefunden worden war. Die Kaufleute, Verwaltungsleute, Geistliche und auch der Adel ließen sich vom Konsum der neuen Getränke überzeugen. Diese Getränke brachten einen nicht um den Verstand, sondern stimulierten ihn sogar.

Die Bauern dagegen konnten nichts damit anfangen, weil sie „nahrlos“ waren und für die körperliche Arbeit nicht die erforderlichen Kalorien brachten. Während die höheren Stände Tee, Kaffee und Schokolade als Begleitung für ihren Müßiggang in den Salons oder als Statussymbol genossen, blieben die unteren Stände beim (Getreide-)Brei und Bier.

Die neuen vermögenden Bürger oder die reicheren Bauern in den ostfriesischen Marschgebieten schauten sich diese Konsumgewohnheiten der höheren Stände ab. Es entstanden Kaffeehäuser in denen sich die verschiedenen Stände treffen konnten, um Neuigkeiten auszutauschen und Geschäfte abzuschließen. In England entstanden schließlich Teegärten, die als Treffpunkte für die ganze Familie geeignet waren.

Verkauft wurde Tee in Apotheken, die vorher schon nebenbei Trinkhallen betrieben und jetzt auch Kaffestuben. In Emden wurden schließlich vier Kaffeehäuser betrieben, die sich dann über die Konkurrenz durch die Wirte beklagten, die auch Tee und Kaffee servierten.

Zuckerhut im Ostfriesischen Teemuseum
Zucker wurde in Form eines Zuckerhutes geliefert, aus dem man sich zum Genuss mit einer Zange ein Stück herausbrach

In England kam das einfache Volk durch einen ganz anderen Umstand ans Teetrinken. Die Arbeiter in den sich entwickelnden Industrien mit den schier unendlich langen Arbeitszeiten hatten schlicht keine Zeit mehr für ihr Bier mit Brei. Der Tee, der stark mit Zucker gesüßt wurde, stellte eine einfach herzustellende Energiequelle dar. Seitdem der Zucker in den englischen karibischen Kolonien von Tausenden aus Afrika verschleppten Sklaven angebaut wurde und billig nach Europa importiert wurde, konnte der Tee auch von Arbeitern gesüßt und damit kalorienreich gemacht werden. Es war fast eine Warmspeise, die mit Brot kombiniert, schnell satt machen konnte.

Eine ähnliche Entwicklung fand bei den Knechten und Mägden der reichen Bauern in Ostfriesland statt. Tee hatte gegenüber Kaffee den Vorteil, dass hier keine Gerätschaften gebraucht wurden, um die Kaffeebohnen zu rösten und zu mahlen. Ein paar Blätter ins heiße Wasser geworfen: fertig.

Der Tee war also auf der einen Seite ein Genussmittel der Reichen, die dafür besonderes Geschirr nutzten und besondere gesellschaftliche Treffpunkte um den Genuss von Tee, Kaffee und Schokolade entwickelten. Eine Mittelschicht ahmte diesen Modetrend nach und versuchte auch seinen Möglichkeiten entsprechend besonderes Geschirr zu benutzen. Gleichzeitig entwickelte sich der Tee aber auch zu einem Getränk der Arbeitenden, die ihn für ihre Ernährung ohne den modischen Schnickschnack drum herum nutzten.

Teeverpackungen verschiedener Sorten im Teemuseum
Teeverpackungen verschiedener Sorten

Ein weiterer Unterschied blieb die Qualität des Tees. Die Oberschichten tranken hochwertige teure Teesorten, während die armen Schichten einfache billige Teesorten tranken. Die teuersten Teesorten, z. B. der grüne Tee Joosjes oder der schwarze Tee Pecco (4 Gulden/Pfund), kosteten bis zum Achtfachen der billigsten Teesorten, wie dem grünen Tee Haysanskin (1 Gulden) oder dem schwarzen Tee Bohe (12 Stüber=1/2 Gulden) oder Congo (1 Gulden).

Die Teesorten wurden als solche aus China importiert; die Mischung verschiedener Sorten kam erst Ende des 19. Jahrhunderts in Gebrauch. Der Tee hatte sich Anfang des 18. Jahrhunderts also allgemein als Volksnahrungsmittel neben dem Kaffee durchgesetzt.

Damit wurde der Tee für den preußischen Staat ein Politikum. Die Einfuhr von Tee aus den Kolonien Englands und der Niederlande verdarb die Außenhandelsbilanz  Preußens. Teure Devisen flossen für Tee und Kaffee ins Ausland. Der preußische Staat propagierte deshalb Ersatzstoffe. Von vielen Versuchen beim Kaffee blieben letztlich der Kaffeeersatz „Zichorie“ und geröstetes Getreide übrig, die allerdings selten pur, sondern meist zur Streckung des Kaffees verwendet wurden. Bei Tee wurden die verschiedenen Kräutertees propagiert. Diese kannte man vorher nur als Heilmittel. Jetzt wurden sie zu Nahrungsmitteln – das hat bis heute angehalten, hat aber den Tee-Konsum nicht ersetzt.

Warum Tee in Ostfriesland und im Emsland (und in England) dann noch mal eine besondere Rolle spielte, davon mehr in der nächsten Folge. [jdm]

Folgeschäden durch Umleitung beseitigt

Schoolbrink, Wippingen

Die Straßenseitenräume des Schoolbrinks waren durch die Umleitungen wegen der Sanierung der K113 nach Kluse und auch wegen der Sperrung der B70 nach Lathen ziemlich ausgefahren. Beim Begegnungsverkehr zwischen LKW musste in der Regel auf den unbefestigten Seitenstreifen ausgewichen werden.

Diese Seitenräume wurden zum Teil mit Schotter neu befestigt. Wie Landkreissprecherin Anja Rohde mitteilte, war der Landkreis Emsland verpflichtet, die Seitenbefestigungen zu verbessern, da es sich um eine offizielle Umleitung in Folge der Sanierung der K113 handelte. Die abschließenden Kosten sind noch nicht bekannt. [jdm/Foto: HM]

Tee, eine besondere Geschichte (2)

Portugiesische Karavelle um 1500

Seit 1415 war Portugal beginnend mit der Eroberung der marokkanischen Stadt Ceuta schon als Kolonialmacht weltweit unterwegs. Portugal war aber eigentlich nicht an Eroberungen interessiert, sondern daran, seine Handelsrouten durch Stützpunkte abzusichern und Konkurrenten auszuschalten

Gehandelt wurde vor allem mit Gewürzen. Aus dem „Pfefferland“ Indien stammte der Pfeffer, Safran aus den „orientalischen" Ländern, also dem südlichen Mittelmeerraum. Nelken und Muskatnuss stammten von den Gewürzinseln, den Molukken-Inseln im heutigen Indonesien. Der Zimt kam aus Ceylon. Der Handel mit Gewürzen machte die Händler reich, die schon seit dem 14. Jahrhundert als Pfeffersäcke bezeichnet wurden. Den Kaffee lernten die Europäer erstmals 1573 in den Kaffeehäusern von Aleppo (Syrien) kennen.

Gewürze wurden vor allem von dem Adel und den reichen Kaufleuten konsumiert. Aber auch alle anderen lechzten danach, soweit die Mittel es ihnen erlaubten. Die exotischen Gewürze waren nicht nur lecker oder ein Statussymbol, sondern „ihre Herkunft selbst war phantastisch: Aus dem Osten stammend, waren sie nahe dem Paradies gewachsen.“ Der Tee kam erst später nach Europa und wurde als Produkt des Fernen Ostens sofort genauso positiv wahrgenommen.

Tee zu Ziegeln oder Fladen gepresst erleichterte den Transport. Sie wurden in China auch als Zahlungsmittel verwendet.

Holländische Großkaufleute gründeten 1602  die „Vereenigde Oost-Indische Companie (V.O.C.) und konnten innerhalb von wenigen Jahren den Portugiesen ihre Stellung im Welthandel streitig machen. Und Streit ist hier wörtlich gemeint: Die Konkurrenz wurde durch Krieg verdrängt. Die portugiesische Flotte in Java wurde vernichtet und die Niederländer gründeten die Stadt Batavia (das heutige Jakarta), von wo aus sie den Asienhandel organisierten.

China war zu der Zeit eine mächtige Hochkultur, das sich als Zentrum der Welt begriff. Die schmutzigen Barbaren aus Europa imponierten ihnen nur durch ihre Skrupellosigkeit. Die Niederländer durften die chinesischen Häfen nicht anlaufen und so einigten sie sich mit der chinesischen Regierung darauf, dass chinesische Schiffe die gewünschten Waren nach Batavia brachten. Dieser Dschunkenhandel brachte den Niederländern zunächst einen Vorteil, der später, als China die Engländer direkt im Land anlanden ließ, zu ihrem Nachteil wurde.

Europa hatte den Chinesen für ihr Porzellan, ihre Seide, Baumwolle und dann ihren Tee keine Waren aus Europa anzubieten, die ein Chinese hätte haben wollen. Die Waren aus China konnten nur mit Gold und Silber bezahlt werden.

Japanisches Teehaus

1610 brachten zwei Schiffe aus Westjava die erste kleine Menge grünen Tees aus Japan nach Texel. Japan ließ keine Ausländer in das Land; nur an einer künstlichen Insel vor Nagasaki durften die Holländer ankern und die Geschäfte mit japanischen Händlern machen.

In Amsterdam wurde der grüne Tee dann langsam bekannter. Vor allem wegen seiner gesundheitlichen Wirkung wurde der „Tsai“, „Cha“, „Chia“, „Tscha“, „Thee“ oder „Tay“ von Medizinern gerühmt.

Ab ca. 1700 schoss die Teenachfrage in die Höhe. Die Engländer hatten mittlerweile in Kanton eine Handelsniederlassung und übernahmen zum großen Teil den Teeimport nach Europa. Sie importierten vor allem schwarzen Tee.

Ward'scher Kasten: Lebende Pflanzen auf dem Schiff zu transportieren gelang erst mit dem 1829 von Ward entwickelten kleinen Gewächshaus

1763 gelang es, eine lebende Teepflanze nach Europa zu transportieren, aber erst 1845 fanden die Europäer heraus, was den Unterschied zwischen dem grünen Tee und dem schwarzen Tee ausmachte. Als Getränk waren beide in Europa bei denen, die es sich leisten konnten, beliebt.

Der schwarze Tee wird fermentiert, d. h. durch Quetschen der Blätter werden die Enzyme freigesetzt, die dann mit den anderen Inhaltsstoffen der Blätter und mit Sauerstoff reagieren. Grüner Tee wird nicht fermentiert, so dass mehr Gerbstoffe erhalten bleiben und er etwas bitterer schmeckt. Der Koffein (bei Tee oft Tein genannt) ist in beiden Teesorten enthalten.

Interessierte Kreise, zu denen die Engländer gehören konnten, die eher schwarzen Tee importierten, verbreiteten die Geschichte, die Chinesen rösteten den grünen Tee auf Kupferpfannen. Der Tee bekäme durch den Grünspan die grüne Farbe; der Tee sei lebensgefährlich.

Tee wurde bis 1700 hauptsächlich in „vornehmen" Kreisen getrunken. Er war für die Niederländer und die Engländer schon ein Geschäft. Aber das große Geschäft stand den Kolonialmächten noch bevor. Und diese Phase begann mit dem Aufstieg der englischen „East India Company“, die die Holländer 1684 aus Java vertrieb. [jdm/Quelle: Sozialgeschichte des Teetrinkens in Ostfriesland, Aurich 1989/Exponate im Teemuseum Norden/Grafik Karavelle Wikipedia]

BUND-Klage gegen Hähnchenmastställe im Landkreis Rotenburg erfolgreich

In einer Presseerklärung begrüßte der BUND Rotenburg ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Stade, dass der Klage gegen die Genehmigung von zwei Hähnchenmastställen stattgab.

Im Außenbereich darf grundsätzlich nicht gebaut werden, die Landschaft soll nicht zersiedelt werden. Ausnahmsweise dürfen Landwirte dort Ställe bauen. Aber nur dann, wenn sie theoretisch in der Lage sind, auf eigenen und längerfristig gepachteten Flächen mehr als die Hälfte des für die Tiere benötigten Futters zu erzeugen. Das entsprechende Gutachten wird von der Landwirtschaftskammer erstellt.

Die erforderliche Futtergrundlage war nach Auffassung des Stader Gerichts zum Zeitpunkt der endgültigen Genehmigung durch den Landkreis aber nicht gegeben. Manfred Radtke, Vorsitzender des BUND Rotenburg: „Dass unsere Klage berechtigt war, hat sich im Nachhinein bestätigt. Bei einer Akteneinsicht hatte der BUND festgestellt, dass als nutzbare Pachtfläche 26 ha angegeben waren, die dem Bruder des Landwirts gehören. Der betreibt eine Biogasanlage, auf der Fläche wird der dafür benötigte Mais angebaut. Als Anbaufläche für Hähnchenfutter konnte sie daher nicht genutzt werden. Es ist unverständlich, dass der BUND das feststellen konnte, die beteiligten Behörden, insbesondere der Landkreis als Genehmigungsbehörde, dazu nicht in der Lage waren.“

Wichtig im Urteil ist auch die Feststellung des Gerichts, dass bei der Berechnung der Futtergrundlage für Masthähnchen durch die Landwirtschaftskammer Silomais und Grünschnitt nicht berücksichtigt werden dürfen. Hier dürfte sich die bisherige Praxis der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wohl ändern. [PM BUND/HM]

Tee, eine besondere Geschichte (1)

Ostfriesisches Teemuseum Norden
Ostfriesisches Teemuseum Norden

Der Tee und Ostfriesland: Das ist eine besondere Geschichte, die viel von Klischees bestimmt ist und denen die Ostfriesen selbst auf den Leim gegangen sind. Da gibt es Deutungen, dass seit Jahrhunderten Tee eine besondere Rolle gespielt habe, dass die ostfriesische Teezeremonie eine uralte Tradition habe, kurzum Tee wird zum Nationalgetränk erklärt.

Dabei ist die Geschichte des Tees in Ostfriesland ähnlich verlaufen, wie in den Niederlanden, England oder auch großen Teilen Deutschlands. Einige Besonderheiten, wie die schlechte Wasserqualität in weiten Teilen des Landes, sowie die Armut in den Moor- und Geestgebieten - die ähnlich auch für das Emsland festgestellt werden können - führten in Kombination mit anderen Komponenten zu einem erhöhten Teekonsum.

Installation Teezeremonie im Teemuseum Norden
Installation Teezeremonie im Teemuseum Norden

Die Ausprägung der "ostfriesischen Teekultur" ist aber ein Produkt der Entdeckung eines "Heimat-Begriffes" in der wilhelminischen Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts. Im Ostfriesischen Teemuseum in Norden wird dieses Klischee natürlich auch gern präsentiert, wie die nebenstehende Installation zeigt. Aber in dem Museum, das beileibe keine Werbeinstitution für die Tee-Firmen ist, sondern ein interessantes Museum auf wissenschaftlicher Basis, erfährt man viel über Teeproduktion und -konsum in der ganzen Welt.

Wir wollen auf Hallo-Wippingen unter Zuhilfenahme einer vom Museum herausgegebenen "Sozialgeschichte des Teetrinkens in Ostfriesland" in loser Folge einige Aspekte des Teekonsums beleuchten.

Das fängt mit dem an, was man eigentlich gegessen und getrunken hat, bevor der Kaffee, der Tee oder die Schokolade zusammen mit dem Brot beim Frühstück oder beim Abendessen verzehrt wurden. Etwas Warmes brauchte der Mensch auch früher schon. Deshalb stand warmer Brei mit Getreide, in unseren Breiten vornehmlich mit (Vollkorn-)Roggen, auf dem Speiseplan. Als Flüssigkeit standen Buttermilch, Wasser oder Dünnbier zur Verfügung. Dazu gab es als kaltes Getränk Bier, das zumeist vor Ort gebraut wurde. In Ostfriesland war dieses Bier wegen der Wasserqualität meist ebenfalls von schlechter Qualität. Wer mehr Geld hatte konnte sich in Hamburg gebrautes stärkeres Bier leisten. Bier und Brei lieferten die Kalorien, die die schwer arbeitenden Menschen brauchten. Das im Brei verwendete Wasser wurde durchs Kochen genießbar; das Gleiche gilt für den Brauprozess, der das Wasser genießbar d. h. unschädlich machte. Ein Nebeneffekt war natürlich, dass die gesamte Bevölkerung schon morgens leicht alkoholisiert war. Es gibt Stimmen, die sagen, dass die Aufklärung des 18. Jahrhunderts erst möglich wurde, als die Geister durch veränderte Konsumgewohnheiten nicht mehr ständig leicht benebelt waren.

Für den reichen Adel sah der Speiseplan natürlich ganz anders aus. Hier standen auch Fleisch, Fisch und Obst auf dem Speiseplan. Das Frühstücksgetränk musste hier keine Kalorien für die Arbeit liefern. Dennoch schrieb Liselotte von der Pfalz, die den Bruder von Ludwig dem XIV. geheiratet hatte, in einem ihrer zahlreichen Briefe: "Tee kommt mir vor wie Heu und Mist, Kaffee wie Ruß und Feigbohnen, und Schokolade ist mir zu süß, kann also keines leiden, Schokolade tut mir weh im Magen. Was ich aber wohl essen möchte, wäre eine gute Kalteschale oder eine gute Biersuppe, das tut mir nicht weh im Magen."

Das traditionelle Essen war den Menschen also nicht unangenehm und es musste dann schon einige Gründe geben, damit stattdessen von den hart arbeitenden Menschen völlig gehaltloser Tee getrunken wurde. [jdm/Quelle: Sozialgeschichte des Teetrinkens in Ostfriesland, Aurich 1989]

EU-Taxonomie: Durchsichtiges Greenwashing

Die EU-Kommission will Atomkraftwerke und Gaskraftwerke als "nachhaltig" einstufen (Taxonomie). Seit den 1980er Jahren taucht dieser ursprünglich in der Forstwirtschaft gebräuchliche Begriff auf. Er bedeutet ursprünglich, dass etwas längere Zeit andauert oder bleibt, bei der Forstwirtschaft also, dass nicht mehr gerodet wird, als nachwachsen kann.

Im Öko-Sprech der letzten Jahrzehnte bedeutet nachhaltig, dass nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren und künftig wieder bereitgestellt werden kann.

Die EU-Kommission möchte jetzt alles als nachhaltig bezeichnen, was man halt brauchen kann. Es mag ja sein, dass für eine gewisse Zeit Gaskraftwerke gebraucht werden, aber sie sind natürlich nicht im bisherigen Sinn nachhaltig. Und dass Atomkraftwerke ganze Landstriche unbrauchbar machen können - abgesehen von der Gefahr für die Gesundheit der Menschen - ist hinreichend bewiesen.

Bei dem EU-Vorschlag geht es also nur darum, die Profite der Energiekonzerne in Deutschland und Frankreich durch Greenwashing abzusichern. Es soll den Investoren signalisiert werden, dass ihre Investitionen in diesen Bereichen trotz aller klimapolitischen und umweltpolitischen Notwendigkeiten von der EU-Bürokratie geschützt werden.

In der Diskussion wird auch oft so getan, als ob Deutschland mit seinem Atom-Ausstiegsbeschluss weltweit ziemlich allein dastehen würde. Das ist aber nicht so. Von den 27 EU-Staaten haben nur 12 Staaten Atomkraftwerke, demnächst nach Deutschlands Ausstieg nur 11 Staaten. Von den 104 Atomkraftwerken betreibt Frankreich allein 57. Die 7 belgischen Kraftwerke gelten schon lange als marode. Das Land hat einen Ausstiegsbeschluss für 2025. Dänemark, Österreich und Italien haben sich per Volksabstimmungen gegen die Atomkraft ausgesprochen. In Asien hat sich Taiwan in einer Abstimmung gegen Atomkraftwerke ausgesprochen. [jdm]

NGOs fordern Verbot von Lebendtiertransporten in Hochrisiko-Staaten

In seiner viertägigen Plenarsitzung Mitte Januar wird das Europäische Parlament erneut darüber beraten, ob es Langstrecken-Tiertransporten in Drittstaaten außerhalb der EU weiterhin zustimmen will. Entscheidungsgrundlage werden die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses ANIT sein, der auf Forderung von 183 Abgeordneten im Juli 2020 eingesetzt worden war. 18 Monate lang haben Sachverständige, Augenzeugen und NGOs den ANIT-Mitgliedern unzählige Beweise für massive Tierschutzverstöße im Rahmen der Transporte geliefert – doch mehr als marginale Änderungsvorschläge am bestehenden System sind dem Abschlussbericht des Ausschusses dennoch nicht zu entnehmen.

In einem Offenen Brief fordern zahlreiche Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen aus dem "Tierschutznetzwerk Kräfte bündeln" die Abgeordneten nun auf, ihre Entscheidung deutlich weitreichender zu fassen, Lebendtiertransporten in Hochrisiko-Staaten keine Zustimmung zu erteilen und sich für ein sofortiges Moratorium einzusetzen.

Zur Begründung führen die Organisationen unter anderem an, dass die seit vielen Jahren praktizierte und gut dokumentiere Realität der Transporte und deren Duldung durch die Mitgliedstaaten einen fortwährenden Verstoß gegen geltendes EU-Recht darstellen. Bereits im April 2015 hatte der EuGH geurteilt, dass ein Transport von Tieren nicht durchgeführt werden darf, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötiges Leiden zugefügt werden könnten. Allein durch die Dauer der Transporte in Länder wie Marokko, Türkei und Usbekistan, die dortige Infrastruktur und die nach europäischen Standards ungenügenden Umgangs- und Haltungsbedingungen sei dieser Tatbestand jedoch regelmäßig gegeben. [PM/jdm/HM]

Hausschlachtungen wieder möglich

Leitfaden zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb

Eine neue EU-Verordnung ermöglicht es, bis zu drei Rinder, sechs Schweine oder drei Pferde im Herkunftsbetrieb unter Verwendung einer mobilen Schlachteinheit zu schlachten. Die mobile Einheit gehört dabei zu einem zugelassenen Schlachtbetrieb. Die Einhaltung der EU-weit geltenden Hygienestandards muss gewährleistet werden. Der gesamte Schlachtvorgang unterliegt einer amtlichen Kontrolle.

Der Transport zum Schlachthof ist für Tiere eine Belastung und für den Landwirt oder Transporteur nicht ohne Risiko. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission die bisher nicht zulässige Schlachtung von Tieren im Herkunftsbetrieb durch eine Rechtsänderung ermöglicht. Nun hat Niedersachsen einen Leitfaden zur Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten, Schlachtbetrieben und Behörden bei der Umsetzung der neuen EU-Vorschrift veröffentlicht. Ein kurzes Merkblatt "Schlachtung im Herkunftsbetrieb" gibt einen Überblick.

Der Leitfaden zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb bietet Tierhalterinnen und Tierhaltern wie auch Schlachtbetrieben Orientierung und gibt den zuständigen Veterinärämtern Hinweise für ihre Aufgabenwahrnehmung bei dieser neuen Form der Schlachtung. Der Leitfaden wurde vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit an die kommunalen Behörden sowie an die Branchenverbände versendet. [PM LAVES/HM]

Schon den britischen Kolonialisten ging es angeblich um „moralische Werte“

Gedenkkopf einer Königinmutter Nigeria, Königreich Benin, frühes 16. Jh., Ethnologisches Museum, Berlin,

Die koloniale Besetzung des Königreichs Benin durch britische Truppen im Februar 1897 markierte das Ende eines der mächtigsten westafrikanischen Königreiche. Eine der Folgen war die weltweite Verstreuung von tausenden Kunstwerken aus Bronze, Elfenbein und Holz, die aus dem königlichen Palast geraubt wurden. Die Bronze-Reliefs waren von hoher Qualität. Für die Beniner waren diese Bronzen gleichzeitig religiöse Objekte und ihr Geschichtsbuch, denn eine Schrift kannte das Land nicht.

In Anbetracht ihrer geplanten Rückgabe an Nigeria, auf dessen Territorium sich das Königreich Benin befand, wird die Benin-Sammlung des Hamburger Museums MARKK nun in ihrer Gesamtheit in einer Ausstellung gezeigt. Die Schau vermittelt neben Informationen zum britischen Kolonialkrieg und zur aktuellen Restitutionsdebatte verschiedene Perspektiven auf die ursprüngliche Bedeutung der Objekte, ihre herausragende künstlerische Qualität und ihren Stellenwert in der afrikanischen Kunst- und Kulturgeschichte.

Das Königreich Benin existierte seit ungefähr 600 nach Christus. Es war eine Hochkultur vergleichbar mit denen der Inka, der Ägypter oder Römer. Wie in diesen Staaten oder auch bei den Tibetern handelte es sich um eine Adelsherrschaft, bei der dem König (Oba) auch religiöse Macht zugeschrieben wurde. Die Macht des Herrschers war umfassend, aber gewählt wurde der Herrscher von dem adeligen Rat der Königsmacher, vergleichbar den Kurfürsten im deutschen "Heiligen Römischen Reich".

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts handelte das Königreich Benin nicht nur mit seinen Edelhölzern, sondern verkaufte Sklaven an die Europäer. Dieser Handel blühte bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als nach den Portugiesen auch die Briten den Sklavenhandel verboten. Großbritannien war durch 250 Jahre Sklavenhandel reich geworden. Jetzt mit Beginn der Industrialisierung brauchte es keine Sklaven mehr, weil die Arbeiter für den Einsatz in der Industrie billiger zu haben waren. Aber die anderen Schätze der Länder der Welt lockten doch noch. Plötzlich wurden die britischen Sklavenhändler zu den Guten, die überall in der Welt gegen Sklaverei kämpften. Wikipedia schreibt: "Im britischen Geschichtsbewusstsein spielt die Abolition lange Zeit eine deutlich größere Rolle als die Tatsache, dass das Land jahrzehntelang gut an Sklaverei und Sklavenhandel verdient hatte. Der Historiker aus Trinidad und Tobago Eric Eustace Williams spottete 1966: „Die britischen Historiker schrieben beinahe, als ob Großbritannien die Negersklaverei eingeführt hätte, um nachher die Befriedigung haben zu können, sie wieder abzuschaffen."

Das Britische Empire nutzte die Abschaffung der Sklaverei als Vorwand für Kolonialkriege gegen sklavenhaltende Königreiche am Golf von Guinea, unter anderem auch gegen das Königreich Benin in den 1890er-Jahren. Ein zentrales Ziel war die Kontrolle des Handels und der Handelswege. Auf Druck der Briten unterzeichnete Oba Ovonramwen 1892 einen Freihandelsvertrag mit den Briten. Freihandelsverträge sind auch heute noch ein probates Mittel zur Ausbeutung schwächerer Staaten. Als Oba Ovonramwen den Handelsvertrag praktisch ignorierte, schickten die Briten 1897 nach einem Scharmützel mit Benin-Kriegern 1200 Soldaten zu einer Strafexpedition. Benin wurde von den Briten erobert, ihre Hauptstadt zerstört und die Kunstwerke wurden geraubt.

Die Briten hatten somit zum Zweck der kolonialistischen Ausbeutung schon die Methode erfunden, die heute den "Werte-Westen" kennzeichnet. Westeuropa und die NATO sind angeblich nie an Krieg und wirtschaftlicher Macht interessiert; rund um den Globus sind die USA und Westeuropa damit beschäftigt, die Demokratie, die Frauenrechte und Minderheitenrechte zu verteidigen. Was kann der Westen dafür, dass das immer zu irgendeinem Krieg in Asien, Afrika oder Südamerika führt. Der gute "Wertewesten" hat es eben schwer. [jdm/Foto Wikipedia/MARRK]

Appell: „Verzichten Sie auf Jagdreisen!“

Um die Gefahr der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu verringern, appelliert Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast an alle Jägerinnen und Jäger: „Bitte verzichten Sie nach Möglichkeit auf Jagdreisen in die betroffenen ASP-Gebiete.“

Mit dem Ausbruch der ASP in einem Wildschweinbestand im Kreis Ludwigslust-Parchim ist die Seuche, die für Menschen ungefährlich ist, auf etwa 50 Kilometer an die Landesgrenze herangerückt. Auf Ministerebene tauscht sich Otte-Kinast zum aktuellen Geschehen regelmäßig mit ihrem Ressortkollegen Till Backhaus (Mecklenburg-Vorpommern) aus.

In einem Brief, der jetzt vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) an alle Revierinhaber und Revierinhaberinnen in Niedersachsen versandt wurde, heißt es: „Das sprunghafte Seuchengeschehen, ca. 160 km vom nächsten ASP-Geschehen in Brandenburg entfernt, zeigt deutlich, dass der Mensch ein entscheidender Faktor bei der Verbreitung der Seuche sein kann und das Virus damit - im Gegensatz zur Ausbreitung in der Wildschweinpopulation - weite Strecken in kurzer Zeit überspringen kann.“

Am 10. September 2020 wurde der erste Ausbruch der ASP beim Schwarzwild in Deutschland im Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg festgestellt. Am 31. Oktober 2020 wurde die ASP in Sachsen amtlich nachgewiesen, am 15. November 2021 in Mecklenburg-Vorpommern. In dem Aufruf wird dafür geworben, Fallwild und verendet aufgefundene Tiere unbedingt beproben zu lassen. Das Gleiche gilt für Wildbret: „Wenn Sie Wildbret vom Schwarzwild nach Niedersachsen mitbringen möchten, gehen Sie sicher, dass das Stück ASP-frei ist. Lassen Sie die Stücke bitte
vorher vor Ort auf ASP untersuchen!“ Fahrzeuge, Gerätschaften und Kleidung sollten immer sorgfältig gereinigt werden. [PM Nds. Landwirtschaftsministerium]

Landkreis Emsland: Wohnraum-Versorgungskonzept für Kommunen

Landrat Marc-André Burgdorf, Sozialdezernentin Dr. Sigrid Kraujuttis
Landrat Burgdorf, Sozialdezernentin Dr. Kraujuttis

Der Landkreis hat ein Wohnraumversorgungskonzept für die Städte, Einheits- und Samtgemeinden des Emslandes erstellen lassen, die bislang nicht über ein solches verfügen. Dies sind alle Kommunen mit Ausnahme der größeren Städte Haren, Lingen, Meppen und Papenburg sowie der Samtgemeinde Spelle. „Das Emsland wird durch Zuwanderung zumindest in den kommenden Jahren weiterhin wachsen, zugleich aber immer stärker die Auswirkungen des demographischen Wandels mit einer Alterung der Bevölkerung spüren. Im Hinblick auf die Wohnraumentwicklung ist somit ein zielgerichtetes Handeln der Kommunen erforderlich“, so Landrat Marc-André Burgdorf. Das nun erstellte Konzept ist auch vor dem Hintergrund stetig steigender Immobilien- und Mietpreise wertvoll, soll eine Orientierung für die künftige Wohnungsmarktentwicklung geben und ist hier zu finden (PDF).

Das Konzept bricht die Fragen zur Wohnraumversorgung auf die Ebene der Samtgemeinden herunter und enthält viel differenziertes Zahlenmaterial.

Der Bericht stellt fest, dass der Bestand preisgünstiger Wohnungen aufgrund auslaufender Preis- und Belegungsbindungen schrumpft. Die wenigen, mit öffentlichen Mitteln geförderten Neubauwohnungen der letzten Jahre könnten dieses Abschmelzen nicht kompensieren. Die Zahl öffentlich geförderter Wohnungen werde in den kommenden Jahren dramatisch zurückgehen. Preisgünstiger Wohnraum werde in allen Größenklassen benötigt, nicht nur für kleine Haushalte, sondern auch für Familien. Der größte Wohnungsbedarf bestehe jedoch bei kleinen, preisgünstigen Wohnungen für Alleinstehende und Paare, da diese die größte Nachfragegruppe darstellten.

Bei den Lösungen stellt der Bericht fest, dass die Baulandvergabe mit konzeptuellen Auflagen (ökologische, städtebauliche oder soziale Kriterien) ein Weg ist, wie er z. B. in Emsbüren gegangen werde. Aber es gebe für den freien Markt im ländlichen Raum kaum Anreize, in den kostengünstigen Mietwohnungsbau zu investieren. Der Bericht schlägt deshalb die kommunale Unterstützung bestehender Wohnungsbaugenossenschaften (Sögel, Werlte, Herzlake, Haselünne) vor. In Kommunen, in denen kein solcher Wohnungsmarktakteur bestehe, könne die Kommune auch selber durch die Gründung einer kommunalen Entwicklungs- bzw. Wohnungsbaugesellschaft tätig werden. Hier biete sich die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen an. [jdm/PM Landkreis Emsland]

foodwatch-Analyse: „Agrarpolitik in der Konsensfalle“

In den vergangenen 20 Jahren sind rund eine Billionen Euro an EU-Agrarsubventionen geflossen – doch verbessert hat sich für Klima, Tierhaltung und Umweltschutz nichts. Denn die Zerstörung der Umwelt schreitet weiter voran, wie das Umweltbundesamt unmissverständlich festhält: Der Artenschutz hat sich „weiter verschlechtert“, Humusschwund und Erosionsgefährdung haben „zugenommen“, die Belastung von Gewässern hat „häufig zugenommen“ und das Landschaftsbild sich insgesamt „negativ“ entwickelt. Auch das Sterben kleiner und mittlerer Höfe hält unvermindert an und die Tierhaltung ist in der aktuellen Form unhaltbar. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe über 5 Hektar ist seit 2003 um fast ein Viertel geschrumpft. Und allein die 16 Prozent der größeren Betriebe (mehr als 100 ha) bewirtschaften 62 Prozent des Landes. Zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung steuert die Landwirtschaft lediglich 0,7 % bei.

In der foodwatch-Analyse: „Agrarpolitik in der Konsensfalle – warum die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission agrarpolitisch in die Irre führen“, finden Sie viele Aussagen, die deutlich machen, dass sich die aktuelle Agrarpolitik in einer Sackgasse befindet, die weder dem Klima noch dem Tierwohl hilft, aber auch den Bauern keine Perspektive gibt.

Foodwatch kritisiert vor allem die Scheinkompromisse der „Zukunftskommission Landwirtschaft“, die auf den Ergebnissen der Borchert-Kommission aufbaute, und die des neuen Ampel-Koalitionsvertrages, sowie die Pseudomaßnahmen der jüngsten „Gemeinsamen EU-Agrarpolitik“ (GAP). Damit lasse sich kein zukunftsfähiges, klima- und tierfreundliches europäisches Agrarsystem schaffen. Die Vorschläge führten lediglich zu einem Weiter-so in der hoch subventionierten Agrarpolitik. Die neue Bundesregierung dürfe keine weitere Zeit mit nationalem Klein-Klein und freiwilligen Maßnahmen der Agrarbranche zu vergeuden, sondern müsse stattdessen für konkrete gesetzliche Verbesserungen auf europäischer Ebene zu sorgen.

Das Ziel der Klimaneutralität in der Landwirtschaft kann nur erreicht werden, wenn die Tierbestände in Deutschland und der gesamten EU ungefähr halbiert werden würden. Um den Konsum entsprechend zu senken, müssen EU-weite differenzierte CO2-Abgaben für Fleisch, Milch, Käse und Co. eingeführt und sukzessive erhöht werden. Auch die schwerwiegenden Defizite im Tierschutz könnten nur durch eine EU-weite gesetzliche Regulierung beseitigt werden: Zum einen müssen endlich Vorgaben für die Gesundheit von Nutztieren eingeführt werden, zum anderen bei den Haltungsbedingungen die EU-Ökoverordnung zum Mindeststandard für alle werden. Begleitend zu den strengeren gesetzlichen Vorgaben sind Außenhandelsmaßnahmen notwendig: Die EU muss geeignete Importkontrollen einführen, um sicherzustellen, dass Importe vergleichbare Anforderungen erfüllen und europäische Landwirtschaftsbetriebe nicht schutzlos Billigimporten aus Drittstaaten mit niedrigeren Standards ausgesetzt sind.

Um Kostenfairness im Binnenmarkt zu schaffen, müssten die höheren Erzeugungskosten einer tierschutzgerechten Produktion transparent gemacht werden mit dem Ziel, dass die Erzeuger diese Kosten auf die nachgelagerten Stufen (Schlacht-, Milch,- Eiproduktenindustrie sowie Lebensmitteleinzelhandel) überwälzen können, also bezahlt bekommen.

Klima- und Tierschutz müsse bei der Welthandelsorganisation (WTO) durchgesetzt werden. Die neue Bundesregierung müsse darauf hinwirken, dass eine WTO-konforme Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen in der EU-Landwirtschaft und eine außenwirtschaftliche Absicherung der mit zusätzlichen Kosten verbundenen höheren EU-Tierschutzanforderungen erfolge.

Die neue Bundesregierung müsse ihr ganzes Gewicht von Tag Eins an dafür einsetzen, dass die deutsche und die gesamte EU-Landwirtschaft schnellstmöglich eine das Klima, die natürlichen Ressourcen und die Tiere bestmöglich schützende und schonende Gesamtausrichtung erhalte.

Foodwatch setzt bei seinen Forderungen den Schwerpunkt auf die Abschaffung von Subventionen, die nur ein  klima- und tierfeindliches Produktionssystem am Leben erhalten, zu Gunsten der Schaffung von verbindlichen Regeln für Klimaschutzmaßnahmen und Tierschutzmaßnahmen. Wenn diese europaweit umgesetzt werden und eine Lenkungswirkung hin zu weniger Tieren und weniger „Effizienz“ bei der Ausbeutung der Tiere entfalten, ist auch der Trend zu den industriellen Mastanlagen gebremst. [PM foodwatch/jdm]

Gordon Brown: Eine neue Covid-Variante ist keine Überraschung, wenn reiche Länder Impfstoffe horten

Die neue Corona-Variante B.1.1.529, die in Südafrika jetzt auftritt, hat von der Weltgesundheitsorganisation WHO den Namen Omicron nach dem 15. Buchstaben des griechischen Alphabets erhalten. Während unsere Politiker jetzt die üblichen Worte finden, wie "starke Antwort", "schnell handeln" und "alle müssen Verantwortung tragen" wird in den Medien in Deutschland kein Wort darüber verloren, dass Europa und die USA mit ihrer Politik zu Gunsten der Pharmakonzerne dazu beigetragen haben, dass sich eine neue Variante und die Gefahr von weiteren Corona-Wellen entwickeln konnte.

In "The Guardian" von heute schrieb Gordon Brown, WHO-Botschafter für globale Gesundheitsfinanzierung und von 2007 bis 2010 britischer Premierminister, eine neue Covid-Variante sei keine Überraschung, wenn reiche Länder Impfstoffe horteten.

Er verwies auf peinliche Versäumnisse des Westens bei der gerechten Verteilung von Impfstoffen und nannte Zahlen, die zeigen, dass nur 3 % der Menschen in einkommensschwachen Ländern vollständig geimpft sind, während es im Rest der Welt mehr als 60 % sind.

"Da es keine Massenimpfungen gibt, breitet sich Covid nicht nur ungehemmt unter ungeschützten Menschen aus, sondern mutiert auch, wobei neue Varianten aus den ärmsten Ländern auftauchen und nun drohen, selbst auf vollständig geimpfte Menschen in den reichsten Ländern der Welt überzugreifen", sagte Brown.

Er sagte, die Staats- und Regierungschefs der Welt bräuchten jetzt ein globales Abkommen, um eine bessere Verteilung zu gewährleisten, und warf der EU "Neokolonialismus" vor, weil sie in Südafrika hergestellte Impfstoffe aufkaufe.

Während Südafrika eine Impfquote von 27 % erreicht hat, liegt sie in den ländlichen Gebieten oft im einstelligen Bereich, und der gesamte Kontinent ist zu Recht verärgert, weil seine eigenen Impfbemühungen seit Monaten durch den Neokolonialismus der Europäischen Union behindert werden. Selbst als die Kluft zwischen den Impfstoffbesitzern in Europa und den Impfstoffmuffeln in Afrika immer größer wurde, bestand die EU darauf, Millionen von in Südafrika hergestellten Impfstoffen von Johnson & Johnson zu beschlagnahmen und sie aus Afrika nach Europa zu schicken.

Experten wie Tim Bierley, Pharma-Aktivist bei Global Justice Now, erklärten, dass das Auftreten der Variante "völlig vermeidbar" gewesen sei und dass die Bedingungen für ihre Entstehung dadurch geschaffen worden seien, dass Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen vom Vereinigten Königreich "aktiv daran gehindert" worden seien, gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen zu erhalten.

"Seit mehr als einem Jahr fordern Südafrika, Botswana und die meisten anderen Länder, dass die Staats- und Regierungschefs auf das geistige Eigentum an Impfstoffen, Tests und Behandlungen gegen das Coronavirus verzichten, damit sie ihre eigenen Impfstoffe herstellen können", sagte er. "Das ist eine wichtige Maßnahme, die nächste Woche auf der Konferenz der Welthandelsorganisation diskutiert wird. Aber bisher haben das Vereinigte Königreich und die EU rücksichtslos verhindert, dass sie vorankommt. [jdm/The Guardian vom 26.11.2021]

Gorillas verliert vor dem Arbeitsgericht

Die Gorillas, ein 2020 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Berlin, das einen Lieferdienst für Lebensmittel und andere Supermarktwaren in Großstädten betreibt, hat einen Arbeitsgerichtsprozess um die Einrichtung eines Betriebsrates verloren. Es handelt sich um eines der „neuen“ Konzerne, deren Geschäftsmodell darin besteht, an der Ausbeutung von „Solo-Selbständigen“ zu verdienen und, wie beim unregulierten Taxi-Dienst Uber, bei den Fahrrad- und Elektro-Tretroller-Verleihunternehmen in den Städten oder bei dem Ferienwohnungsvermittler AirBnB um Firmen der sogenannten Sharing Economy. Auf einer Plattform bieten formal Selbständige eine Dienstleistung an. In der Praxis sind diese Selbständigen vollständig abhängig von der Plattform, müssen deren Vorgaben einhalten und können trotz großer Selbstausbeutung nicht einmal den Mindestlohn verdienen.

Gorillas hatte im Arbeitsgericht argumentiert, bei den für einen Betriebsrat streikenden Mitarbeitern handele es überhaupt nicht um Angestellte der Firma. Gleichzeitig splitterte der Konzern seine Struktur auf und machte aus jedem Lager und jeder Planungsebene eine eigene Firma, um so einen Betriebsrat für alle zu verhindern. Es handelt sich um klassisches Union Busting, das vom Arbeitsgericht zumindest mit dem Urteil, dass eine Betriebsratswahl durchgeführt werden kann, etwas entgegen gesetzt wurde.

Prof. Stefan Sell beschreibt in seinem Blog zum Thema,wie diese verschiedenen Start-Ups in dem Bereich (Delivery Hero, Lieferando, Flink, Getir, Doordash) derzeit konkurrieren, dabei trotz höchster Ausbeutung ihrer Mitarbeiter und auch der beteiligten Firmen (Restaurants, Geschäfte) das Geld der Investoren verbrennen. Bei den Investoren handelt es sich um Konzerne und Investoren, bei denen zu viel Geld vorhanden ist und die angesichts von Strafzinsen „wie bei einem Lottospieler“ nach Möglichkeiten suchen, das Geld anzulegen. Die Investoren müssen einem nicht leid tun, wohl aber der immer größer werdende Bereich von Arbeitern, die z. B. als Fahrradkuriere in Lebensgefahr gebracht werden und trotzdem nichts zum Leben haben. Mehr im Blog von Stefan Sell… . [jdm]

Bafin mahnt: Geld zurück an Bankkunden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27. April 2021 eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der AGB und Sonderbedingungen fingiert, für unwirksam erklärt.

Nach Ansicht der Finanzaufsicht Bafin sind die Bedeutung und die Auswirkungen dieser Entscheidung erheblich, da die Unwirksamkeit nicht nur den Änderungsmechanismus als solchen, sondern auch sämtliche darauf beruhenden Vertragsänderungen erfasse. Neben der Frage der Entgeltänderung, erstreckt sich die Unwirksamkeit auch auf andere, auf dieser Grundlage vorgenommenen Vertragsänderungen und damit auf die Grundlage der Vertragsbeziehungen insgesamt.

Anhand einer beträchtlichen Anzahl von Beschwerden bei den Verbraucherzentralen und der BaFin, die auf diesen Sachverhalt Bezug nehmen, sieht sich die Bafin genötigt, ihre Erwartungshaltung zu verdeutlichen.

Es sei aus Sicht der BaFin geboten, dass die Banken offen, transparent und partnerschaftlich mit der Umsetzung der BGH-Entscheidung umgehen. Dies gilt sowohl für die Schaffung einer wirksamen vertraglichen Grundlage für die Zukunft, als auch den Umgang mit berechtigten Rückforderungsverlangen der Kundinnen und Kunden hinsichtlich zu Unrecht erhobener Entgelte.

Die Banken seien aufgefordert, das Karlsruher Urteil zur Erhöhung von Kontogebühren schnell und fair umzusetzen. So müssten Kunden über die Konsequenzen des Urteils verständlich unterrichtet und zu Unrecht erhobene Entgelte erstattet werden. Zudem müssten die Institute Rückstellungen bilden.

Erstattungsverlangen der Kundinnen und Kunden sollten zeitnah umfassend geprüft und zu Unrecht erhobene Gebühren und Entgelte umgehend erstattet werden. Die BaFin weist darauf hin, dass es den Kundinnen und Kunden zusteht, Erstattungsansprüche geltend zu machen. Die Ausübung dieses Rechts könne daher keine unmittelbare Kündigung der Geschäftsverbindung zur Folge haben. [jdm/PM Bafin]

Klinikrettung muss in Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen

Noch-Gesundheitsminister Spahn lässt sich vor laufenden Kameras gegen Grippe impfen und warnt dabei erneut vor einer Überfüllung der Kliniken im Herbst. Währenddessen gehen die Signale an vielen von Schließung bedrohten Standorten in den roten Bereich über, dort droht das endgültige Aus zum Jahresende – abseits der Aufmerksamkeit des Ministers. Und bei Vivantes in Berlin, dem größten öffentlichen Krankenhausbetreiber Deutschlands, befinden sich die organisierten Beschäftigten seit einem Monat im unbefristeten Streik – eigentlich ein Top-Thema für die Regierende Bürgermeisterin in spe, Franziska Giffey. Eigentlich.

Die Streikenden fordern verbindliche Vorgaben zur Personalbesetzung sowie einen Belastungsausgleich bei Unterbesetzung – Selbstverständlichkeiten, für die jetzt in einem 100 Prozent öffentlichen Unternehmen gestreikt werden muss. Aber Vivantes ist eben formell privat, der Einfluss der Ex-Helios-Manager im Vivantes-Konzern ist anscheinend größer als der der Senatoren im Aufsichtsrat. Und so müssen die Beschäftigten nicht nur für mehr Personal kämpfen, sondern auch gegen die geringeren Löhne und schlechteren Arbeitsbedingungen in den nur für Lohn-Dumping ausgegründeten Vivantes-Tochterunternehmen. Der Protest gegen die Schließung des Vivantes-Klinikums Wenckebach mit 440 Betten ist nicht Teil des Streiks, steht aber weiter auf der Agenda. Es gibt auch einen direkten Zusammenhang: das Geld. Während beim Personal unerträglich gespart wird, soll ein Neubau andernorts 86 Millionen Euro mehr kosten als der Erhalt des Wenckebach-Krankenhauses – bei weniger Betten im Neubau.

Die Begründung für weitere Klinikschließungen ist nicht logisch. Wohnortnahe Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung sind für die übergroße Mehrheit der Teilnehmer einer Online-Diskussion von "Gemeingut in BürgerInnenhand" ein sehr wichtiges Element einer guten Krankenhausversorgung und müssen erhalten bleiben. Eine Zentralisierung von Kliniken hielten nur sieben Prozent für förderlich.

Klinikschließungen werden allerdings auch ohne Argumente vollstreckt, einfach durch die Kraft des Faktischen. Danach sieht es derzeit in Geislingen aus. Obwohl sich die Stadt nach dem Schließungsbeschluss seines Landkreises sogar per Bürgerentscheid für einen Austritt aus dem Landkreis ausgesprochen hat, lässt man das Klinikum weiter gegen die Wand fahren, mit folgendem Trick: Die Chirurgie wird zum Jahresende geschlossen, ohne konkrete Nachnutzung. Versprechungen gibt es viele, was aber wenige wissen: Verhandlungen für Versorgungsverträge mit den Kostenträgern benötigen in der Regel ein halbes Jahr oder länger. Es droht eine fatale Finanzlücke, die für das Krankenhaus den Ruin bedeuten könnte.

Im Juli 2021 beklagte sich laut Ems-Zeitung auch der stellvertretende Geschäftsführer des Hümmling-Hospitals Thomas Kock über eine unzureichende Finanzierung. Aufgrund der Größe des Hauses und der voranschreitenden Spezialisierung in der Ausbildung der Fachkräfte sowie ständig steigender gesetzgeberischer Vorgaben habe das Krankenhaus enorme Vorhaltekosten, die laut Kock nicht über das derzeitige Fallpauschalensystem abgedeckt seien. Er forderte eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung in Deutschland. Das Hümmling-Hospital werde im Vergütungssystem nicht adäquat abgebildet. "Mit unseren 140 Betten sind wir für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung in unserer Region unerlässlich", machte Kock laut EZ deutlich.

Wie man die künftige Koalition dazu bekommt, die Mehrheitsmeinung in konkrete Schritte zu übertragen, soll auf einem Präsenztreffen vom Bündnis Klinikrettung am 12./13. November in Göttingen besprochen werden. [jdm/Newsletter GIB]

Nach dem Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienkonzerne: Vonovia befiehlt „konstruktive“ Lösung

Der Spruch "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten." erweist sich möglicherweise in Berlin wieder mal als richtig. Parallel zur Bundestagswahl fand im Bundesland Berlin ein Volksentscheid darüber statt, ob die großen Wohnungsbaukonzerne der Stadt enteignet werden sollen. Die Befürworter des Volksentscheids haben nachgewiesen, dass die Entschädigung erschwinglich ist. Das Modell geht davon aus, dass die dafür erforderliche langfristige Kreditaufnahme durch die Mieteinnahmen getilgt wird.

Nichts anderes machen auch die Wohnungsbaukonzerne, die sich ihre Häuser ständig gegenseitig abkaufen oder sich gegenseitig schlucken. Nur dass die Konzerne ständig satte Zuschläge draufsatteln, weil sie ihre überzogenen Renditeerwartungen bezahlt sehen wollen.

Sowohl die Grünen, als auch die SPD in Berlin haben den Volksentscheid nicht unterstützt. Jetzt hat die Mehrheit der Wähler das anders gesehen. Wir können jetzt gespannt sein, mit welchen Tricks die Grünen und die SPD versuchen werden, den Immobilienkonzernen zu Diensten zu sein. Franziska Giffey, die Spitzenkandidatin der Berliner SPD und mit 21,4 Prozent der Stimmen Gewinnerin der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, ist eine Gegnerin der Initiative. "Durch Enteignung lösen wir kein Problem und setzen ein ganz schwieriges Signal", sagte sie laut Tagesschau.de noch am Tag vor der Wahl. "Ich möchte nicht in einer Stadt leben, die das Signal sendet, hier wird enteignet."

Interessant war heute abend, dass mehrere Online-Artikel verschiedener Zeitungen in der Google-Suche die Überschrift hatten "Grüne und SPD wollen Volksentscheid ernst nehmen", aber nach dem Anklicken der Artikel kam jeweils unter der Überschrift: "Vonovia warnt nach Berliner Volksentscheid vor Hängepartie" die Aufforderung des Immobilienkonzerns Vonovia «konstruktivere» Lösungen zu erarbeiten. Anscheinend hatte der Nachrichtenmonopolist dpa kalte Füße bekommen, dass ursprünglich die Wortmeldungen popeliger Politiker veröffentlicht wurden und nicht die Stimme des Meisters zitiert worden war. Denn im Kapitalismus gilt immer noch: Wohnungspolitik wird von den Konzernen gemacht, und nicht vom Mieter-Volk oder ihren gewählten Vertretern. [jdm]

Tiere dürfen weiter mit Reserveantibiotika behandelt werden

Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling ist im EU-Parlament damit gescheitert, strengere Regeln für die Antibiotika-Behandlung von Tieren durchzusetzen. Häusling und der Umweltausschuss des EU-Parlaments hatten erreichen wollen, dass künftig fünf Antibiotikagruppen vor allem Menschen vorbehalten sein sollen und nur in Ausnahmefällen an einzelne, kranke Tiere verabreicht werden dürfen. Sein Einwand gegen Pläne der EU-Kommission fand vor dem Europaparlament letzte Woche keine Mehrheit. In der Ems-Zeitung vom 28.08.2021 wandte sich der Tierarzt Dr. Jörg Lehmann aus Meppen gegen ein Verbot der Antibiotika, weil die Tiere nicht mehr behandelt werden könnten.

Dr. Claudia Preuß-Ueberschär, Tierärzte für eine verantwortbare Landwirtschaft e.V. und Dr. Johann Müller, Dörpen, äußerten sich im Vorfeld der Entscheidung dazu in einem Leserbrief, der aber bisher nicht erschienen ist und den wir hier dokumentieren:

"Jährlich sterben global 700.000 Menschen an multiresistenten Keimen, in der EU derzeit 33.000, in Deutschland 2000 - Tendenz steigend mit einer vermutlich hohen Dunkelziffer. Weltweit sind dadurch die Gesundheitssysteme in Gefahr.

Die EU befasst sich seit Jahren mit dem Problem und will nun entgegenwirken. Dazu wird im September das Europäische Parlament über die neue Tierarzneimittelgesetzgebung entscheiden, weil nicht nur der falsche und zu häufige Einsatz von Antibiotika (AB) in der Humanmedizin, sondern auch der massenhafte Einsatz in der Tiermedizin zur Steigerung von Resistenzen beiträgt.

2019 wurden in Deutschland 339 Tonnen Antibiotika an Menschen verabreicht, dagegen aber 670 Tonnen in der Tiermedizin - überwiegend bei „Nutztieren“. Deutschland nimmt damit pro Kilogramm „Nutztier“ mit 89,9 Milligramm einen unrühmlichen europäischen Spitzenplatz ein.

Der immer wieder angeführte Rückgang der in der Tiermedizin eingesetzten Antibiotikamengen um etwa die Hälfte ist kein Indiz für weniger Behandlungen, sondern im Wesentlichen die Folge des Einsatzes von hochwirksamen Stoffen, die als Reserveantibiotika in der Humanmedizin gelten. Diese werden in geringerer Dosierung pro kg Körpergewicht angewendet und erzielen dabei die gleiche Wirkung, verfälschen so aber die Mengenangaben.

Auch, dass angeblich nur 5 % der multiresistenten Keime beim Menschen auf Tiere zurückzuführen seien, ist nur ein Teil der Wahrheit, weil eine Rückverfolgung nur bei wenigen Keimen gelingt. Bei dem sogenannten „Schweinekeim“ MRSA CC 398 ist dies möglich, bei anderen resistenten Keimen kaum, wie z. B. bei solchen, die ihre Resistenzen über den horizontalen Gentransfer auch an andere Bakterienarten übertragen können.

Der genaue Zusammenhang zwischen dem Anteil des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung und der Anzahl der Infektionen beim Menschen lässt sich laut Robert Koch Institut nicht oder nur schwer darlegen.

Aber letztlich tut das nichts zur Sache, denn die Tierhaltung findet keineswegs in geschlossenen Systemen statt. Und so gelangen Keime nicht nur über tierische Nahrungsmittel, sondern auch über Gülle oder Luft in die Umwelt, und das gilt eben auch für die eingesetzten Antibiotika.

Etwa 95 % der verabreichten AB durchlaufen den Verdauungstrakt unverändert, werden also als aktive Substanzen wieder ausgeschieden und verändern das Bodenleben. Auch auf diesem Weg gelangen resistente Keime in die Nahrungskette.

Beim aktuellen Vorhaben der EU hat nun der deutsche Abgeordnete der Grünen, Martin Häusling, im zuständigen Ausschuss ein Veto gegen einen geplanten Rechtsakt eingelegt. Es richtet sich gegen die Praxis der Verabreichung von Reserveantibiotika an Tieren, die lediglich vorgenommen werden, weil angeblich das Tierwohl gefährdet wäre. Als Begründung gibt Häusling völlig zurecht an: „Der Begriff "Tierwohl" ist ein viel zu schwammiger Begriff. Es würde sich so an der Praxis der industriellen Tierhaltung nichts ändern, bei der massenhaft Reserveantibiotika an überwiegend gesunde Tiere in defizitären Haltungsbedingungen verabreicht werden.“

Reserveantibiotika haben in großer Menge in Mastställen nichts zu suchen. Tiere müssen so gezüchtet und gehalten werden, dass sie in ihrem kurzen Leben nur in Ausnahmefällen Antibiotika benötigen. Einzeltiere sollen selbstverständlich auch weiter mit diesen Substanzen behandelt werden dürfen, wenn es zwingend notwendig ist!  Es braucht nun eine genaue und sachliche Auseinandersetzung, aber keine verunglimpfende Kampagne, die mit den Ängsten der Heimtierbesitzer spielt und suggeriert, dass ihre Haustiere sterben müssten. Diese Kampagne einzelner Tierärzteorganisationen beruft sich auf falsche Fakten und ist leicht zu durchschauen. Die Leiden der Tiere in der industriellen Tierhaltung und die von dieser Praxis ausgehenden Gefahren für die Gesundheit von Tier und Mensch liegen der Tierärzte-Lobby wohl nicht so nahe. Vielmehr sind hier wirtschaftliche Interessen anzunehmen, da Tierärzte an dem Verkauf von Antibiotika  mitverdienen." [jdm]

Friedrich Merz ist keine Witzfigur – er ist gefährlich.

Friedrich Merz ist das bekannteste Mitglied des achtköpfigen Kompetenzteams von CDU-Kandidat Armin Laschet – so bekannt, dass er sich die Namen der KollegInnen seines Teams nicht merken kann. Eine Steuererklärung, die so einfach ist, dass sie auf einen Bierdeckel passen sollte, war seine öffentlichkeitswirksame Idee von 2003.

Steuergesetze, die alle Bürger gleich behandeln – egal ob arm oder reich – sind der feuchte Traum aller Neoliberalen. Merz’ Idee wäre eine gigantische Umverteilung des Reichtums von Arm nach Reich gewesen. Daran haben die Regierungen seit 2003 zwar auch alle gearbeitet, aber doch etwas dezenter, als es Merz’ Vorstellungen entsprochen hätte.

Und jetzt ist er wieder da. Und viele halten ihn für einen Wirtschaftsexperten. Ja warum eigentlich? Weil er reich und skrupellos ist? Offensichtlich. Nach dieser Logik wäre auch jeder 100jährige Mensch der geborene Klinikchef.

Werner Rügemer beschreibt in seinem Buch „BlackRock & Co enteignen! Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht“ (2021) die Stationen des Friedrich Merz.

Merz war von Anfang 2016 bis Dezember 2020 der oberste bezahlte Lobbyist des aktuell größten Kapital-Verwalters im US-geführten Westen, BlackRock, in Deutschland. Merz war seit 2009 Vorsitzender des Thinktanks Atlantikbrücke. Dieser Verein, der Banker und Industrielle aus der BRD und den USA vereint, versucht mit „Förderprogrammen“ Politiker und Medienvertreter auf ihre Wirtschaftsinteressen einzuschwören. Neben dem Abbau von die Wirtschaft und die Finanzwirtschaft regulierenden Gesetzen und dem Abbau der Sozialstaatlichkeit spielen auch die Rüstungsinteressen der USA und der NATO eine große Rolle in dessen Tätigkeit. Merz sollte sein dort gespanntes Netzwerk für BlackRock nutzen.

Zuvor wurde Merz 2005 als Bundestagsabgeordneter mit acht bezahlten Nebentätigkeiten in deutschen Unternehmen Miteigentümer der US-Kanzlei Mayer Brown: Sie hatte in Düsseldorf ihre Deutschland-Filiale eingerichtet. Sie setzte sich in Deutschland für die Zulassung der u. a. von BlackRock in den USA entwickelten Finanzprodukte ein: verbriefte Immobilienkredite, Index-Aktien, Derivate, strukturierte Wertpapiere. Schon frühzeitig warb Merz auch für die von BlackRock forcierte Privatisierung der Rente mithilfe solcher Geldanlagen.

Mayer Brown bekam 2010 von der Bankenrettungs-Institution der Bundesregierung, Soffin, den Auftrag, die marode Westdeutsche Landesbank (WestLB) zu verkaufen. Tageshonorar für Merz: 5.000 Euro. Für den erfolglos abgewickelten Auftrag erhielt die Kanzlei 11 Millionen Euro aus Steuergeldern, Merz erhielt davon 1,9 Millionen.

Die Cum-Ex-Geschäfte von BlackRock in Deutschland, bei denen Kunden gegen Honorar Leihaktien überlassen wurden, um vom Staat nie gezahlte Steuern „erstattet“ zu bekommen, fanden kurz vor Merz’ Amtsübernahme statt. Eine der Hauptbeteiligten war die Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt. Natürlich war Merz in deren Aufsichtsrat und Vorsitzender des Verwaltungsrates. Dass Merz nichts zur Aufklärung der Betrügereien dieser Bank, zu deren Kunden Henkel, Haniel, E.ON, Evonik, Deichmann, Gothaer Versicherungen, Pfeifer & Langen, Bertelsmann, Innogy, Airbus, der baden-württembergische Multimilliardär Würth, das Institut für Demoskopie Allensbach und das Institut für Weltwirtschaft Kiel, gehörten, beitrug, sollte jedem klar sein. Die Betrügereien waren natürlich „Alleingänge“ einzelner Mitarbeiter.

Als Bundestagsabgeordneter und CDU-Fraktionsvorsitzender hatte er zahlreiche bezahlte Nebentätigkeiten in und für Privatunternehmen: AXA Versicherungen, Commerzbank, Deutsche Börse, BASF, Interseroh (Abfallentsorgung), Möller & Förster (Hamburger Baumärkte), Odewald & Compagnie (deutsche „Heuschrecke“), Rockwool (größter Hersteller von Dämmstoffen aus Steinwolle), Ernst & Young, Mayer Brown. Er gehörte neben fünf anderen Abgeordneten zu einer kleinen Gruppe, die gegen die gesetzliche Erhöhung der Transparenz bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten klagten.

Merz fand, dass die „Heuschrecken“, also Schattenbanken, wie BlackRock oder Hedgefonds, die Firmen aufkaufen, zerstückeln, Menschen entlassen und dann weiterverkaufen, gut für Deutschland sind. Steueroasen findet er  gut, weil sie „die Rendite der Investoren erhöhen“, was sogar stimmt. Allerdings verarmen die Staaten, in denen die Geschäfte der Investoren gemacht werden.

Um den Flughafen Köln-Bonn zu privatisieren, setzte Laschet Merz als Aufsichtsratsvorsitzenden des Flughafens ein. Der warf den Geschäftsführer raus und sorgte dafür dass Unternehmensteile günstig bei BlackRock landeten. Der Pensionsfonds des Landes NRW wurde Kunde bei BlackRock. Die Wuppertaler Steuerfahndung wurde, weil sie erfolgreich war (Steuer-CDs aus der Schweiz), aufgelöst.

Trotz seines Vermögens und hohen Einkommens versucht Merz sich immer als „Mittelschichtler“ darzustellen., kann es aber nicht lassen, sich mit der Mitgliedschaft im Rotary-Club Arnsberg, mit zwei Privatjets, mit Ferienhaus am Tegernsee, mit dicken Zigarren und teurem Rotwein, groß zu tun.

Aber Merz hat zum Teil recht: Er ist nicht der Großaktionär, wie Henkel, die Quandts und wie sie alle heißen, sondern er ist deren gut bezahlter Laufbursche für die schmutzigen Geschäfte.

Und seine wirtschaftspolitische Kompetenz? Von der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 wurde er vollkommen überrascht. Merz war Mitglied im Beirat der Wirtschafts“prüfungs“gesellschaft Ernst & Young die als Wirtschaftsprüfer der maroden Wall Street-Bank Lehman Brothers bis zuletzt deren Bilanzen geschönt hat. Bei Wirecard hat Ernst&Young diese Leistung wiederholt.

Was ist Merz’ Programm? Er will keinen Mindestlohn. Er will den Kündigungsschutz abschaffen. Die Wochenarbeitszeit soll auf 42 Stunden erhöht werden. Hartz IV-Empfänger sollen von 132  im Monat leben. Die Rentenversicherung soll durch eine kapitalgedeckte Rentenversicherung durch private Konzerne, wie BlackRock, ersetzt werden. Staatliche Zuschüsse für Renten soll es nicht geben. Die Armen sollen stattdessen Aktien kaufen. Subventionen für Unternehmen soll es aber schon geben. Die Krankenversicherung soll nur Basisleistungen erbringen, Zahnversorgung soll ganz abgeschafft werden. Er ist für Kohle, Braunkohle und Atomenergie. Gewerkschaften sollen raus aus den Betrieben und die Mitbestimmung soll abgeschafft werden. Hochschulen sollen privatisiert werden und Schulen auch. Das Schulgeld, das bezahlt werden soll, soll aber steuerlich geltend gemacht werden können. Er will aufrüsten gegen Russland und China.

Und sein Großvater, der 1933 in die SA und 1938 in die NSDAP eingetreten war und Bürgermeister in Brilon war, war nach seinen Worten kein Nazi, weil er ja Katholik war.

Merz ist trotzdem keine Witzfigur – er ist gefährlich. [jdm]

Linke stellt 7-Punkte-Plan für bezahlbares Wohnen vor

Die Frage nach einer bezahlbaren Wohnung ist für sehr viele Menschen zu einer existenziellen Frage geworden, weil die Mieten kaum bezahlbar geworden sind. Ein immer größerer Anteil des Einkommens muss für die Miete aufgewendet werden.

Dem größten deutschen Wohnungskonzern Vonovia sicherte die Wohnungsnot 2020 eine Dividende von knapp einer Milliarde Euro. CDU, SPD und die Grünen verlassen sich auf den „Markt“, der das Problem lösen soll. Nur kleine Korrekturen, die sich dann wieder als neue Subventionen für die Konzerne entpuppen, werden von ihnen vorgeschlagen.

Gestern hat die Linke in einer Pressekonferenz einen 7-Punkte-Plan für bezahlbares Wohnen vorgeschlagen, der tatsächlich etwas verbessern könnte.

Die ersten beiden Punkte sehen die Rettung des sozialen Wohnungsbaus und die Wiederbelebung von Wohnungsbaugenossenschaften vor. Dabei soll die Gemeinnützigkeit auf Dauer festgeschrieben werden und nicht nur für die kurzen Bindungsfristen, die sich in der Praxis nur als Subvention für die Konzerne dargestellt haben. Das Genossenschaftswesen soll durch eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und eine privilegierte Vergabe von Grundstücken gestärkt werden. Der Neubau durch Genossenschaften sowie deren Neugründung wird gefördert. denn nur wenn ein Angebot von sozial verträglichen Wohnungen auf Dauer besteht, ist dem spekulativen Wohnungsmarkt ein Antrieb genommen.

Ein Mietendeckel aus Mietenstopp, Mietobergrenzen und Mietsenkung soll die Wohnungsnotlage zusätzlich begrenzen. Die Bodenspekulation soll verhindert werden, um den Anstieg der Baulandpreise, der den Neubau bezahlbarer Wohnungen nahezu unmöglich macht, zu begrenzen. Die Steuerfreiheit bei Immobilienverkäufen soll - außer bei Selbstnutzern- abgeschafft werden. Das Steuerschlupfloch Sharedeals soll geschlossen werden.

Wohnen ist nach Ansicht der Linken ein Grundrecht, so dass niemand wohnungslos sein dürfe. Räumungen in die Wohnungslosigkeit sollen grundsätzlich verboten werden. Ein solcher Antrag im Bundestag wegen Corona wurde nur von den Grünen unterstützt.

Klimaschutz im Wohnungsbau soll durch Vorgaben für die Sanierung und durch zusätzliche öffentliche Zuschüsse in Höhe von 5 Milliarden Euro pro Jahr vorankommen, ohne Mieterinnen und Mieter zu belasten. Die Modernisierungsumlage, die meist nur ein Vorwand für Mieterhöhungen ist, soll abgeschafft werden. Ein neu zu schaffendes Bauministerium soll die Aufgaben und Maßnahmen  in der Wohnungspolitik bündeln. [jdm]

Großdemonstration #unteilbar am 04.09.2021 in Berlin

Am 04.09.2021 findet die Großdemonstration #unteilbar – Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft in Berlin statt. Im Aufruf heißt es, in der Coronakrise werde der Abstand zwischen Wohlstand und Armut noch größer. Menschen im Niedriglohnsektor, in prekärer Beschäftigung und ohne Einkommen werden nicht nur sozial und wirtschaftlich härter von der Krise getroffen. Sie haben auch ein deutlich erhöhtes Risiko, schwer an Covid 19 zu erkranken. Derweil steigen Mieten ungebremst. Viele Menschen müssen in zu kleinen Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Geflüchtete müssen in Lagern leben. Arbeitsmigrant*innen, etwa in der Fleischindustrie oder in der häuslichen Pflege, arbeiten oft jenseits aller sozialen Standards. Der große Personalmangel im Gesundheits- und Pflegebereich und, damit verbunden, die nicht hinnehmbaren Arbeitsbedingungen sind Folgen jahrzehntelanger Kommerzialisierung. Und es sind vor allem Frauen, die die Krise mit bezahlter und unbezahlter Sorge-Arbeit abfedern.

Die Auswirkungen dieser Politik seien für alle spürbar: Sie verstärke Ungleichheit und spalte unsere Gesellschaft. Rassistische, antifeministische und antisemitische Gewalt nehmen zu. Die wachsende Ungleichheit zeigt sich auch auf internationaler Ebene: Statt Impfstoffe zu globalen öffentlichen Gütern zu machen – wie im letzten Jahr versprochen –, haben sich die reichsten Länder den Löwenanteil gesichert und die Patente bleiben in den Händen weniger Großunternehmen. Obwohl der Klimawandel ungebrochen voranschreitet, wird der dringend notwendige sozial-ökologische Umbau nationalen Egoismen und kurzfristigen Profitinteressen geopfert.

Die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes Ver.di hat sich mit #unteilbar und Fridays for Future (FFF) auf ein Arbeitspapier geinigt, um einen Ausgangspunkt für weitere Gespräche und Aktivitäten sowie Eckpunkte der inhaltlichen Zusammenarbeit für eine solidarische und nachhaltige lebenswerte Gesellschaft zu haben. [jdm/Foto #unteilbar-Matthias Coers]

Folgen des BGH-Urteils für die Kontoführungsgebühren

Zurzeit holen sich die Banken ein schriftliches Einverständnis von ihren Kunden zu Preiserhöhungen und Vertragsanpassungen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dies ist eine Folge eines Urteils des Bundesgerichtshofes vom April 2021 auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) gegen die Postbank. Darin wurde entschieden, dass die Änderungen nicht einfach einseitig durch die Bank verkündet werden dürfen. Eine Erhöhung von Kontoführungsgebühren war demnach unwirksam. Wir fragten bei David Bode, Referent im Team Rechtsdurchsetzung beim vzbv nach Einzelheiten:

Darf die Bank ein Girokonto kündigen, wenn man den neuen Bedingungen nicht zustimmt, und wie wäre ggf. das Verfahren (schriftlich?) und mit welcher Frist?

Wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und das Kündigungsrecht wirksam vereinbart wurde, besteht grundsätzlich ein Kündigungsrecht für die Kreditinstitute. Und dieses besteht nicht erst seit dem BGH-Urteil. Einen Grund benötigt eine Bank hierfür grundsätzlich nicht, sodass durchaus auch gekündigt werden kann, wenn den neuen Bedingungen nicht zugestimmt wird. Für Sparkassen gelten weitere Einschränkungen. Diese dürfen aufgrund ihres Grundversorgungsauftrages nur kündigen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Manch eine Landessparkassenverordnung verlangt sogar das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ob eine ausbleibende Zustimmung zu den neuen Bedingungen eine sparkassenseitige Kündigung rechtfertigt, ist eine Frage des Einzelfalls. In jedem Fall hat die Kündigung auf einem dauerhaften Datenträger zu erfolgen und die Kündigungsfrist muss mindestens zwei Monate betragen.

Welche Zeit muss dem Kunden eingeräumt werden, ein Konto bei einer anderen Bank einzurichten und welche Hilfe muss die Bank leisten, damit der Kontoverkehr (Abbuchungen im Einzugverfahren, Daueraufträge ändern, etc) reibungslos weiterläuft?

Für die Umstellung des Kontos gibt es die einzuhaltende Mindestkündigungsfrist. Daneben gibt es auch seit 2016 einen gesetzlichen Anspruch auf eine Kontowechselhilfe. Hier sind Banken innerhalb kurzer Fristen zu umfangreichen Mitwirkungshandlungen verpflichtet.

Gilt dies alles nur für Konten von Privatpersonen oder auch für Geschäftskonten von beispielsweise Kleinunternehmen?

Viele gesetzliche Regelungen schützen nur Verbraucher:innen. Hierzu gehört auch die Kontowechselhilfe. Auch können Banken die Kündigungsvoraussetzungen gegenüber Nichtverbrauchern etwas lockerer gestalten.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bleiben den Kunden, wenn er nicht zustimmt?

Wie bereits vor dem Urteilsspruch des BGH können Kunden, wenn sie mit den vorgeschlagenen Vertragsänderungen nicht mehr einverstanden sind, sich eine andere Bank suchen und den Vertrag mit ihrer aktuellen Bank kündigen. Kunden, die nicht zustimmen, können allerdings auch einfach zunächst das Vertragsverhältnis weiterlaufen lassen, wobei dann selbstverständlich die alten Bedingungen und Preise gelten. Diesen Kunden sollte jedoch bewusst sein, dass ihnen in diesem Fall grundsätzlich auch die bankenseitige Kündigung drohen kann, wenn die Bank nicht bereit ist, den Vertrag unter diesen Umständen fortzuführen. Doch auch im Falle einer Kündigung durch die Bank ist der Kunde immer noch durch die Form- und Fristvorschriften geschützt, sodass der Fall eines plötzlichen Kontoverlustes eigentlich nicht eintreten kann. [HM]

Landwirtschaftsministerin Klöckner verweigert sich dem Moorschutz

Von den 1,8 Mio. ha Mooren in Deutschland sind etwa 92% entwässert, nur 2 % der Moore sind in einem natürlichen, nassen Zustand. Die entwässerten Moore sind verantwortlich für 5,7 % der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. Die Pflanzenfasern im Torf der ausgetrockneten Moore vermodern an der Luft und setzen CO2 frei. Ein Wiedervernässen könnte den Prozess stoppen.

Das ist schon länger bekannt und angesichts der Größenordnung für den Klimaschutz keine Kleinigkeit. Die Bundesregierung hatte deshalb im Koalitionsvertrag eine „Moorschutzstrategie“ beschlossen; in den vor allem im Norden befindlichen Bundesländern mit besonders vielen Mooren existierten viele landwirtschaftliche Flächen auf Mooren, die sich wiedervernässen ließen. Das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium teilten Anfang des Monats mit, dass sie sich nicht auf eine Strategie einigen konnten.

Ein Sprecher des BMU teilt auf unsere Anfrage hierzu mündlich mit, dass ein Vorschlag dieses Ministeriums mit den beteiligten Verbänden und in der Bundesregierung abgestimmt worden sei, wobei das Landwirtschaftsministerium (BMEL) allerdings dem Vorschlag nicht zugestimmt habe. Dabei sei nicht deutlich geworden, welche Vorstellungen das BMEL selber habe. Offensichtlich blockiert das Landwirtschaftsministerium eine Einigung zum Moorschutz. Das BMU wird deshalb die eigene Strategie Anfang September 2021 veröffentlichen und hofft auf eine Einigung nach der Bundestagswahl.

Um den Treibhausgasausstoß der Moorböden bis 2030 um mindestens 5 Millionen Tonnen zu senken, sollte laut BMU-Vorschlag die Landwirtschaft freiwillig den Wasserspiegel unter Äckern und Wiesen in Mooren anheben. Weil sich die Flächen dann nicht mehr wie gewohnt nutzen lassen, sollten die Bauern dafür Geld vom Staat bekommen. Für den Naturschutzbund war das zwar zu wenig, aber „besser als nichts“.

Es ist nicht so, dass sich die wiedervernässten Flächen überhaupt nicht mehr landwirtschaftlich nutzen lassen. Die Nutzung bei hohen, flurnahen Wasserständen heißt Paludikultur (Quelle ab Seite 20). Das ist eine vollkommen andere Form der Bewirtschaftung und verlangt neue Investitionen der Bauern, die ihnen natürlich entweder durch Zuschüsse direkt vom Staat oder über entsprechende Produktpreise ermöglicht werden müssten. Moorpflanzen, wie Schilf, Rohr oder Torfmoose haben wegen der schwierigen Lebensverhältnisse im Moor ganz besondere Eigenschaften, die sie für die Baustoffindustrie oder den Gartenbau interessant machen. Reet als traditionelles Material für die Dächer ist bekannt, aber auch Schilf ist ein nachwachsender Rohstoff für Bedachung und Dämmung mittels Schilfplatten. Torfmoose können geerntet werden und als Ersatz für Torf in Gartenerde verwendet werden. Auch eine energetische Verwertung von Biomasse ist möglich. In einem Papier vom Wuppertal-Institut zum Klimaschutzplan (ab Seite 271) wird auch gefordert, dass die Paludikultur analog zur Förderung von Öko-Landwirtschaft mit einem Weiterbildungsprogramm zur Moorbewirtschaftung auf allen Ebenen von Allgemeinbildenden Schulen über Berufsschulen bis zu den Universitäten begleitet wird.

Diese Moorschutzstrategie betrifft nur die Flächen in Deutschland. Dass es klimapolitisch ein Unding ist, dass Deutschland zur Düngung seiner Ziergärten weiterhin Unmengen von Torf aus den baltischen Staaten einführt und durch die Importpolitik dort zur Vernichtung riesiger Moorgebiete beiträgt, wird von dieser Strategie nicht berührt. Die Entwicklung von torfreduzierten Gartenerden könnte die Importe zurückdrängen, hat aber nur am Rande mit der oben beschriebenen Moorschutzstrategie zu tun. [jdm/HM]

Ems-Zeitung: Ignoranz am laufenden Band

Gleich drei Kommentare in der heutigen Ems-Zeitung strotzen vor historischer Ignoranz und versuchen das Regierungshandeln durch das Nicht-Herstellen von Zusammenhängen zu verteidigen.

In Katharina Ritzers Kommentar zum Vormarsch der Taliban beklagt sie das Scheitern des Westens und redet von den „Steinzeit-Islamisten“ in Afghanistan. Kein Wort dazu, dass der „Westen“ dort nie etwas verloren hatte und dass der Einmarsch des „Westens“, also von US-Soldaten und –Drohnen, sowie von deutschen Soldaten, die auch mal US-Bomber in Richtung Zivilisten lenkten, mit der absurden Lüge begründet wurde, Afghanistan führe mit dem Angriff auf das World Trade Center am 11.09.2001 einen Krieg gegen die USA. Ritzers Schlusssatz „Millionen an deutscher Entwicklungshilfe für diese so bittere wie gefährliche Entwicklung muss der Westen aber wirklich nicht auch noch geben, da hat Heiko Maas recht“ zeigt die menschenverachtende Ignoranz am besten: Jetzt haben wir das Land endgültig zerstört. Sollen die Überbleibsel doch verrecken! Und das Absurde ist: Wenn der „Westen“ sich endlich ganz heraushalten würde, hätte das Land eine Chance, sich zu erholen.

Nina Kallmeier macht natürlich bei der Verurteilung des Eisenbahnerstreiks mit. Wenigstens erkennt sie, dass das Tarifeinheitsgesetz einen Graben zwischen den Gewerkschaften geschaffen hat; man könnte auch sagen, das Gesetz hat die Beschäftigten gespalten. Und das war ja die Absicht der Gesetzesmacher. Auch ihr Schlusssatz zeigt, dass sie sich anscheinend noch nie mit dem Geschäftsgebaren der Deutschen Bahn beschäftigt hat: „Diese interne Auseinandersetzung geschieht jedoch nicht nur auf dem Rücken der Bahnreisenden, sondern auch auf dem aller Steuerzahler, die für das streikbedingte zusätzliche Defizit des ohnehin schon klammen Staatsbetriebs aufkommen müssen.“ Die enormen Defizite der Deutschen Bahn sind nicht entstanden, weil die Beschäftigten einen Inflationsausgleich erstreiken wollen und ihre Altersversorgung sichern wollen, sondern weil der Bahnvorstand als Aktiengesellschaft weltweit in sinnlose Projekte investiert, z. B. in den Kauf von Bahngesellschaften und LKW-Speditionen überall in der Welt, aber auch in Deutschland in sinnlose Bahnhöfe, sinnlose Tunnel und in Bahnrennstrecken für ein paar Geschäftsreisende, statt in die Ertüchtigung des Güterverkehrs und einen Öffentlichen Nah- und Fernverkehr, der es den Menschen möglich macht, auf die CO2-Schleuder Auto zu verzichten.

Und Corinna Clara Röttker findet angesichts der Fridays for Future-Demonstrationen gegen die Finanzkonzerne die Haltung: Ganz unrecht haben die Kinder nicht, aber lass die Großen mal machen. Sie verweist auf die geplante EU-Taxonomie, mit der Investitionen als CO2-neutral oder eben nicht als CO2-neutral eingeordnet werden können. Umweltschützer haben schon darauf hingewiesen, dass nach den EU-Regeln die ganzen bekannten Umweltsünder-Konzerne, auch der Bau neuer Atomkraftwerke, plötzlich als CO2-neutral gelten. Auch wenn die EU-Regeln besser sind, als der bisherige ungeregelte Zustand, handelt es sich doch eigentlich um ein Greenwashing-Projekt.

Im Deutschlandfunk-Bericht von der Demonstration ließ der Reporter Mischa Ehrhardt, der auch für die NOZ arbeitet, einen bräsigen Passanten zu Wort kommen: Die Kinder, die hier demonstrieren, "haben doch keine Ahnung von der Arbeitswelt.“ Ähnlich, aber besser formuliert lautet Röttkers Kommentar: „Insofern mögen Demonstranten von Fridays for Future mal wieder auf sich aufmerksam machen. Ein tatsächlicher Wandel aber findet erst und nur dann statt, wenn auch der politische Druck auf die Banken groß genug ist.“ Dass der „politische Druck“ eben gerade von den Demonstranten mit aufgebaut wird, kommt ihr nicht in den Sinn. Trotz des letzten dramatischen Appells des Weltklimarates, zeigen die Politiker und die so genannten Wirtschaftsführer, nichts als ein „Weiter-so“. Neue Projekte werden als klimafreundlich angemalt, bezeichnet und verkauft, ohne dass sich am CO2-Ausstoß tatsächlich etwas ändert. Grüne Labels und Stromverbrauch, statt Ölverbrauch, ändern nichts. [jdm]

Stallbrände: Grüne legen Brandschutzkonzept vor

Immer wieder kommt es zu dramatischen Stallbränden mit hunderten oder gar tausenden von toten Tieren. Auch im Agrarland Niedersachsen mussten allein in den letzten zwei Jahren etliche Stallbrände von den freiwilligen Feuerwehren gelöscht werden. Eine Rettung der Tiere war aufgrund der räumlichen Bedingungen in der Regel nicht möglich. Eine offizielle Statistik, die das Problem erfasst gibt es nicht. Die Grünen listen in ihrer Pressemitteilung folgende Brände auf: Essen (Landkreis Oldenburg) Mai 2019 1.500 Schweine, Neuenkirchen-Vörden (LK Vechta) Juli 2019 86.500 Legehennen, Nordholz (LK Cuxhaven) Januar 2020 5.000 Hühner, Gemeinde Hesel (Landkreis Leer) August 2020 50 Rinder, Versuchsgut der Universität Göttingen (Landkreis Northeim) August 2020 1.200 Schweine, Friesoythe (LK Cloppenburg) September 2020 900 Schweine, Lutter (LK Goslar) November 2020 Brand auf Hühnerfarm. Die Liste ließe sich verlängern um weitere länger zurückliegende Brände: 2018 in Neudörpen, 460 Schweine oder in Garrel 2018, 2300 Schweine.

Nun haben die GRÜNEN einen Antrag in den Agrarausschuss des Landtags eingebracht, in dem sie selbst Eckpunkte für ein Brandschutzkonzept vorlegen. Dieses enthält für alle neuen großen Tierhaltungsanlagen schärfere Mindestanforderungen an den Brandschutz , wie z. B. automatische Brandmeldeanlagen mit direkter Rufweiterleitung an die entsprechende Einsatzleitstelle, eine gesicherte Löschwasserversorgung, eine Feuerwiderstandsdauer für alle tragenden und aussteifenden Bauteile einschließlich des Dachtragwerks sowie von Innenverkleidungen und abgehängten Decken von mindestens F 30, automatisch auslösende Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, automatisch auslösende, breite Fluchttüren mit einem maximalen Abstand von 25 Metern und vieles mehr. [jdm]

Edward Snowden fordert angesichts der Pegasus-Enthüllungen ein Handelsverbot für Spyware

Zum Interviwe mit Edward Snowdon in The Guardian

In einem Interview mit der englischen Zeitung „The Guardian“ hat Edward Snowdon gefordert, die Regierungen müssten ein globales Moratorium für den internationalen Handel mit Spyware verhängen oder sich einer Welt stellen, in der kein Mobiltelefon vor staatlich geförderten Hackern sicher ist. Snowden, der 2013 Abhörtechniken des US-Geheimdienstes NSA aufgedeckt hatte, äußerte sich im Zuge der Enthüllungen über die Kunden der NSO Group aus Israel, die ihre Hackersoftware – legal – an verschiedene Staaten, u. a. Spanien, Ungarn, Vereinigte Arabische Emirate, Aserbaidschan und Saudi-Arabien, verkauft hatte.

Die NSO Group sagt, sie nehme ethische Überlegungen ernst, unterliege den Exportkontrollregimen von Israel, Zypern und Bulgarien und verkaufe nur an überprüfte Regierungskunden.

Für traditionelle Polizeieinsätze mit der Platzierung von Wanzen müssten die Strafverfolgungsbehörden "in das Haus von jemandem einbrechen, oder zu seinem Auto gehen, oder in sein Büro gehen, und wir würden gerne glauben, dass sie wahrscheinlich einen Durchsuchungsbefehl bekommen", sagte Snowdon.

Aber kommerzielle Spionageprogramme machten eine gezielte Überwachung von weitaus mehr Menschen kosteneffizient. "Wenn sie dasselbe aus der Ferne tun können, mit geringen Kosten und ohne Risiko, fangen sie an, es ständig zu tun, gegen jeden, der auch nur am Rande von Interesse ist", sagte er.

"Wenn man nichts tut, um den Verkauf dieser Technologie zu stoppen, werden es nicht nur 50.000 Ziele sein. Es werden 50 Millionen Ziele sein, und es wird viel schneller passieren, als irgendjemand von uns erwartet."

Da weltweit die identische Software auf den Handys verwendet würde, könne der, der einen Weg zum Hacken eines Handys gefunden haben, alle Mobiltelefone hacken.

Er verglich Unternehmen, die Schwachstellen in weit verbreiteten Handy-Modellen kommerzialisieren, mit einer Industrie von "Infektiologen", die bewusst versuchen, neue Stämme von Krankheiten zu entwickeln.

"Es ist wie eine Industrie, in der das Einzige, was sie tun, ist, maßgeschneiderte Varianten von Covid zu entwickeln, um Impfstoffe zu umgehen", sagte er. "Ihre einzigen Produkte sind Infektionsmöglichkeiten. Sie sind keine Sicherheitsprodukte. Sie bieten keine Art von Schutz, keine Art von Prophylaxe. Sie stellen keine Impfstoffe her - das einzige, was sie verkaufen, ist der Virus."

Snowden sagte, dass kommerzielle Malware wie Pegasus so mächtig sei, dass normale Menschen faktisch nichts dagegen tun könnten. Auf die Frage, wie man sich schützen könne, antwortete er: "Was können die Menschen tun, um sich vor Atomwaffen zu schützen? Es gibt bestimmte Industrien, bestimmte Sektoren, vor denen man sich nicht schützen kann, und deshalb versuchen wir, die Verbreitung dieser Technologien zu begrenzen. Wir erlauben keinen kommerziellen Markt für Atomwaffen."

Der einzige Grund, warum NSO diese Software herstelle und verbreite, sei nicht, die Welt zu retten, sondern um Geld zu verdienen. Ein globales Verbot des Handels mit solcher Spionagesoftware werde den kommerziellen Missbrauch von Sicherheitslücken in Mobiltelefonen verhindern, während es Forschern weiterhin möglich wäre, diese zu identifizieren und zu beheben. [jdm]