VON WILHELM MEYER
Das Holzmaterial ist für unser Gebiet in den meisten
Fällen die wilde Weide, auch das Holz vom Haselstrauch
eignet sich für die Technik des Fädenziehens. Beim
Holunderholz und den dünnen Trieben des Walnußbaumes
muß man das Messer zum Schaben ansetzen, um Locken und Blumen zu zaubern.
Zum Üben ist das frische Holunderholz für Anfänger auch zum
Fädenziehen gut geeignet. Es ergibt zwar keine Locken, man erlernt aber
leichter die Messerführung bei den Weiden. Die alten Hasen"
unter den Tunscherenmachern haben meistens eine eigene Art, so wie in der
fertigen Form, als auch in der Bearbeitung des Holzes. Fast jeder schwört
auf sein Spezialmesser, welches ein Fremder ja nicht verderben darf. Die
Anordnung des Führungshölzchens auf dem Messer ist auch sein Patent.
In der Behandlung des ausgesuchten Materials, der Weidenstämmchen, sind
sich aber alle einig. Schon in den Sommermonaten wird der Standort der besten
Hölzer erkundet. Unter den wilden Weiden wird die sogenannte
Sandweide bevorzugt. Sie hat in der Vegetationszeit ein
verhältnismäßig großes Blatt in ovaler Form. Im Winter
erkennt man sie an der vergleichbar hellen Rinde mit gelblichen Spitzentrieben.
Von diesem Gebüsch nimmt man möglichst die Wasserschosser. Sie
haben keine Verästelungen und nur schwache Blattansätze. Auch die
Schosser der grauen Weide mit den kleineren Blättern sind für
das Ziehen des lockigen Gespinstes geeignet. Strauchweiden und auch
Korbweiden taugen nicht für diesen Zweck.
Im Interesse des Naturschutzes und der
Bienenzucht sei hier festgestellt, daß das Herausschneiden der
Schosser aus den Weidenbüschen das Blütenholz fördert. An
Gräben, Wegen und Ackerrändern müssen die Weiden
notwendigerweise zurückgeschnitten werden. Von diesen Standorten kann man
auch sein Material holen.
In der Vorweihnachtszeit
werden dann diese glatten Stämmchen geschnitten und geschält. Sie
sollten ohne Rinde 3-3,5 cm Durchmesser haben. Bis zur Verarbeitung an
den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr müssen sie in einem trockenen,
aber nicht zu warmen Raum lagern, etwa im Heizungsraum. Nach einer Woche ist
die gewünschte Zähigkeit erreicht; feuchtes Holz fusselt,
trockenes bricht. Der Neuling unter den Krüllenmachern muß die
Form seines Messers selbst erproben. Ein kleines Führungshölzchen
auf der Spitze des Messers ist in jedem Fall erforderlich. Es muß aus
trockenem Hartholz sein. Eine Verästelung aus einem alten Birkenbesen oder
ein Stück einer Wäscheklammer aus Eschenholz haftet am besten an der
Messerspitze. Um einer Handverletzung vorzubeugen, schlägt man das Messer
mit einem kleinen Hammer vorsichtig in das Stückchen Hartholz. Das
Schleifen des Messers sollte auf einem Sandstein erfolgen. Abgezogen wird es
dann mit einem Ölstein. Mit einer spitz zugeschliffenen Messerklinge
erreicht man die sicherste Führung am Weidenstämmchen. Mit der
sehr flach angesetzten Stahlklinge - im spitzen Winkel zum Stamm - riskiere man
auch als Anfänger schon Züge von 25 - 30 cm Länge. Um
eine ruhige Lage des Holzes zu erreichen, stützt man die festhaltende Hand
an einer Tischkante oder an der Werkbank ab. Ein kleiner Lederschutz vor dem
Körper kann auch die Lage des Weidenstabes stabilisieren. Durch das
fortlaufende Drehen nach jeweils 2 - 3 Schnittführungen erreicht man eine
Gleichmäßigkeit rund herum. Die Anfangslänge der Fäden
braucht man nicht unbedingt bis zum Mark des Stämmchens beizubehalten.
Für die Verwendung einer Spindel in umgekehrter Wuchsrichtung ist es aber
wünschenswert. Einige Spindeln braucht man, um Ansatzstellen zu verdecken:
Die nach unten gerichteten Fäden ergeben einen Rock". Aus einem
größeren Vorrat werden die Spindeln dann harmonisch
zusammengestellt. Für die meisten Formen braucht man außer dem
Bodenbrett ein Verteilerstück für die Mitte mit beliebig vielen
Löchern - meist 8-10. Die als Rahmen gesteckten Holzröschen sind
ziemlich klein. Die Weidenstäbchen dafür können viel dünner
sein. In dem Markkern werden sie auf die Drahtstifte des Rahmens gedrückt.
Mit einem Sprühlack kann man dann noch die Festigkeit der Fäden
verbessern, auch bleibt durch den Lack das leuchtende Weiß der trockenen
Weide länger erhalten. Die architektonischen Formen der
Rahmentunscheren beläßt man ohne Schmuck, Buntpapier und Farbe. Die
anderen Motive können aber dadurch belebt werden.
Für das Holz des Haselstrauches gilt diesselbe
Behandlung und Technik wie beim Weidenholz. Ein Vorteil ist die absolut glatte
Oberfläche der Schosser, ein Nachteil aber ist die unklare Färbung
des Holzes. Bei der Verarbeitung von Holunder oder Walnußholz gibt
es eine andere Fertigungsmethode. Da man nur die kurzen, glatten Stücke
zwischen den einzelnen Quirlen verwenden kann, setzt man ein
größeres Messer senkrecht zum Schaben an. Hierdurch wird eine
besonders feine Kräuselung, wie bei Kreppapier erreicht. Da beide
Holzarten ein besonders dickes, weiches Mark haben, kann man die Einzelteile
leicht auf einen Draht stecken und so miteinander verbinden. Die
Möglichkeiten der Formgebung sind durch den Draht sehr vielseitig, und die
Größe ist nicht sehr begrenzt. Die Lage des zu bearbeitenden Holzes
kann man durch 2 Bretter mit einem Nagel fest in der waagerechten Richtung
halten. Ein Brett wird durch eine Zwinge am Tisch befestigt, das andere legt
man an den Körper. Die leichter anzufertigende Form einer
Schüler-Tunschere", mit den umwickelten Weidenruten ist
noch in fast jeder Bauerschaft bekannt. Auch diese bringen den Jugendlichen bei
der Anfertigung und dem Ausbringen viel Freude.